Hormone von Menschen und Pflanzen haben einiges gemein: Sie werden im Organismus selbst hergestellt und der Produktionsort ist woanders als der Ort, an dem sie ihre Wirkung tun.
Sie regulieren in teils sehr kleinen Konzentrationen den Stoffwechsel.
Unterschiede zwischen Pflanzen- und Tierhormonen sind: Phytohormone werden nicht in speziellen Drüsen produziert und sie bedienen sich nahezu aller Transportwege.
In der vorigen Aufgabe haben wir die Auxine kennengelernt. Auxin-verwandte Stoffe sind bekannt als Komponenten von Stecklingspudern und Stecklingsgels und bewirken die schnellere Bewurzelung von unbewurzelten Stecklingen.
Neben den Auxinen gibt es noch
die Gibberelline,
die Cytokinine,
die Abscisinsäure,
das Ethylengas,
und andere.
Über Auxin haben wir bereits einiges gehört. Es wird in jungen, grünen Pflanzenteilen produziert und beeinflusst vorwiegend das Wachstum in den Wurzeln. Darum muss das Auxin von den oberen Pflanzenteilen bis in die Wurzeln gelangen. Der Transportweg von Auxin ist einzigartig. Es wandert quer durch die Zellen durch und hat hierbei eine unveränderliche Richtung, immer von den Blättern in Richtung Wurzel, egal, ob man die Pflanze auf den Kopf stellt (siehe Experiment in der letzten Ausgabe). Dies ist so zu erklären, dass jede Pflanzenzelle genaue Information darüber hat, wo die Blätter und wo die Wurzeln liegen, jede Zelle ist gepolt, hat einen Blattpol und einen Wurzelpol. Die Zellen schieben vorhandenes Auxin in Richtung desjenigen Zellenausgangs durch, der zur Wurzel weist. Nicht also die Auxine, sondern die Pflanzenzellen selbst bestimmen die Transportrichtung.
Die Pflanzenzellen arbeiten hier als Kollektiv und sorgen dafür, dass die Hormoninformation von den Blättern in die Wurzeln gelangt.
Logistische Einsicht der Pflanze
Auxine in der aktiven erwachsenen Pflanze stimulieren von den Blättern aus die Bildung der Seitenwurzeln am unteren Ende der Pflanze. Auxinmoleküle geben der Pflanze das Signal, mehr Wurzeln zu produzieren, wenn oben in den Blättern alle Umweltfaktoren stimmen.
Umgekehrt schicken die Pflanzen weniger Auxin in die Wurzeln, wenn es oben Probleme gibt, zum Beispiel eine Lichtstörung oder Parasitenbefall auf den Blättern vorliegt. Die Wurzeln erhalten dann die Botschaft, wenig zu wachsen und damit wenig Energie (=Zucker) hierfür zu verwenden. Gleichzeitig mit der verminderten Wurzelbildung stagniert das Wachstum in der oberirdischen Pflanze durch geringere Aufnahme von Nährstoffen.
Für den Erhalt der Pflanze ist diese Botschaft lebenswichtig:
Wenn Störungen in der Photosynthese auftreten, kann nicht ausreichend Zuckerenergie in den Blättern produziert werden und dann ist die Ernährung der neuen Seitenwurzeln nicht gesichert.
Ohne das Auxin-Signal würde die Pflanze in einen Zustand von Unterernährung geraten, die Wurzelteile würden absterben und die Versorgung der oberen grünen Pflanze wäre nicht mehr gegeben. Mit dem Auxin-Signal kann die Pflanze die Notbremse ziehen und auf Sparflamme fahren, bevor es zu Engpässen in der Ernährung kommt.
Die Blätter steuern also quer durch die ganze Pflanze die Wurzelbildung in der Erde genau in dem Maße, wie es die Umweltfaktoren oben erlauben.
Später werden wir sehen, dass andere Hormone dafür sorgen, das die Wurzeln ebenso Einfluss auf die Blätter ausüben, wenn‘s im Boden mal nicht stimmt.
Auxine für die Industrie
Stecklinge werden nach dem Schneiden oft mit Präparaten behandelt, die die Bewurzelung des Stängels fördern. In diesen Produkten (ob nun Gel oder Pulver oder Tabletten, die im Wasser gelöst werden) befinden sich synthetischeWirkstoffe, die dem natürlichen Auxin, der Indolessigsäure, sehr ähnlich sind.
Sie besitzen die gleichen chemischen Wirkgruppen wie das natürliche Auxin und können somit die gleichen Signale überbringen, haben allerdings eine abgewandelte Gesamtstruktur. Oft verwendet wird die Naphthylessigsäure oder die Indolbuttersäure. Dies sind 100 Prozent unnatürliche Produkte, die von der Pflanze aber als Signalstoffe erkannt werden. Da die künstlichen Auxine eine Gestalt haben, die der Pflanze unbekannt ist, hat sie auch keine Maßnahmen zum biologischen Abbau parat. Aus diesem Grunde verweilen die synthetischen Wuchsstimulatoren länger im Pflanzengewebe als das natürliche Auxin. Hierdurch wirken sie in winzigsten Konzentrationen, da sie das Pflanzengewebe nur sehr langsam verlassen. Stecklingspräparate sind meist in Konzentrationen von 0,1 bis 0,5 Prozent Hormon erhältlich und auch von diesen verdünnten Produkten sollte man so wenig wie möglich benutzen.
Da die biologische Verweildauer der Stecklingsmittel sehr hoch ist, sollte man sie nur an Stecklingen und nicht mehr an älteren Pflanzen anwenden, da sonst Gefahr besteht, dass diese Stoffe in die Nahrungskette gelangen.
Auxin-artige Stoffe werden als Unkrautvernichtungsmittel (so genannte Pflanzenschutzmittel wie z. B. das 2,4-Dichlor-Phenoxy-Essigsäure = 2,4-D) eingesetzt, vorwiegend um Getreide unkrautfrei zu halten.
Beim Besprühen mit dem Giftstoff nehmen die meist breitblättrigen Unkräuter im Vergleich zu den schmalen Getreidehalmen viel mehr von dem Gift auf . Durch die Überdosierung der künstlichen Hormonstoffe läuft in den behandelten Pflanzen ein vermehrtes Wachstum ab, obwohl die Versorgung durch Photosynthese nicht gewährleistet ist Die Unkrautpflanze verhungert und stirbt (wird braun). Die Inustrie hat dann diese Giftstoffe besonders schwer biologisch abbaubar gemacht, durch die Moleküle mit biologisch fremden Anhängseln (z. B. Chlor) zu versehen. Das Getreide nimmt zwar weniger, aber immerhin noch soviel Gift auf, dass es später im Endprodukt nachzuweisen ist.
Das in Kriegszeiten (wie im Vietnam-Krieg ) verwendete Entlaubungsmittel Agent Orange ist eine Kombination von zweien dieser Auxine, das oben erwähnte 2,4-D und das 2,4,5-T (2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure) und wurde in großen Mengen (19 million gallons* Agent Orange) (* 1 gal=3,79 Liter) in Süd-Vietman während des Krieges ausgesprüht. Die Böden dieser Gebiete sind für Jahre unfruchtbar und für Jahrzehnte oder länger vergiftet. Die Bevölkerung dieser Region leidet immer noch an einer hohen Geburtsrate von missgeformten Babys und an allen möglichen Krankheiten, auch jetzt noch.
Zuviel Wurzelhormon hemmt die Wurzeln. Wie wir aus dem Beispiel des Unkrautvernichters lernen können, tut ein Zuviel an Auxin der Pflanze nicht gut. Eine Überdosierung von Wurzelhormon bewirkt das Gegenteil von dem, was mit einer niedrigen Konzentration erreicht werden soll. Während wenig Steckpulver an der Schnittfläche das Wurzelwachstum stimuliert, bleibt die Bewurzelung aus, wenn man die ganzen Stiele behandelt. Wenn sich Wurzelhormon z. B. an der Außenseite der Stiele befindet, erhält die Pflanze ein Signal, um keine Wurzeln zu bilden.
Das Anwendungsprinzip der Wurzelhormone ist folgendes: In der Mitte jeden Stieles verläuft ein Kanal, der das Wasser aus den Wurzeln in die Blätter befördert, der Zentralzylinder. Wenn der Steckling frisch geschnitten ist, ist an der Schnittstelle unten eine Öffnung zum Zentralzylinder gegeben.
Wenn nun die Unterseite des Stieles mit Hormon gehandelt wird, wird ein kleiner Teil des Hormons in dem Stängel nach oben gesogen wie in einen Strohhalm. Die Saugkraft ist die Verdunstung von Wasser auf den Blättern. Da wir im Experiment in der letzten Ausgabe gesehen haben, dass der Transport von Auxin immer von Blatt nach Wurzel verläuft, versuchen die Stängelzellen das Hormon wieder aktiv nach unten zu den nicht mehr vorhandenen Wurzeln zu befördern. Da die synthetischen Wurzelhormone der Pflanze fremd und dadurch schlecht abbaubar sind, hat die Pflanze Probleme, die Stoffe wieder loszuwerden. Sie verweilen lange Zeit im Gewebe, länger als das natürliche Auxin und geben über einen langen Zeitraum innerhalb des Stieles Signale ab, um Wurzeln zu bilden.
Hat man den Stiel aber mit zuviel Hormon behandelt, also den Stängel zu tief eingetaucht, dann erhält die Pflanze widersprüchliche Signale, nämlich auch von außen, um Wurzeln zu bilden. Dann wird sie das Signal nicht verstehen und gar keine Wurzeln bilden.
Im nächsten Beitrag werden wir die anderen Phytohormone kennen und verstehen lernen.