Dienstag, 7. Februar 2006

Lesen ist schön

„Ich genieße alles, was von außen kommt, aber ich erwarte nichts.“ …
… von Wilhelm von Humboldt, ist eines der vielen Zitate und Weisheiten, mit denen Sanna Savignano jedes der 42 Kapitel in „Feuerkopf und Perle“ beschließt. Die Autorin schaffte vor acht Jahren etwas, was wohl – bis dato – niemand für möglich gehalten hätte. Auch heute noch ist das, was ihr in unserem Lieblingsbundesland Bayern widerfahren ist, eher selten. Angeklagt und verurteilt wegen des Anbaus, Konsums und Handels von Marijuana wurde die allein erziehende Mutter in zweiter Instanz vom Vierten Strafsenat des Obersten Bayerischen Landgericht freigesprochen. Was sich sonst noch so in dem Leben von Savignagno ereignet hat, beschreibt sie in dem zwischen 1992 und 2004 entstandenen Buch.
Sie erzählt von ihrer Kinderstube, ihrer Zeit bei der Großmutter, aber auch die erste Schultüte mit allem Drum und Dran hat ihren Platz. Die Schule selbst war für sie nichts wirklich Neues, hat sie doch die „Hälfte ihrer bisherigen Kindheit am Lehrerpult ihres Vaters verbracht“. Sie wusste also, was da auf sie zukommt. Acht Klassen wurden in dem Dorf von ihrem Vater gleichzeitig unterrichtet. Ihre zukünftigen MitschülerInnen beschreibt Savignano so: „Nicht der Intellekt, sondern die Inzucht spricht aus den meisten dieser Gesichter.“ Trocken und abgeklärt analysiert sie die Tabletten- und Alkoholsucht ihrer Mutter, die im Selbstmord endet, wie sie auch über ihre eigenen Drogenerfahrungen schreibt. „Fast genau ein Jahr nach ihrem Tod (ihrer Mutter, die Red.) rauche ich meinen ersten Joint. Bis heute bin ich dieser Droge treu geblieben. Aber im Gegensatz zu meiner unglückseligen Mutter habe ich das vierzigste Lebensjahr längst überschritten und erfreu mich bester Leistungsfähigkeit und ungebrochenem Lebenswillen.“ Endlich volljährig verlässt sie ihre bayrische Heimat. Zumindest für eine Weile, dann zurück nach Bayern.
Aber welcher Kiffer oder welche Kifferin hält es da lange aus. Also macht sich Savignagno auf nach Griechenland, wo sie gemeinsam mit ein paar anderen anfängt Gras anzubauen und zu züchten. Was ihr dort und später wieder in Deutschland alles so widerfährt, ihre Geschichten über Dealer und Dealen, all das macht enormen Spaß zu lesen. Und man erhält einen guten Einblick in die Siebziger-, Achtziger- und Neunziger-Jahre. Und was ich am schönsten finde ist, dass es die Geschichte einer Frau ist, die sich in einer Männerdomäne – dem Drogengeschäft – breit gemacht hat.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen