Mittwoch, 28. September 2005

Klüger werden mit dem Hanf Journal
Dr. med. Franjo Grotenhermen klärt auf

Wie THC den Schmerz bekämpft

Schmerzerkrankungen zählen heute zu den wichtigsten Einsatzgebieten von THC und Cannabis. Zwar sind Opiate wie beispielsweise Morphium im Allgemeinen deutlich stärkere Schmerzmittel als THC, die Erfahrung zeigt jedoch, dass THC besser wirkt. Die Wirkungsweise wurde erst in den letzten Jahren entdeckt. Danach spielt das körpereigene Cannabinoid-System neben dem Opioid-System eine wichtige Rolle bei der Schmerzverarbeitung.

Das medizinische Verständnis über die Entstehung von Schmerzen hat sich in den vergangenen 35 Jahren erheblich verbessert. Dies liegt vor allem an der Entdeckung eines Systems aus Bindungsstellen auf Nervenzellen (Opiat-Rezeptoren), an die sich Morphium und andere Opiate binden, und aus körpereigenen Opiaten, den Endorphinen. Heute ist ein ähnliches Cannabinoid-System aus Cannabinoid-Rezeptoren und körpereigenen Cannabinoiden, den so genannten Endocannabinoiden, bekannt. Opiat- und Cannabinoid-Rezeptoren finden sich in besonders großer Anzahl in Bereichen des Nervensystems, die eine wichtige Rolle bei der Schmerzwahrnehmung und bei der Schmerzverarbeitung spielen.

Das Cannabinoid-System beeinflusst die Schmerzverarbeitung auf verschiedenen Ebenen, dort, wo der Schmerz entsteht und empfunden wird – beispielsweise in der Haut oder in inneren Organen, im Rückenmark und schließlich in verschiedenen Regionen des Gehirns. Wenn eine Entzündung oder eine Verletzung auftritt, werden Schmerz-Rezeptoren aktiviert, die ihr Signal über entsprechende Nerven zunächst zum Rückenmark und dann zum Gehirn weiterleiten. Auf all diesen Ebenen kann die Stärke des Schmerzes und seine Bedeutung beeinflusst werden. So kann unser Bewusstsein Einfluss darauf nehmen, wie der Schmerz wahrgenommen wird. Wenn uns der Schmerz Angst macht, wenn er bedrohlich ist, wenn wir unter Depressionen leiden, kann er uns stärker vorkommen, als wenn er vertraut und ungefährlich oder beispielsweise in einem masochistischen Zusammenhang absichtlich herbeigeführt wurde. Im letzteren Fall würden Signale über absteigende Nervenbahnen aus dem Gehirn zum Rückenmark Entwarnung geben und für eine Abschwächung des Schmerzerlebens sorgen, im ersteren Fall würden Angst und Depression zu einer Verstärkung des Schmerzes beitragen.

Schmerz ist ein komplexes Phänomen, das durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird. Schmerz ist für unser Leben sehr wichtig. Beispielsweise könnte eine kleine, eigentlich unbedeutende Verletzung schwer wiegende Folgen nach sich ziehen, wenn wir sie nicht bemerken würden. Würde eine Entzündung des Blinddarms keine Schmerzen verursachen, so würden viele Menschen daran sterben. Andererseits haben die Schmerzen bei chronischen Schmerzerkrankungen häufig diese sinnvolle Warnsignalfunktion verloren. Sie haben sich verselbstständigt und sind sehr belastend für das Leben. Die Schmerz-Rezeptoren sind überempfindlich geworden oder sie signalisieren im Falle von Phantomschmerzen sogar Signale aus Körperteilen, die nicht mehr existieren. Die körpereigenen Opioide und die Endocannabinoide sind in diesem System von verstärkenden und abschwächenden Elementen für die Abschwächung von Schmerzreizen verantwortlich. In verschiedenen tierexperimentellen Studien wurde nachgewiesen, dass die Konzentrationen der Endocannabinoide nach Schmerzreizen in bestimmten Schmerzzentren des Gehirns zunehmen, beispielsweise in dem so genannten periaquäduktalen Grau. Der Körper besitzt also eigene Mechanismen zur Schmerzbekämpfung, bei denen die Endorphine und die Endocannabinoide eine wichtige Rolle spielen.

Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass Cannabis und THC bei bestimmten Schmerzformen wirksamer sein könnten als bei anderen. Insbesondere könnten sie bei so genannten neuropathischen Schmerzen helfen. Neuropathische Schmerzen beruhen auf einer Schädigung von Nerven und sprechen im Allgemeinen nicht gut auf Opiate an. Zu den neuropathischen Schmerzen zählen beispielsweise Schmerzen aufgrund einer Schädigung des Rückenmarks bei Querschnittslähmungen oder bei der Multiplen Sklerose, Schmerzen bei Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) und Phantomschmerzen.

Nicht nur die direkte schmerzlindernde Wirkung von Cannabis oder THC kann bei chronischen Schmerzerkrankungen von Nutzen sein, sondern auch der muskelentspannende Effekt, die entzündungshemmende Wirkung, sowie die Stimmungsaufhellung und die Angstlinderung.
Leider ist es meistens nicht möglich, im Voraus zu sagen, ob die Gabe von THC oder Cannabis bei einem bestimmten Schmerzpatienten zur gewünschten Linderung der Symptome führt. Oft ist die Wirkung leider nur gering oder sie werden schlecht vertragen. Da bleibt nur das Ausprobieren.

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