Montag, 12. September 2005

Welche Arten von Drogenpolitik stehen zur Wahl?

Fundamentalismus versus Vernunft

Der Begriff Fundamentalismus bezeichnet eine religiöse oder weltanschauliche Strömung, deren Ziel eine Rückbesinnung auf die Wurzeln der Religion oder Ideologie ist. In seiner ursprünglichen Bedeutung geht der Begriff Fundamentalismus auf die Protestbewegung gegen “modernistische” Tendenzen innerhalb des US-amerikanischen Protestantismus zurück und wurde in diesem Zusammenhang in der Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals verwandt. Fundamentalisten sind zumeist dadurch charakterisiert, dass sie kompromisslos auf den ursprünglichen Grundlagen (oder dem, was sie darunter verstehen) ihrer Religion oder Partei bestehen und darüber keine Diskussion zulassen.

Vernunft gilt als die höchste geistige Fähigkeit des Menschen. Bezogen auf die Tätigkeit des Gehirns ist damit die kognitive Kraft gemeint, die allem Denken zu Grunde liegt. Die Vernunft steht über dem Verstand. Sie ist das Vermögen der Ideen. Vernunft kann daher auch Klugheit und Einsicht bedeuten.

Fundamentalisten reagieren in Situationen, die ihre vorgefasste Meinung tangieren, oft übermäßig emotional und bedenken meist nicht einmal die Relation von Nutzen und Schaden ihres Handelns. Vernünftige Menschen handeln hingegen zumeist nach logischen Kriterien und wägen die Relation von Nutzen und Schaden ihres Handelns so gut wie möglich ab.

Grundlegendes zum Strafrecht

Das Recht ist die verbindliche Ordnung des Verhaltens, das der Angehörige einer Gruppe gegenüber anderen Mitgliedern äußert. Das Recht ordnet menschliche Beziehungen. Der Drogen-Konsum betrifft nur den Konsumenten selbst, er untersteht individual-ethischen Regeln, entzieht sich aber als Verhalten des Einzelnen dem Recht auf Regelung menschlicher Beziehungen. Jedem Menschen einen großen Spielraum einzuräumen, wie er sein Leben in eigener Verantwortung führen will, ist ein Kennzeichen einer liberalen Rechtsordnung.

Mit der Begrenzung des Rechts auf eine Regelung der Beziehungen zu anderen Menschen hängt ein Grundsatz des heutigen Strafrechts zusammen: Nur ein Verhalten, das die Rechtsgüter anderer Menschen oder gar einer ganzen Gruppe unmittelbar beeinträchtigen könnte, kann strafwürdig sein. Es genügt dazu nicht, dass die Mehrheit einer Gruppe, selbst eine kompakte Mehrheit, ein Verhalten moralisch verurteilt. Damit wird dem Strafrecht ethische Bedeutung nicht abgesprochen. Die Menschen zu bewahren vor äußerlich zugefügtem Schaden an Leib und Leben, Freiheit, Ehre und Eigentum, ist ebenfalls eine Aufgabe der Ethik, zwar nicht der Individualethik, sondern der Sozialethik. Abgelehnt wird einzig die Auffassung, die Gebote der Individualethik oder gar der Religion strafrechtlich zu sichern. Ein Blick auf das Wirken der Inquisition oder das Wüten des Strafrechts totalitärer Staaten zeigt, welche Irrwege eröffnet werden, wenn das Strafrecht das Einhalten religiöser, moralischer oder politischer Überzeugungen gewährleisten soll. Dazu kommt, dass strafrechtliches Eingreifen nicht als erste Abhilfe dienen, sondern erst herangezogen werden soll, wenn andere Vorkehrungen sich als wirkungslos erweisen. Das gebietet der Grundsatz der Subsidiarität (lat. zurücktreten oder nachrangig sein) des Strafrechts wie auch des Gebot der Verhältnismäßigkeit.

CDU/CSU

Im Wahlprogramm (Regierungsprogramm 2005-2009) der CDU/CSU kommt das Thema Drogen nur im Zusammenhang mit Kriminalität, Vandalismus, Waffen- und Menschenhandel, Zwangsprostitution und Terrorismus vor. Themen wie Drogenhilfe, Drogenberatung oder Prävention und Aufklärung fehlen. Die CDU/CSU ist der Meinung, dass die bisherigen gesetzgeberischen und organisatorischen Maßnahmen noch nicht ausreichen, um den Drogenhandel einzudämmen. Die CDU/CSU will die Kriminalität wirksam bekämpfen und deshalb den Polizeien von Bund und Ländern sowie der Justiz neue notwendige rechtliche Eingriffsmöglichkeiten geben. Dazu gehört die DNA-Analyse, die zum Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts werden soll. Des Weiteren will die CDU/CSU dafür sorgen, dass das allgemeine Strafrecht in der Regel auch bei Heranwachsenden angewendet wird und das Höchstmaß der Jugendstrafe auf 15 Jahre erhöht wird, die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden ausgeweitet und im Jugendstrafrecht die nachträgliche Sicherungsverwahrung einführt wird.

Die Tatsache, dass das Europäische Parlament die bisherige Drogenpolitik für gescheitert erklärt hat und dass drogenpolitische Maßnahmen evaluiert werden sollen, scheint die CDU/CSU nicht zu tangieren. In Sachen Drogenpolitik scheint die CDU/CSU sich weit mehr von fundamentalistischen Ideen leiten zu lassen als von der Vernunft. Individuelles Verhalten, auch wenn es die Rechtsgüter anderer nicht beeinträchtigt, soll somit verschärft sanktioniert werden.

SPD

Im Wahlmanifest der SPD werden Drogen nur im Zusammenhang mit der jugendspezifischen Kriminalität (wie Rohheitsdelikte, rechtsradikale Gewalt, Graffitidelikte, Drogen- und Alkoholmissbrauch) genannt. Durch neue gesetzliche Maßnahmen im Bereich der Prävention, Strafverfolgung und Justiz soll die Jugendkriminalität bekämpft werden. Dazu will die SPD die technische Ausstattung der Sicherheitsbehörden durch die Einführung des weltweit größten Digitalfunksystems verbessern. Der fundamentalistische Ansatz der Repression scheint auch bei der SPD im Vordergrund zu stehen. Vernünftige Ansätze wie die Förderung von Drogenmündigkeit werden im Wahlmanifest der SPD jedoch nicht genannt. Auch für die SPD scheint nach wie vor das Abstinenzparadigma, das bekanntlich Ausdruck einer fundamentalistisch geprägten totalitären Phantasie ist, Leitmotiv der Drogenpolitik zu sein.

FDP

Im Wahlprogramm der FDP kommt das Wort “Drogen” nicht vor. Die FDP lehnt dirigistische Eingriffe des Staates in das Marktgeschehen wie Werbeverbote für Tabak und Alkohol ab. Zudem will die FDP die Grundrechte sichern und individuelle Selbstbestimmung und gesellschaftliche Autonomie stärken. Für Liberale ist der Staat nicht der Vormund der Bürger, sondern deren Instrument zur Sicherung der offenen Bürgergesellschaft. So steht es zumindest im Wahlprogramm.

Ob die FDP die individuelle Selbstbestimmung bezüglich des Drogengebrauchs will, steht nicht im Wahlprogramm. Wie die Mehrheit der FDP-Mitglieder jedoch die Wichtigkeit der Abwehr einer Beeinträchtigung der Grundrechte einschätzt, ist seit Mitte der 1990er-Jahre bekannt. Die Mehrheit der Parteimitglieder votierte seinerzeit für den so genannten großen Lauschangriff zur Verbrechensbekämpfung, was die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit ihrem Rücktritt quittierte. Dieses Votum glich einem Harakiri des liberalen Selbstverständnisses. Inzwischen schränkte das Bundesverfassungsgericht die damals beschlossenen Möglichkeiten zum großen Lauschangriff stark ein.

Bündnis 90/Die Grünen

Gemäß ihrem Wahlprogramm 2005 wollen Die Grünen eine rationale Drogenpolitik für mehr Sicherheit, die auf den Dreiklang aus Prävention, Hilfe und Entkriminalisierung setzt. Die Kriminalisierung der Konsumenten ist für Die Grünen der falsche Weg, wenn der verantwortungsvolle Umgang mit Drogen das Ziel ist. Bei weichen Drogen wie Cannabis wollen Die Grünen unter Berücksichtigung des Jugendschutzes eine legale Abgabeform wie in den Niederlanden ermöglichen. Weiterhin wollen sie sich für vernünftige Regelungen und Grenzwerte im Bereich des Straßenverkehrs einsetzen.

Die Linke.PDS

Für die Linke.PDS sind demokratische Bürger- und Freiheitsrechte wie soziale Grundrechte unverzichtbare Bedingungen demokratischer Politik. Wer öffentliche Sicherheit will, muss für inneren Frieden, gesellschaftlichen Ausgleich und soziale Gerechtigkeit sorgen, nicht für den Abbau von Freiheit und Selbstbestimmung. Deshalb tritt die Linke.PDS wie die Grünen für eine vernünftige Drogenpolitik und einer Entkriminalisierung der Drogengebraucher ein.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen