Samstag, 30. Juli 2005

Dr. med. Franjo Grotenhermen klärt auf

Was ist von den Ausführungen von Prof. Thomasius zum Thema Cannabis zu halten?

Aussagen von Professor Rainer Thomasius, Leiter des Arbeitsbereiches Persönlichkeits- und Belastungsstörungen im Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums Hamburg

“Die Jugendlichen bleiben auf der Stufe stehen in ihrer Entwicklung, aber auch in der Hirnreifung, wo sie in den Cannabis-Missbrauch eingestiegen sind. Mit 18 Jahren haben sie dann das Gehirn eines 13-Jährigen, und sie wirken auch von ihrem Verhalten, von der Physiognomie wie 13-Jährige.” (Report Mainz vom 18. November 2002, Legalize it? – Die verschwiegenen Gefahren des Cannabis-Konsums)

“Fasst man den heutigen Kenntnisstand zusammen, so ist zu resümieren, dass problematische Konsumsformen – und hierzu zählt auch jeglicher Konsum von Cannabis in der Pubertät – mit einem erhöhten Risiko für die altersgerechte Entwicklung und Gesundheit einhergehen. Bei jungen Cannabiskonsumenten werden Entwicklungsstörungen infolge Cannabismissbrauchs beobachtet (ungünstige Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung, Leistungsfähigkeit, Motivation etc.), des weiteren psychische Störungen (depressive Störungen, Angststörungen, Psychosen etc.) und körperliche Erkrankungen (Hirnreifungs- und Hirnleistungsstörungen etc.).” (in einem Beitrag für „Psychiatrische Praxis“ vom 12. April 2005, Pro und Kontra: Cannabis)

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Die obigen Zitate sind typisch für die Argumentationsweise von Professor Thomasius. Er hat eine sehr eingeengte bzw. selektive Sicht auf den Cannabis-Konsum und Cannabis-Konsumenten. Einige seiner Aussagen treffen zu, viele sind jedoch entweder übertrieben oder unsinnig. Diese eingeengte Sichtweise hat seine Ursachen möglicherweise im Tätigkeitsfeld des Autors. Er ist Psychiater an einer Universitätsklinik und hält die Realität, die ihm dort begegnet, für die Wirklichkeit. In diese psychiatrische Falle ist nicht nur Prof. Thomasius gegangen, sondern vor ihm bereits andere, beispielsweise Professor Karl-Ludwig Täschner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Bürgerhospitals Stuttgart, der vor allem in den achtziger und neunziger Jahren auf eine übertriebene Art und Weise vor dem Cannabis-Konsum warnte.
Solche Beispiele gibt es auch aus anderen Ländern. So haben beispielsweise amerikanische Forscher im Jahre 2001 eine Studie veröffentlicht, in der sie 960 Ärzte über ihre Haltung zur medizinischen Verwendung von Cannabis befragt hatten. Es stellte sich heraus, dass Psychiater und Suchtmediziner eher negativ eingestellt waren, während Internisten und Frauenärzte eine medizinische Verwendung eher unterstützten. Die Autoren der Studie vermuteten, dass Frauenärzte und Internisten häufiger Krebspatienten sehen, denen Cannabis medizinisch helfen kann, während die anderen beiden Gruppen eher Personen sehen, die Probleme mit dem Konsum haben und daher wegen der möglichen negativen Wirkungen der Droge besorgter sind. Einer der engagiertesten Gegner der medizinischen Cannabis-Verwendung in den USA, Professor R. H. Schwartz, Kinderarzt an einer Klinik in Virginia, hatte erlebt, wie sein Sohn mit 15 Jahren, Cannabis, LSD, Alkohol und verschiedene andere Drogen konsumierte und erhebliche psychische, soziale und schulische Probleme bekam. Vor dem Hintergrund dieser persönlichen Erfahrung ist es leichter nachvollziehbar, dass es Prof. Schwartz schwer fällt zu verstehen, dass andere Menschen gut mit der Droge umgehen können oder sogar medizinisch davon profitieren.

Man darf davon ausgehen, dass Prof. Thomasius von Jugendlichen aus seiner psychiatrischen Tätigkeit schockiert war, die regelmäßig und bereits seit frühester Jugend Cannabis konsumierten und erhebliche psychosoziale Probleme hatten. Dies ist sicherlich kein Einzelfall, Thomasius begeht jedoch den Fehler, diese Fälle zu generalisieren, das Thema damit zu dramatisieren und das eine (Cannabis-Konsum) unzulässigerweise zur Ursache des anderen (psychosoziale Probleme) zu erklären. Es ist Unsinn davon zu sprechen, jeglicher Konsum von Cannabis in der Pubertät sei problematisch, oder gar zu behaupten, jugendliche Cannabis-Konsumenten würden in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung stehen bleiben. Das Ausprobieren verschiedener Verhaltensweisen während der Pubertät, zu denen auch das Probieren von Cannabis zählen kann, ist ein normales Verhalten. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Studie aus Großbritannien aus dem Jahre 2001, in der Forscher der renommierten Schools Health Education Unit (SHEU) in Exeter 15.000 Kinder im Alter zwischen 14 und 15 Jahren befragt hatten. Danach hatten 27 Prozent der Jugendlichen mit hohem Selbstbewusstsein illegale Drogen, vor allem Cannabis, konsumiert, verglichen mit nur 20 Prozent der Jugendlichen mit geringem Selbstbewusstsein. Der Leiter der Studie, Dr. David Regis, erklärte dazu: “Unglücklicherweise sind diese Ergebnisse ein Schlag ins Gesicht der einfachen moralischen Fabel, dass junge Menschen durch ein hohes Selbstbewusstsein auf den richtigen Weg gebracht werden.” Professorin Heather Ashton von der Universität Newcastle, die sich lange mit dem Konsumverhalten Jugendlicher beschäftigt hatte, zeigte sich von diesen Ergebnissen jedoch wenig beeindruckt: “Studenten berichten immer, dass sie Drogen aus Vergnügen nehmen und dass es nichts mit Angst oder Stress zu tun habe. Vor Jahren wurden junge Menschen, die Drogen nehmen, als psychotisch angesehen oder als schwach oder risikobereit. Jetzt ist das nicht der Fall.”

Professor Thomasius übertreibt, aber es ist auch etwas Wahres an seinen Beschreibungen. So ist ein gewohnheitsmäßiger Cannabis-Konsum mit einem erhöhten Risiko für psychische Störungen verbunden. Beispielsweise ist jugendlicher Cannabis-Konsum offenbar mit einer Verdopplung des Risikos für die Entwicklung einer Psychose assoziiert. Cannabis-Konsum kann auch ungünstige Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung sowie schulische und berufliche Leistungen haben. Dies ist jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Die Intensität des Konsums und die Persönlichkeit des Konsumenten spielen dabei offensichtlich eine große Rolle. In vielen Studien hat sich gezeigt, dass problematischer Drogen-Konsum, der mit psychosozialen Problemen einhergeht, bei Jugendlichen beobachtet wird, die bereits in der Kindheit und frühen Jugend solche Probleme hatten. Cannabis-Konsum wäre in diesem Fall nicht die Ursache für die Probleme, sondern ein Symptom dieser Probleme. Cannabis-Konsum kann aber sicherlich auch solche Probleme verursachen und verstärken.

Bemerkenswert sind die beiden letzten Sätze des Beitrages von Professor Thomasius in seinem Beitrag für „Psychiatrische Praxis“ vom 12. April 2005. Dort heißt es: “Jetzt muss gehandelt werden. Die Zuweisung entsprechender Mittel vorausgesetzt.” Thomasius verschafft sich durch seine übertriebenen Worte – er würde es vielleicht selbst als Zuspitzungen bezeichnen – nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Geldmittel für seine Klinik. In der heutigen Zeit ist dies durchaus ein Erfolgsmodell. Das ändert aber nichts daran, dass Thomasius aus wissenschaftlicher Sicht regelmäßig vor allem seine Inkompetenz demonstriert.

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1 Kommentar
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Armin
12 Tage zuvor

Ohne Thomasius wäre besser er ist so unnötig wie ein Kropf…