ein Abgesang
Am Samstag, den 18. Juni, hat Berliner Hanf-Museum zu dem Thema eine Sonderausstellung zum Thema „Weisung und Umsetzung – 10 Jahre nach der Weisung des BVerfG zu Cannabis“ eröffnet. Anhand chronologisch geordneter Zeittafeln von 1994 bis 2004 gewährt die Ausstellung einen umfassenden Einblick in ein Jahrzehnt, in dem vieles passieren sollte, jedoch (fast) nichts passiert ist. 1994 forderte das oberste deutsche Gericht von unseren gesetzgebenden Organen, also dem Bundestag und dem Bundesrat, die Grundlage zu schaffen, dass der Besitz kleiner Mengen zum Eigenbedarf nicht mehr verfolgt wird und dies bundesweit einheitlich zu regeln sei. Daraufhin entstanden viele Initiativen, Läden und Zeitungen. Es herrschte eine Art Aufbruchstimmung. Viele dachten, die Legalisierung sei nur noch eine Frage der Zeit.
Und wie sieht das heutzutage aus? Es gibt Bundesländer, in denen selbst Mengen unter drei Gramm eine Strafverfolgung nach sich ziehen. Immer noch gibt es nur aus diesem Grunde Hausdurchsuchungen, Leibesvisitationen und eine Menge anderer Schikanen für Hanf-KonsumentInnnen. Außerdem wurde die Repression für den Besitz geringer Mengen einfach auf ein anderes Amt verlegt – die Führerscheinstelle. Hat den Vorteil, dass sich der Bürger dort nicht gegen staatliche Willkür wehren kann, weil gegen einen Verwaltungsakt keine Rechtsmittel zulässig sind, basta. GelegenheitsraucherInnen, die nicht unter THC-Einfluss fahren, müssen ebenfalls mit einem Führerscheinentzug rechnen und ihre Pappen erst einmal abgeben, dann erst kann die Rückgabe eingeklagt werden. Selbst das Bundesverwaltungsgericht hat den Gesetzgeber auf diese Schieflage hingewiesen und regulative Maßnahmen, sprich eine Festlegung wissenschaftlich fundierter Höchstgrenzen für den THC-Gehalt im Blut, gefordert – bisher vergebens.
Zur Ausstellungs-Eröffnung referierten Hans Cousto von eve and rave, der Berliner Strafverteidiger Klaus Poschmann und Tibor Harrach von Bündnis90/Die Grünen. Cousto betonte , dass sich die Situation für die Betroffenen seit dem Urteil aus dem März 1994 nicht verbessert, sondern unter Einbeziehung aller Aspekte eher verschlechtert habe. Das hieße im Klartext, dass es die Politik versäumt habe, eine bindende Weisung des höchsten Verfassungsorgans umzusetzen, das Gegenteil geschehe. Der Berliner Rechtsanwalt Klaus Poschmann referierte über arbeits-rechtliche und verkehrsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Hanf-Konsum. In beiden Bereichen werde momentan zu immer repressiveren Maßnahmen gegriffen, besonders im Führerscheinbereich herrsche für Kiffer keinerlei Rechtssicherheit. Mittlerweile wehren sich sogar Polizeibeamte gegen flächendeckende Urintests – ohne den geringsten Verdacht –(polemische Anmerkung des Autors: Wieso wohl? ;-)).Tibor Harrach sprach über die Liberalisierung im Umgang mit der Verfolgung und Therapie Heroin-Abhängiger, die medizinische Indikation, also die Möglichkeit der Verordnung als Medikament, werde für Heroin sehr wahrscheinlich in absehbarer Zeit erreicht sein, für Hanf sei das auch zukünftig nicht geplant. Deshalb behaupten böse Zungen, Heroin sei vor dem Hanf legal.
Die Bundesregierung hat so nebenbei die Forschung an Medikamenten aus der Cannabis-Pflanze de facto eingestellt (Hanf Journal 03/05), Patienten müssen auf ein fünf- bis zehnmal so teures synthetisches Produkt zurückgreifen und auch noch selbst bezahlen. Würde das gleiche Ministerium bei Verhütungs- und Gesundheitsfragen auf diesem Niveau aufklären, hätten die MitarbeiterInnen wahrscheinlich empfohlen, das Gummi zur Abwehr des Klapperstorchs über den Schornstein zu spannen.
Und dann das Gen-Gras-Märchen, das unsere Jugend reihenweise verblöden lässt. Wenn es gerade genehm ist, können passende Zahlen herbeigezaubert werden, die die verantwortlichen Politiker ungeprüft glauben und entsprechend handeln. So geschehen in diesem Jahr in Berlin. Passend dazu erreichte uns noch eine Neuigkeit vom Bundesgesundheitsministerium: Telefonisch erfuhren wir, dass die Ergebnisse einer Studie des Max-Planck Instituts über die Unterschiede beim Vorgehen einzelner Bundesländer bezüglich der Strafverfolgung von Cannabis-KonsumentInnen entgegen aller bisherigen Ankündigungen nicht mehr in dieser Legislaturperiode veröffentlicht werden. Obwohl die angeforderte Ergänzung, die angeblich für die Verzögerung verantwortlich sei, nach Aussagen eines Mitarbeiters des Instituts dem Ministerium seit April vorliegt. Warum dann keine Veröffentlichung? Weil dort die Wahrheit drinsteht – und die Wählerstimmen kosten könnte?
Die Ausstellung ist bis zum 30.Juli zu sehen.