Donnerstag, 7. April 2005

ROLY’S GENRE LEXIKON

LESSON IV. : BREAKBEAT

Heute ist es mir ein Fest, über mein Lebenselixier zu schreiben. Seit
den legendären Mannheimer Oldskool-Tagen 1991 bis 1993 ist diese
Stilrichtung von ihrer in mir entfesselnden Leidenschaft höher
einzustufen als jedes andere Liebesabenteuer! – Denn auch Breakbeat
bezeichnet eine spezielle Art von Rhythmus. Anders als bei normalen
Drumlines wie Pop (bassdrum-hihat-snare-hihat-etc.) ist die Reihenfolge
der einzelnen Percussions verändert
(bassdrum-hihat-snare-hihat-hihat-bassdrum-snare-hihat-etc.) und in
einzelne so genannte „Breaks“ aufgeteilt. Als Bezeichnung für ein
Genre, das auf den oben beschriebenen Beats basiert, verwendet man
Breakbeat als Überbegriff für die Stilrichtungen Jungle und
Drum’n’Bass.

Ende der 1980er entstand in den urbanen unteren sozialen Schichten
Englands (speziell London) ein Techno-Derivat, dass sich durch
wiederholende, hochgepitchte Breakbeats sowie kantige, ungeschliffene
Basslines auszeichnete: Hardcore. Der mehr rave-orientierte Begriff
Happy Hardcore zeigt noch deutlicher, dass die Wurzeln dieser
Stilrichtung im Acid-House lagen: wimmernde, diven-artige
Gesangspassagen, upbeat Piano-Parts und Synthie-Basslines in enger
Anlehnung an die aufdringlichen Hardcore-Rhythmen. Führende Labels
waren hierbei Moving Shadow, Suburban Base, Slammin Vinyl, Knite Force,
Production House und XL Recordings, die mit The Prodigy ihr
bekanntestes Zugpferd im Stall hatten. Als konkrete Geburtsorte werden
oft die Londoner Clubs „Blue Note“ und „Rage“ genannt, wo Grooverider
& Fabio back2back spielten.
Goldie
Kurze Zeit später nahmen manche Produzenten die hellen Melodien und
gepitchten Samples aus dem Hardcore und ersetzten sie durch wummernd
tiefe Bässe und teilweise recht schräg melodische Passagen, die eher an
Detroit Techno erinnerten. So schlug Darkside die Brücke vom frühen
Hardcore hin zum anspruchsvolleren Hardstep und experimentelleren
Drum’n’Bass.

Ragga Jungle hob sich von den Klischees des Hardcore ab und fand in den
Straßen der Großstädte viele Anhänger (darunter zahlreiche Jugendliche
afrikanischer und karibiischer Abstammung). Ragga Jungle zeichnet sich
durch schnelle, komplexe Beat-Strukturen, tiefe Bässe und den Einsatz
von Soundsystem-typischen MC Vocals aus, die von alten Reggae-, Ragga-
oder Dancehall-Platten gesamplet wurden. Auch in den Texten waren die
Anknüpfungspunkte zu Jamaikas Raggamuffin sehr stark. Stiltypische
Tracks waren “Incredible” (M Beat feat. General Levy), “Original
Nuttah” (UK Apachi & Shy FX), “The Hitman” (Marvellous Cain) und
alles, was auf dem Label Congo Natty erschien.

Der Begriff Jungle leitet sich von einer als „Concrete Jungle“
bezeichneten Gegend in Kingston (Jamaika) ab, wo diese Musik ihren
Ursprung hat. Jungle wurde in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre in
England von Musikern westindischer Herkunft entwickelt und produziert
und war so der erste in England erfundene Populärmusikstil. Meist weist
Jungle sehr schnelle Breakbeats und eine sehr schnell wirkende Drumline
auf, besonders beliebt ist dabei der so genannte Amen-Break, der auf
dem Break des Stückes „Amen Brothers“ von The Winstons basiert. Als
Kontrast zu den schnellen Drums wird meist eine halb so schnelle
Bassline eingesetzt (half-time). In England wird Jungle auch als
Oberbegriff oder gleichbedeutend mit dem im deutschen verwendeten
Drum’n’Bass verwendet. Im Vergleich zum heutigen Drum’n’Bass wurden
damals rasante, rückwärts laufende Jazz-Drum-Patterns und HipHop Drum
Loops sowie Reggae-Grooves und Ragga-Vocals eingesetzt. Die
Geschwindigkeit von rund 170 bpm ist so gewählt, dass das menschliche
Gehör versucht, die schweren Zählzeiten in halbierter Geschwindigkeit
zu hören. Dieser Kontrast wird durch schnelle Drums und langsamen Bass
noch weiter hervorgehoben und macht einen Gutteil des Reizes dieser
Stilrichtung aus.

1993 produzierte Goldie den Track „Terminator“ (Reinforced). Er gilt
als Blaupause eines neuen Stils, der Mitte der 1990er-Jahre Jungle
ablösen sollte: Drum’n’Bass entstand als Produkt der englischen
Rave-Szene und entwickelte die Attitüde, sich mehr auf das Wesentliche
zu konzentrieren. Nicht zuletzt mit der Verfügbarkeit von besseren
Samplern und Sequenzerprogrammen wurden die rohen Beats und immer
wieder verwendeten Standard-Breaks einer komplizierten digitalen
Verjüngungskur unterzogen. Seit dieser Zeit wird mit den Kernelementen
Beats und Basslines immer weiter experimentiert, wobei der Bass
üblicherweise die Rolle der Melodie übernimmt. Dabei wird großer Wert
auf einen möglichst eindrucksvollen Klang gelegt. Inzwischen hat sich
das Drum’n’Bass-Feld in zahlreiche Subgenres aufgespalten.

Hardstep und Jump-Up sind einfachere und geschmeidigere Abwandlungen
von Hardcore und Jungle, die die Härte und rhythmische Komplexität
beibehalten, aber auf den exzessiven Einsatz von Ragga- und „Rude
Bwoy“-Samples verzichten. Hardstep zeichnet sich auch durch
progressivere, variantenreichere Drum-Patterns, musikalischere Momente
und melodischere Bässe aus. Obwohl Jump-Up einen etwas leichten,
frischeren und dynamischeren Touch hat, werden beide Begriffe
weitgehend gleich verwendet. Wichtige Vertreter waren hier vor allem DJ
SS, DJ Zinc, Shy FX, Mickey Finn & Aphrodite.

Den Unterschied zum Techstep macht der Einsatz von techno-typischen
Elementen wie Bleeps, treibenden Synthie-Sounds und fetten, abgedrehten
Basslines. Nach den softeren Klängen der ersten Jungle-Welle brachte
der mächtige, dunkle und tiefe Techstep-Sound eine sehr aktive,
interessante und experimentelle Variante von Jungle an den Tag. Ein
guter Wegweiser (und Namensgeber) war die auf Emotif erschienene
Compilation „Techsteppin“. Wichtige DJs und Produzenten waren Ed Rush,
Nico & Fierce.

Der Begriff Intelligent wurde zuerst genutzt, um Drum’n’Bass Styles zu
definieren, die viele atmosphärische und stimmungsvolle Elemente
beinhalteten. Später wurde der Term eingesetzt, um sich bewusst vom
„simplen“ Hardcore mit wiederholenden Loops, relativ anspruchlosem
Rhythmus-Programmierungen und den süßlichen, pop-orientierten
Melodie-Texturen zu distanzieren. Diese Gegenbewegung zeichnete sich
entsprechend durch softere, jazzigere und ruhigere Ambient-Sounds aus
und rückte als erstes Subgenre davon ab, seine Wurzeln im Underground
zu sehen. Der Sound wurde mit LTJ Bukem, Omni Trio, Photek & 4Hero
äußerst populär und fand eine große Hörerschaft und viele Anhänger.

2 Step (auch UK Garage und früher 2 Step Garage) bezeichnet einen
britischen Stil, der funky Breakbeats mit der Ästethik von Garage House
vermischt. Als Vorläufer des Stils gilt die schnelle House-Variante
Speed Garage. Neben Drum’n’Bass und Speed Garage gehört 2 Step zu den
einzigen wirklich britischen Stilentwicklungen der populären Musik. Der
Stil war vor allem in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts in
Großbritannien sehr erfolgreich, dank vieler Remixes vor allem von
amerikanischen und britischen R’n’B-Künstlern. In Deutschland und
Europa konnte sich 2 Step bis auf einen kurzen Hype im Jahr 2000 und
der Herausbildung kleiner lokaler Szenen nicht etablieren. Auch in
Großbritannien ist der Rummel um 2 Step mittlerweile abgeflaut. Ein
neuer Stil, die Weiterentwicklung des 2 Step, erobert seit einiger Zeit
die Clubs: Grime.

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