Die Geschichte der Gemüseschlacht auf der Berliner Oberbaumbrücke
Faules Gemüse, gammeliges Obst,
schlaffe Salatköpfe fliegen auf der Oberbaumbrücke hin und
her. Dazwischen ein paar Wasserbomben auf mit Gemüsematsch
verschmierte Körper. Irgendwo mühen sich einige Kämpfer
mit selbstgebauten Katapulten ab. Mehlfontänen nehmen die Sicht.
Es stinkt auf der Oberbaumbrücke.
Es stehen sich gegenüber die
Schärgen aus Friedrichshain und Recken aus Kreuzberg. Warum,
erklären uns die Kreuzberger Patriotischen
Demokraten/Realistisches Zentrum (KPD/RZ): “Die Ostkreuzberger
(kreuzbergerisch für Friedrichshain) Untergrundorganisation WAF
(Wasserarmee Friedrichshain), versucht einen terroristischen
Biowaffenangriff auf das Herz unseres geliebten Kreuzberg, der sich
die heldenhafte Kreuzberger Bevölkerung entgegenstellt.
Angeführt von den bewährten Befehlshabern der Kreuzberger
Landwehr in Gründung (KLiG) und mit Unterstützung aus
Spandau und Celle-Wietzenbronx. Selbst die Schneemassen können
den KreuzbergerInnen nichts anhaben. Ein strategischer Schachzug
macht es allerdings notwendig, dass die Invasoren aus dem Osten bis
in die Schlesiche Straße vordringen, nach einigen kleinen
Scharmützeln jedoch schleunigst den Rückzug nach
Ostkreuzberg antreten. So die Kreuzberger Interpretation der Schlacht
vom 29.08.2004.
Anders sehen es die Anhänger der
Friedrichshainer WAF. Sie meinen “den Unterfriedrichshainer
(friedrichshainerisch für Kreuzberg) Pöbel zurück in
die Westberliner Kanalisation gespült zu haben.” Wer auch
immer den Sieg davon getragen haben mag, eines ist sicher: Der
Friedrichshainer Don ist und bleibt tot! Ein Selbstmordattentat eines
KPD/RZ-Parteimitgliedes hat ihn drei Tage vor der Schlacht ins
Jenseits befördert. Seine Überreste mögen den Fischen
in der Spree gemundet haben.
Angefangen hat alles 1995. Die KPD/RZ
stellt sich zur Wahl des 13. Abgeordnetenhauses und der Kreuzberger
Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Das machen die “ostdeutschen
Sozialdemokraten” (PDS) auch. So kam es zur ersten Gemüseschlacht
auf dem Heinrichplatz mitten in SO 36. Den Sieg der Kreuzberger und
Kreuzberinnen konnte auch das Spagettiwurfgeschoss-auf-LKW nicht
verhindern. “Der Aggressor erleidet die schwerste Niederlage des
laufenden Wahlkampfes und kann sich bis zum Wahltag nicht mehr davon
erholen. Die Sozialdemokratie gilt als besiegt”, so die KPD/RZ, die
am 22.10.1995 in Kreuzberg 4,7 Prozent der Stimmen erringt. Aber wer
kann Wahlversprechen wie “Nachtflugverbot für Pollen” oder
“Rauchverbot in Einbahnstraßen” schon widerstehen. (1999
errang die KPD/RZ einen Abgeordnetenplatz in der BVV).
So lebten die beiden Bezirke friedlich
nebeneinander her durch die Spree getrennt und durch die
Oberbaumbrücke verbunden. Bis 1998. Die Niederlage nie
verwunden, unternahmen die PDS-Extremisten einen erneuten
Invasionsversuch über die Oberbaumbrücke. Doch wieder
unterlagen sie den KreuzbergerInnen, die sich mit wurffähigen
Ekligkeiten ausgerüstet, den biologischen Kampfmitteln der
undemokratischen Krawallmacher entgegen stellten. Und das trotz
WM-Fußballspiel Deutschland gegen Serbien/Montenegro.
Andersdenkende meinten, Friedrichshain hätte gewonnen. Und seit
der Zwangsvereinigung beider Bezirke 2001 zu Friedrichshain-Kreuzberg
heißt es nun endgültig: Friedrichshain oder Kreuzberg.
Seitdem erschallen aus dem Osten Schlachtrufe wie: “Nie wieder
Kreuzberg”. Das kann kein demokratisch gesinnter Kreuzberger
hinnehmen. Geschweige denn eine Kreuzbergerin. Für sie gibt es
nur eins: “Kreuzberg zuerst” mit oder ohne Ostkreuzberg.
2003: Was bisher unter
CDU-Innensenatoren möglich war, wurde unter Rot-Rot unmöglich:
“Das Werfen von Dingen und das Verspritzen von Flüssigkeiten”
wurde untersagt. So sah man rund um die Oberbaumbrücke das Team
Grün (Polizei), Wasserbomben zertreten und Gemüse
einsammeln. Die Folgen: 1. Freke Over (PDS-Abgeordneter) zieht die
Anmeldung zurück. 2. Gemeinsam ging es gegen das Team Grün.
Dabei wollten die doch nur die Brücke sauber halten, da die
Berliner Stadtreinigung (BSR) keine Lust mehr hatte, den Gemüsematsch
von der Brücke zu fegen und der Bezirk die Kosten nicht mehr
übernehmen wollte. Auch in diesem Jahr will die BSR fürs
Saubermachen 650 Euro haben. Da muss nächstes Jahr ein Sponsor
her. In diesem Sinne “Glück und Geld”!