Montag, 29. Juli 2024

Cannabis aus der Apotheke wird zum Verkaufsschlager

Cannabis auf Privatrezept für alle – und das zu fairen Preisen

Apotheke-Cannabis-ausverkauft-2017
Photographik Ruth Groth

 

 

Eine Momentaufnahme von Sadhu van Hemp

 

 

Heimlich still und leise ist es passiert: Das dicke Geschäft mit Cannabis machen nicht mehr nur böse kriminelle Rauschgiftdealer, sondern fortan auch Pharmazeuten und Apotheken. Das Cannabis-Gesetz macht’s möglich. Seit dem 1. April unterliegen medizinische Hanfblüten nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, was die Verschreibung wesentlich vereinfacht. Der bürokratische Aufwand der Dokumentationspflicht entfällt weitgehend. Ärzte und Ärztinnen können das Heilkraut auf einem „normalen“ Rezept für verschreibungspflichtige Medikamente verordnen.

 

Wer kein Haschisch und Marihuana außerhalb des Schwarzmarktes erwerben will, für den stellt sich nun die Frage: Cannabis-Club, Eigenanbau oder Apotheke?

Das Bequemste ist fraglos der kurze Weg in die Apotheke – auch wenn so mancher kerngesunde Kunde flunkern muss, um dem Onkel Doktor ein Privatrezept für die eingebildete Krankheit aus dem Kreuz zu leiern. Eigenbau kostet Geld, Zeit und Nerven, um hochwertiges Marihuana zu ernten. Ebenso mühselig ist die Mitgliedschaft in einem Anbau-Club, die vom Gesetzgeber derart überreguliert sind, dass man gar nicht so viel Hanf anbauen kann, wie man kotzen möchte.

 

Und so wundert es nicht, dass immer mehr Hänflinge, auf den Trichter kommen, sich das Tütchen Gras mittels ärztlicher Verschreibung zu besorgen – und das, ohne auch nur einen Fuß vor die Tür zu setzen. Es reicht völlig aus, das Smartphone zur Hand zu nehmen und sich via Videocall einem Telemediziner, die gerade wie Pilze aus dem Boden sprießen, anzuvertrauen.

 

In einer Online-Maske werden Fragen zu Beschwerden und Symptomen, aber auch Kontraindikationen wie Vorerkrankungen gestellt. Die Telemediziner vertrauen den Patienten, dass sie wahrheitsgemäße Angaben machen – so wie es Praxisärzte letztlich auch tun müssen, wenn sie nur unzulänglich verifizierbare Beschwerden behandeln.

 

Selbstverständlich ist die Software beim Ausfüllen der Online-Anamnese behilflich, indem sie die Angaben, die zur Ablehnung der Fernbehandlung führen, rot kennzeichnet. Die Patienten können also sogleich entsprechende Korrekturen vornehmen. Die Klage über Kopfweh würde beispielsweise völlig ausreichen, um den Teledoktor davon zu überzeugen, dass eine Therapie mit Cannabis erhebliche Linderung verspricht. Die Kosten für eine derartige Sprechstunde belaufen sich auf ein paar wenige Euro.

 

Gibt der Teledoktor grünes Licht, geht alles ruckzucki: Das Privatrezept wandert elektronisch zur kooperierenden Tele-Apotheke, die dem Patienten umgehend die Zahlungsaufforderung für das bestellte „Medikament“ per E-Mail zusendet. Ist die Rechnung beglichen und die elektronische Unterschrift geleistet, macht sich auch schon das „Drogentaxi“ eines Kurierdienstes auf den Weg, und kaum 48 Stunden später schwebt der auf wundersame Weise von seiner Krankheit Geheilte auf Wolke sieben.

 

Bislang spielte Medizinalhanf für Freizeitkiffer keine Rolle. Der Aufwand, ein Privatrezept zu ergattern, war zu groß und der Preis zu hoch. Doch dieses Hemmnis hat sich nun wie Morgennebel in Luft aufgelöst. Die Goldgräberstimmung der Telemedizindienstleister, die wie Online-Shops daherkommen, hat einen Konkurrenzkampf ausgelöst, der die Preise für Medizinalhanf fallen und die Sortenvielfalt steigen lässt. Je größer die Bestellmenge, desto preiswerter: Immer mehr Online-Apotheken bieten die Familiengroßpackung längst für unter zehn Euro pro Gramm an. Trübe Aussichten also für den Schwarzmarkt, der nun gegen die Übermacht der Pharmaindustrie anstinken muss.

 

Doch es gibt Kritik. Die Funktionäre der Ärzteschaft schielen mit Argusaugen auf die gewerblichen Telemediziner, die verschreibungspflichtige Arzneimittel systematisch via Fernbehandlung verordnen. Der Verdacht des unlauteren Wettbewerbs steht im Raum, und den Teledoktoren wird zu verstehen gegeben, mit berufsrechtlichen Ermittlungen rechnen zu müssen. Eindringlich wird darauf hingewiesen, dass mit der Einnahme eines Medikaments immer auch ein erhöhtes Patientenrisiko bestehe – insbesondere bei psychoaktiven Substanzen, die dem Medizinal-Cannabisgesetz unterliegen. Man sieht die ärztliche Sorgfaltspflicht verletzt, wenn die Ausstellung eines Privatrezepts vornehmlich auf Wunsch des Patienten erfolgt, ohne die Indikation einer Arzneimittelverschreibung in einem persönlichen Gespräch zwischen Arzt und Patient zu prüfen.

 

Wie auch immer – die Cannabis-Teilentkriminalisierung mit ihrer völlig überzogenen und realitätsfernen Regulierung macht erfinderisch. Nun öffnet sich das Schlupfloch der Telemedizin und die Pharmafritzen haben gut lachen, wenn die kiffende Bevölkerung vom Schwarzmarkt über die Hintertür in die Apotheken abwandert und auf industriell hergestelltes Marihuana umsteigt.

Ob das politisch so gewollt ist … wer weiß? Den „Marktliberalen“ in der Ampelkoalition ist alles zuzutrauen.

 

 

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2 Kommentare
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Haschberg
1 Stunde zuvor

Gut so, dass der Handel mit medizinischem Cannabis endlich floriert. Ist ja schließlich auch eine mega super gute Heilpflanze. Hoffentlich kapieren das die Leute allmählich!
Noch besser wäre es natürlich, wenn man die uralte Pflanzenmedizin endlich generell den dubiosen Pharmaprodukten vorziehen würde und mehr Konsumenten eine Kostenerstattung erhielten. Denn der Pharmapillendreck macht – im Gegensatz zu Hanfprodukten – am ehesten krank.

Fred
4 Minuten zuvor

Der nächste Schritt wäre Cannabis als nichtverschreibungspflichtiges Medikament über Apotheken oder Stores mit medizinisch unterwiesenem Personal abzugeben.

Kein Fachgeschäft wäre mehr nötig, und die EU würde auch schweigen, da medizinische Abgabe als Ausnahme in den berühmten Rahmenverträgen ausdrücklich vorgesehen ist.
Und selbst die Union, die ja bereits mit eigenem Gesetzesantrag, medizinischen Bezug zu erleichtern, im Bundestag vorstellig wurde hätte ihren Willen.

Wäre jedenfalls eine geschniegelte Lösung.