Die Weltkommission für Drogenpolitik (Global Commission on Drug Policy) bezweckt, auf internationaler Ebene eine fundierte, wissenschaftlich abgestützte Diskussion über wirksame, humane Möglichkeiten zur Verminderung des Schadens auszulösen, der Menschen und Gesellschaften durch Drogen zugefügt wird. In ihrem Bericht vom Juni 2011 stellt die Kommission fest:
„Der weltweite Krieg gegen die Drogen ist gescheitert, mit verheerenden Folgen für die Menschen und Gesellschaften rund um den Globus. 50 Jahre, nachdem die Vereinten Nationen das Einheits-Übereinkommen über die Betäubungsmittel initiiert haben, und 40 Jahre, nachdem die US-Regierung unter Präsident Nixon den Krieg gegen die Drogen ausgerufen hat, besteht in der nationalen und weltweiten Drogenpolitik dringender Bedarf nach grundlegenden Reformen.“
Forderungen der Weltkommission für Drogenpolitik
Die Kommission fordert, die Einstufung der Drogen zu überprüfen, da offensichtliche Anomalien wie die Fehleinschätzung von Cannabis, Kokablättern und Ecstasy bestehen. Es muss sicher gestellt werden, dass die internationalen Übereinkommen so ausgelegt und/oder revidiert werden, dass fundierte Versuche im Bereich Schadenminderung, Entkriminalisierung und gesetzliche Reglementierung möglich sind. Das Tabu bezüglich Diskussionen und Reformen ist zu brechen. Es muss nun gehandelt werden.
Die Kommission unter Federführung von Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan ließ deshalb im Juni 2011 verlauten: „Beendet die Kriminalisierung, Stigmatisierung und Ausgrenzung von Menschen, die Drogen gebrauchen und dabei anderen Menschen keinen Schaden zufügen.“ Diese Erklärung der Weltkommission zur Drogenpolitik wurde von zahlreichen ehemaligen Präsidenten und Minister diverser Staaten (u.a. Brasilien, Indien, Kolumbien, Mexiko, Norwegen, Polen, Schweiz, USA) unterzeichnet. Ein darauf basierender offener Brief wurde mit weiteren Signaturen von ehemaligen hohen UNO-Beamten und diversen Nobelpreisträgern am 17. November 2011 im House of Lords in London unter dem Titel „Der globale Drogenkrieg ist gescheitert, es ist Zeit für neue Ansätze“ veröffentlicht.
Bereits im Jahre 1998 erklärte der Ex-UN-Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar: „Wir glauben, dass der weltweite Krieg gegen Drogen derzeit mehr Schaden anrichtet als der Drogenmissbrauch selbst … Die Fortsetzung unserer aktuellen Politik wird nur zu mehr Drogenmissbrauch, mehr Macht für Drogenmärkte und Kriminelle, mehr Krankheit und Leid führen.“
Das Ruhestand-Drogenpolitik-Erleuchtungs-Syndrom
Wie Tribble in seinem Blog www.hanfplantage.de am 15. Mai 2012 berichtete, geht eine seltsame Epidemie unter ehemaligen hochrangigen Politikern um. Es handelt sich hierbei um das „Ruhestand-Drogenpolitik-Erleuchtungs-Syndrom“, auch unter der englischen Bezeichnung „Post-Retirement Drug Policy Enlightenment Syndrome“ (PRDPES) bekannt. Am meisten kommt es bei ehemaligen Strafverfolgungsbeamten und ehemaligen politischen Entscheidungsträgern vor. Die dafür empfindlichsten Personen sind jene, die vorher einen signifikanten Teil zu dem „Globalen Krieg gegen die Drogen“ beigetragen haben. Symptome dieser Epidemie sind Gewissensbisse, das Verneinen konventioneller Glaubensgrundsätze, radikale Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und ein starker Trieb, die Drogenpolitik zu reformieren.
Auch wenn in einigen Medien das „Ruhestand-Drogenpolitik-Erleuchtungs-Syndrom“ als Krankheit bezeichnet wird, handelt es sich eigentlich bei dieser Epidemie um einen Genesungsprozess, der offenbar nicht selten mit dem Einsetzen der Altersweisheit beginnt und dann sukzessive fortschreitet. Einige der Betroffenen haben neue Lobbygruppen gegründet um lebensrettende Maßnahmen für die durch den Krieg gegen Drogen zerstörten Gemeinschaften zu bewerben. Ein Beispiel ist LEAP, Law Enforcement Against Prohibition (Strafverfolger gegen die Prohibition), die größtenteils aus ehemaligen Polizeibeamten, Strafverfolgern und Richtern besteht. Viele von ihnen waren leidenschaftlicher Krieger im Krieg gegen die Drogen, bis sie die Epidemie erreichte.
Grundlegende Forderungen
Die Drogenpolitik muss auf soliden empirischen und wissenschaftlichen Belegen beruhen. Vorrangiger Maßstab für den Erfolg sollte die Minderung des Schadens für die Gesundheit, die Sicherheit und das Wohl der einzelnen Menschen und der Gesellschaft sein.
Die Drogenpolitik muss auf den Menschenrechten und auf den Grundsätzen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit beruhen. Wir sollten aufhören, die Menschen zu stigmatisieren und auszugrenzen, die bestimmte Drogen konsumieren.
Die Erarbeitung und Umsetzung der Drogenpolitik sollte eine Aufgabe sein, die weltweit gemeinsam wahrgenommen wird; dabei sollten jedoch auch die unterschiedlichen politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse berücksichtigt werden. Die Politik sollte den Rechten und Bedürfnissen der Menschen Rechnung tragen, die durch die Produktion, den illegalisierten Handel und den Konsum von Drogen beeinträchtigt werden, wie dies im Übereinkommen von 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln ausdrücklich anerkannt wird.
Zwei ehemalige UNO-Generalsekretäre haben eingesehen, dass die gegenwärtige Drogenpolitik für das Wohl der Menschen kontraproduktiv ist, und zu einer grundlegenden Änderung in der Politik aufgerufen. Ja, bei genauer Betrachtung der Gegebenheiten ist festzustellen, dass immer mehr Menschen durch die wachsenden Auswirkungen des illegalen Drogenhandels sowie der Politik, welche diesen zu kontrollieren versucht, beunruhigt sind. Es ist zu befürchten, dass die Verstärkung der aktuellen Politik zu einer Verschlechterung der Drogensituation beiträgt und zunehmend die Glaubwürdigkeit dieser Politik in der breiten Öffentlichkeit im allgemeinen schwindet. Die globale Entwicklung zeigt, dass der von den Vereinten Nationen eingeschlagene Weg zur Drogenkontrolle gescheitert ist.
Drogenpolitik muss sich den Prinzipien einer guten Regierungsführung unterordnen, wie sie in den universalen Menschenrechtserklärungen, in der Konvention über Biodiversität und in anderen internationalen Abkommen zugrunde gelegt sind. Insbesondere sind die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rechte sowie das Recht auf kulturelle Vielfalt für alle Individuen zu garantieren. Deshalb müssen auch deutsche Politiker von der Öffentlichkeit in die Pflicht genommen werden, die Vereinten Nationen dazu aufzufordern, das Politikfeld „Drogenkontrolle“ respektive „Umgang mit psychotrop wirkenden Substanzen“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Suchtstoffkommission (Commission on Narcotic Drugs, CND) und dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime, UNODC) zu entziehen und der Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) anzuvertrauen. Dies ist notwendig, da einerseits die allermeisten Drogengebraucher per se nicht krank sind, und andererseits, da eine Schadensminderung beim Umgang mit psychotrop wirkenden Substanzen weit mehr durch Bildung, Wissenschaft und Kultur bewerkstelligt werden kann als durch die Kriminalisierung der Drogengebraucher und den für sie arbeitenden Dienstleister (Lieferanten, Händler).
Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Zeit in der Geschichte der internationalen Drogenpolitik – der Zeit der ersten Bestrebungen, die Effekte der Suchtstoffabkommen zu evaluieren. Das Versagen ist nicht mehr zu leugnen, und das Vermeiden jeder Diskussion um alternative Ansätze in diesem Moment läuft auf ein Pflichtversäumnis hinaus, wenn nicht sogar – und darüber lässt sich wohl streiten – auf böswillige Fahrlässigkeit.
Die Organisatoren der Hanfparade wollen sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, böswillig und/oder fahrlässig zu handeln, nein, sie handeln pflichtbewusst im Sinne der Menschenrechte und rufen deshalb seit 1997 alljährlich zur Teilnahme an der Hanfparade in Berlin auf. Bereits im Jahr 2010 forderte die Hanfparade unter dem Motto „Cannabis ist (Welt-)Kultur“, die gesamte Hanfkultur dem immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO zuzuordnen. Die Hanfparade will, dass Hanf als Rohstoff, Lebens-, Genussmittel und Medizin zum Wohl der Menschheit nutzbar wird und fordert ein Ende der gegenwärtigen – vornehmlich auf Strafverfolgung ausgerichteten – Drogenpolitik. Im Jahr 2011 geschah dies unter dem Motto „40 Jahre sind genug! BtMG adé!“ und dieses Jahr startet die Hanfparade am Samstag, den 11. August 2012, am Alexanderplatz bei der Weltzeituhr unter dem Motto „Freiheit, Gesundheit, Gerechtigkeit“.
Die Hanfparade fordert deshalb auch dieses Jahr von den Vereinten Nationen, das Politikfeld „Drogenkontrolle“ respektive „Umgang mit psychotrop wirkenden Substanzen“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Suchtstoffkommission (CND) zu entziehen und der Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) anzuvertrauen. Dies würde zu mehr Freiheit, Gesundheit und Gerechtigkeit auf der Welt führen.
Quellen:
Bericht der Weltkommission für Drogenpolitik (Deutsche Übersetzung herausgegeben vom Fachverband Sucht, Zürich 2012, www.fachverbandsucht.ch)
Tribble: Eine seltsame Krankheit geht unter den Politikern um, in: Blog www.hanfplantage.de, vom 15. Mai 2012.
Hans Cousto: Das Weltkulturerbe Psychonautik ¨C ein drogenpolitisches Manifest, in: Psychonautik, Hedonismus und Ekstase, Solothrn 2009. (zitierte Kapitel online verfügbar unter der URL: www.drogenkult.net/?file=text013)