Mittwoch, 11. Juli 2012

Einigeln gilt nicht!

Maximilian Plenert ist trotz Künast überzeugt, dass man über die grüne Partei viel für eine andere Drogenpolitik erreichen kann. Er appelliert an die Hanfgemeinde es sich nicht mit dem Status Quo bequem zu machen. Damit sich etwas ändert, müssen wir raus aus den Hanfforen und Facebook, rein in die echte Welt. Insbesondere müssen wir in den Parteien wirken und richtig mit den Gegnern einer Legalisierung reden.

Raus aus den Hanfforen, rein in die Parteien!

Während die Drogenpolitik weltweit in Bewegung ist und selbst im Heimatland der Prohibition eine breite Debatte geführt wird, hat die offizielle Drogenpolitik in Deutschland mit der Drogenbeauftragten Dyckmans eine nie geahnte Trantütigkeit erreicht. Davon sollte auch das Youtube & Bürgerdialog Spektakel von Merkel nicht ablenken.
Ich gehe davon aus, dass es noch 10 bis 20 Jahre brauchen wird, bis wir eine Mehrheit für eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland haben werden. Das ist keine notwendige, aber eine hinreichende Bedingung für eine Bewegung in der Politik. Gerne lasse ich mich positiv überraschen, dass ich hier nicht Recht habe. Derzeit sieht es aber nicht danach aus.

Bringt euch ein!
In etwas mehr als einem Jahr wird ein neuer Bundestag gewählt. Ob diese Wahl eine Änderung mit sich bringen kann, hängt von eurem Engagement ab.
Also worauf wartet ihr noch? Auf das Bundesverfassungsgericht? Auf die Revolution? Auf eine Piratenregierung? Auf ein Mega-Sit-In mit hunderttausenden Kiffern vor dem Bundestag? Eine göttliche Eingebung bei Frau Merkel?
Könnt ihr gerne machen, aber dann vertraue ich lieber auf den Parlamentarismus und die Grünen. Eines ist Fakt: In absehbarer Zeit wird es nichts Besseres als unsere Parteiendemokratie geben. Schlussendlich kann nur eine Regierungsmehrheit im Bundestag etwas ändern und die ist derzeit nur mit einer rot-grünen Koalition denkbar. Wenn jemand ein besseren Weg kennt: Ich höre!
Wie soll sich etwas bewegen, wenn Steffen auf seiner Cannabiskultour froh sein kann, in einer großen Stadt mal mehr als fünf Hanffreunde anzutreffen? Die Idee eines Mega-Sit-In ist absurd, wenn man sich einmal die Teilnehmerzahlen der Hanfparade ansieht.
Wir brauchen den Druck der Opposition, den Druck der Öffentlichkeit, den Druck der Lobby wie dem Hanfverband. Vor allem brauchen wir in den Parteien, in der SPD und bei den Grünen Menschen, die in der Partei Druck machen und das Thema dort auf die Tagesordnung setzen.

Kritik an den Grünen ist berechtigt, aber bitte fair

Man kann den Grünen unterstellen, sie würden nicht zu Potte komme. Kritik an der Politik der Parteien ist wichtig und wird ernst genommen ¨C wenn sie korrekt und vollständig ist. Dies ist hier meiner Ansicht nach meistens nicht der Fall. Die Grünen waren und sind an Regierungen beteiligt, unter denen sich zu wenig bewegt, keine Frage. Der Fairness halber sollte man bei einer Kritik an den Grünen das gleiche Maß auch bei den anderen Parteien wie der LINKEN und den Piraten anlegen. SPD, CDU und FDP sind drogenpolitisch für die meisten keine ernstzunehmende Option.
Wer nicht nur die grünen Verfehlungen in der Regierungszeit anprangert, sondern eine Gesamtbilanz zieht, wird feststellen, dass sich die drei Parteien nicht viel geben. Die Piraten leben derzeit von Vorschusslorbeeren und ihrem hippen Image. Die LINKE hat auf Landesebene als Opposition nichts gemacht, ihre Bilanz als Regierungspartei ist leider verheerend.
Egal was die Grünen machen, es gibt Kritik: Fordern sie „zu viel“, wird ihnen mangelnde Glaubwürdigkeit vorgeworfen. Fordern sie „zu wenig“, haben angeblich ihre Ziele verraten. Im Norden wird die Anhebung der „Geringen Menge“ als völlig unnütze Symbolpolitik abgetan, in Baden-Württemberg sind die Grünen Verräter weil sie die geringe Menge nicht anheben.
Natürlich ist das Klein-Klein um die geringe Menge primär symbolische Politik, aber auf dieser Ebene ist beispielsweise Berlin der Leuchtturm, der gerade ohne Not gesprengt werden soll. Alleine durch die mögliche Absenkung von 10 bzw. 15 Gramm in Berlin würden mehrere Hundert Menschen jährlich statt einer Verfahrenseinstellung einen Strafbefehl oder ein Gerichtsverfahren am Hals haben. Die Anhebung der „Geringen Menge“ in NRW und Rheinland-Pfalz dürfte einer vierstelligen Zahl von Hanffreunden jährlich eine deftige Geldstrafe oder schlimmeres ersparen. Dies als bedeutungsloses “Bullshit-Bingo” mag angesichts der Frustrationsniveaus in der Hanfszene verständlich sein, richtig ist es deswegen trotzdem nicht.
Die politische Sippenhaft, bei der jedes Parteimitglied persönlich für alle Verfehlungen der Partei auf jeder Ebene verantwortlich gemacht wird, hilft vielleicht beim Frust abladen, aber der Sache nicht weiter. Parteien sind nichts Homogenes, sie sind vielfältig und ihre Mitglieder bestimmen die Richtung. Eine Hanfpartei gründen? Wozu? Wenn alle, die im vergangenen Jahr eine Strafanzeige wegen Cannabisbesitz bekommen haben, bei den Grünen beitreten würden, hätten die Hanffreunde die Partei einfach komplett übernommen.

Künast oder Ströbele – Ihr Bestimmt den Kurs!

Warum ich immer noch bei den Grünen Drogenpolitik mache? Kurz: Die Grünen sind eine schreckliche Partei, aber die Beste, die ich bisher gefunden habe.
Ja, ich bin immer noch nicht ausgetreten, trotz Künast! Oder gerade wegen Künast! Wieso? Damit sich etwas ändert, braucht es mehr, nicht weniger aktive Drogenpolitiker in den Parteien ¨C gerade auch bei den Grünen. Deswegen geht rein in die Partei, besucht ihre Treffen, werdet Mitglied, löchert die Bundestagskandidaten mit kritischen Fragen – ansonsten überlasst ihr Renate Künast das Feld.
Wenn ihr jung seid, geht zu den Jugendverbänden der Parteien, meine vielen Jahre in der Grünen Jugend haben mir immer wieder gezeigt, welch ein großartiger Mitmachverein sie sind. Wenn ihr euch in der LINKEN, der SPD oder bei den Piraten besser aufgehoben füllt: Wunderbar. Dann bringt euch dort ein! Eine konstruktive Konkurrenz belebt das Geschäft! Oder organisiert euch außerhalb der Partei, veranstaltet Hanftage und schreibt Leserbriefe. Einigeln und nur meckern gilt nicht!

Grüne Drogenpolitik ist mehr als Kiffer-Lobbyismus

Jüngst wurden die “allgemeine Aussagen zur Entkriminalisierung ohne Cannabis-Bezug” im rot-grünen Koalitionsvertrag in NRW kritisiert. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was positiv daran sein soll, wenn die erwähnte Entkriminalisierung auf Cannabis und seine Konsumentinnen eingeschränkt worden wäre. Die Konsumentinnen von Heroin, Amphetamin oder Kokain müssen ebenso entkriminalisiert werden wie die von Cannabis. Repression ist immer scheiße und einfach nur Kiffen dürfen ändert nichts am mexikanischen Alltag und rettet niemanden vor einer tödlichen Überdosis. Deswegen muss jede progressive Drogenpolitik über Kifferlobbyismus hinaus gehen.

Eure Argumente müssen andere überzeugen!

Es reicht nicht im eigenen Hanfforum so recht zu haben wie der Papst in der katholischen Kirche. Unsere Argumente können noch so richtig sein, sie müssen auch bei denen wirken, die noch nicht überzeugt sind.
Eine Umfrage im letzten Jahr hatte die Frage: „Sie haben angegeben, dass Sie die Legalisierung von Cannabis ablehnen. Was sind die Gründe für Ihre Ablehnung?“ 73 % antworteten „Cannabis ist eine Einstiegsdroge“. Wenn man so jemand mit dem Argument Cannabissteuer kommt, lacht er einen aus und man bekommt eine Verharmlosung der Droge unterstellt.
Deswegen versucht euch in die andere Seite reinzuversetzen. Holt die Menschen dort ab, wo sie stehen. Sie haben keine Ahnung oder Erfahrung mit Cannabis, was sie wissen, stammt aus der Springerpresse und sie haben Drogenangst. Wer Angst um seine Kinder hat, dem ist es scheißegal, wie toll Nutzhanf ist. Die Forderung nach einer medizinischen Nutzung von Cannabis ist eng mit der Genußkonsumlegalisierung verbunden, aber auch hier gilt: Wer überzeugt ist, dass eine Legalisierung eine unkontrollierte Freigabe wäre, Cannabiskonsum schädlich ist und Psychosen verursacht, den überzeugt auch der therapeutische Nutzen nur bedingt. Kommt den Leute nicht mit ausgelutschten Geschichten über Anslinger und Papierindustrieverschwörungstheorien! Das kommt nicht an!
Wer Drogen schlecht findet, wird aus der Forderung „Tabak und Alkohol sind gefährlicher“ die Forderung nach einem komplettem Drogenverbot eher ableiten als eine Cannabislegalisierung. Außerdem gilt: „Remember Prohibition? It doesn‘t work!“ Macht den Menschen klar, dass eine Legalisierung für alle Vorteile bringt, auch den Eltern, die Angst um ihre Kinder haben.

Steuern zahlen für ein Menschenrecht?

Fragwürdig empfinde ich den Ansatz »Recht auf Rausch« einzufordern, für das man dann eine Cannabissteuer zahlt. Es gibt kein Recht auf Rausch, das man gewährt bekommen kann, ebenso wenig wie es so ein Recht auf Atmen gibt. Der Staat ist hier in der Pflicht sich zu rechtfertigen!
Eigentlich ist die Idee einer Drogenpolitik, die auf wissenschaftlicher Evidenz und Menschenrechte beruht und die damit einhergehende Entkriminalisierung und Legalisierung keine radikale Idee. Angesichts der offensichtlichen Bilanz der Drogenprohibition ist es ein stures Festhalten „Drogen sind schlecht, böse“ an Radikalität kaum zu übertreffen.
An welcher Stelle ihr auch immer aktiv werdet, redet mit den Menschen so wie ihr selbst angesprochen werden möchtet. Beschimpfungen helfen wenig.

Politik ist das Bohren von dicken Brettern. Wenn die Legalisierung einfach wäre, hätten wir sie bereits!

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