Mittwoch, 4. Juli 2012

Rolys Silberscheiben des Monats Juli 2012

Netsky: 2
hospital records

Künstler mit belgischem Pass lassen die Drum’n’Bass-Szene eher selten aufhorchen, doch das selbstbetitelte Debut-Album des jungen Mannes aus Edegem bei Antwerpen schlug im Juli 2010 ein wie eine Bombe. Neben energiegeladenen Vocal-Hits mit Darrison, Jenna G und Terri Pace sowie instrumentalen Floorgewittern gefielen hier auch deepere Tracks wie das verträumt-schöne „Let’s Leave Tomorrow” (feat. Bev Lee Harling). Den Zugang zu seiner Musik erleichtert Netsky vor allem Drum’n’Bass-Neulingen durch seinen melodiegetränkten Abfahrtssound, der direkt ins Ohr geht und spätestens beim zweiten Track in die Tanzmuskeln rauscht, ständig untermalt durch einen satten Klang im niederen Frequenzbereich. Sein frisches Album „2“ ergänzt den eigenwilligen Sound des 23-Jährigen mit Live-Einflüssen und Elementen aus Electro-House und Dubstep sowie dem euphorischen „Hände zum Himmel“-Drum’n’Bass, mit dem er bekannt wurde.
Nach den beiden Vorboten „Give & Take” und „Come Alive” bringen mich besonders das überaus hymnische „Love Has Gone”, der seelenvolle „The Whistle Song” (feat. Dynamite MC), das antreibende „Get Away From Here” mit der belgischen Soul- und Funk-Sängerin Selah Sue, der Notruf „911”, das spacige „Jetlag Funk”, das klaviergeschwängerte „No Beginning” sowie der Jungle-Smasher „Drawing Straws” zum Lächeln und Steppen.
High Quality Sound aus dem renommierten Londoner Drum’n’Bass-Krankenhaus „Hospital“, der wohl wieder ein komplett euphorisiertes Publikum hinterlassen wird.
Ich bin Fan von Netsky.

www.netskymusic.com
www.hospitalrecords.com

The KDMS: Kinky Dramas And Magic Stories
gomma

„Ein supergrooviges Disco-Album für die Fetischisten von High Heels, Lipgloss, Handclaps, Augenglitzer und Gin Tonic“, schrieb ich im April 2007, als ich begeistert ihr Albumdebüt „Miss Diamond To You” rezensierte. Nachdem Kathy Diamond gemeinsam mit Maurice Fulton den Post-Disco-Konflikt löste, tritt die bezaubernde Chanteuse nun mit dem Produzenten Max Skiba in Erscheinung. Im März rotierte ihre schluffige Coverversion von Madonnas Single „Give Me All Your Luvin“, nun präsentieren die beiden unter ihren Initialen The KDMS ihr Debütalbum „Kinky Dramas And Magic Stories”, mit dessen Titel sie ihren Anfangsbuchstaben noch eine weitere Bedeutung geben.
Im schon bekannten „High Wire“ steckt der angenehm weiche Sound aus „Thinking Of You“ von Sister Sledge, während man beim Piano-Gitarren-Disco-Funk von „Wonderman“ den Einfluss der Band Chic deutlich hört. Auch Songs wie „Tonight“, „Circles“, „Killer“ und besonders meine beiden Lieblingshits „Part Time Lovers“ sowie „No Sad Goodbyes“ wissen mit hypnotischer Rhythmusgitarre, ordentlichem Bass, charmanten Pop-Melodien und dieser unglaublich betörenden Stimme zu gefallen, an der ich mich nicht satt hören kann. Als Bonus-Tracks gibt es einen Remix zu „Wonderman“ von Justus Köhncke in Zusammenarbeit mit Hot Chip-Sänger Alexis Taylor, während Morgan Geist von Metro Area unbedingt die Single „Tonight“ remixen wollte.
So glänzen die „Kinky Dramas And Magic Stories” mit einem Sound, der als Blueprint für eine neue Art von Disco-infiziertem Pop dienen könnte.

www.gomma.de/the-kdms
www.grooveattack.com

Bev Lee Harling: Barefoot In Your Kitchen
wah wah 45s

Für solch klassische Albumcover hab’ ich ja was übrig, und als ich dann ihre Stimme hörte, fiel mir ein, wo ich der hübschen Dame bereits vor zwei Jahren voller Freude gelauscht hatte – auf Netsky’s balladeskem Drum’n’Bass-Epos „Let’s Leave Tomorrow“. Bev Lee Harling hat von der Universität Middlesex einen Abschluss in Jazz Studies und Gesang, spielt Keyboard und Viola und komponiert aus Tango-, Folk-, Latin- und Filmmusikelementen ganz bezaubernde Songs. Sie ist das neueste Signing bei Wah Wah 45s Records und ihre Leidenschaften sind Musik und Kochen. So präsentiert die britische Multi-Instrumentalistin mit ihrem Debütalbum „Barefoot In Your Kitchen“ ein schön verspieltes Werk, auf dem neben handelsüblichen Instrumenten mit Hackbrett, Käsereibe, Glasharfe, Küchensieb, Hundenapf, Spieluhren, einer singenden Säge und einer Fünfziger-Jahre-Schreibmaschine alles zum Einsatz kommt, was eben ein geordneter Haushalt zu bieten hat (als Fan von Matthew Herbert mag ich dieses Schaffen eines eigenen Klangkosmos sehr). Auf tollen Songs wie „Buy Me“, „Same Story“, „Post“, „I’m Not That Girl“ oder „Wundaman“ bilden außerdem ein akkustisches Gewand und skurril-frivole Melodien den Soundteppich für die samtige Stimme von Bev Lee Harling, deren Einflüsse von Astor Piazzola über Sidsel Andresen und Björk reichen.
Trotz aller Unkonventionalität kommen die 13 Songs sehr eingängig, entspannt und mit viel Charme, und da ihre Live-Auftritte zu wahren Burlesque-Shows mutieren sollen, bin ich natürlich auch daran schwer interessiert …

www.bevleeharling.com
www.wahwah45s.com

Akua Naru: Live & Aflame Sessions
jakarta records

Wer nach aufregenden, vielseitigen und wortstarken Künstlern im Hip Hop sucht, wird an dieser Frau nicht vorbei kommen: Akua Naru. Nach einer langen Tour quer durch die USA und Europa meldet sich die in Köln ansässige US-Rapperin zurück. Mit im Gepäck hat sie eine Live-Version ihres erfolgreichen Debüts „The Journey Aflame“, dem sie zusammen mit einem ausgewählten Ensemble an klassischen Musikern – live und unplugged – eine neue Klangfarbe gibt. Aus den 18 Tracks des ursprünglichen Albums von 2011 filtert Akua Naru für „Live & Aflame Sessions” elf eigenständige Nummern heraus und arrangiert diese gemeinsam mit der DIGFLO Band komplett neu. Einzelne Stücke hervorzuheben macht zwar wenig Sinn, da die Platte als Ganzes in sich sehr stimmig ist. Aber mir persönlich gefallen die energiegeladene Funk-Nummer „The Backflip Reflipped“, die ausdrucksstarke Spoken-Word-Ballade „Poetry: How Does It Feel Now???” und das fantastische „Walking The Block” mit den zusätzlich von Drea D’Nur gesungenen Parts am Besten. Akuas Stimme (erinnert mich an Ursula Rucker, mit der Akua im letzten Jahr auch zusammenarbeitete), die Hooks und der ganze Sound ihrer Songs lassen den Hörer wirklich spüren, dass hier ein Kind der Zulu Nation am Mic steht und gute Hip-Hop-Kultur in die Welt trägt. Feinster BoomBap Rap und zahlreiche Scratches in Oldschool-Manier, gespickt mit einer Mischung aus Soul, Jazz und Poesie verschmelzen mit dem Streicher- und Bläserensemble zu einem einzigartigen Hörlebnis.
Von New York nach Köln, von Köln in die Welt.

www.akuanaru.com
www.jakarta-records.de

MisSiss: Soulistics
sealight / tap water

Die österreichische Gospel-/Pop-/Soul-Sängerin Sissy Kudlicska, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen MisSiss, wird auf MySpace vom Tango-Produzenten Ariel Gato entdeckt. Ein Jahr später kommt es zu einem Zusammentreffen der beiden Musiker in Spanien, und in der folgenden Zeit entsteht zwischen Wien und Buenos Aires mit einem argentinischen Staraufgebot eine fruchtbare Zusammenarbeit, der man im Jahre 2011 auf dem Album „Sissita’s Soul Tangos“ lauschen kann. So melancholisch und dramatisch man MisSiss („la Señora“) darauf kennen gelernt hat, so optimistisch, leichtfüßig, charmant und stark erlebt man sie nun bei „Soulistics“. Bereits vor sechs Jahren wurden die Grundsteine hierfür gelegt, und dieser Reifungsprozess brachte dem Album viel Abwechslung, Tiefe und Perfektion ein. Mit der Single „Diva“ waren die Soulistics im Finale des Ö3 Soundchecks. Als Hommage an die Leinwandgöttinnen der 30er – 50er Jahre verspricht dieser Song bereits das, was das Album hält: Größe.
Zum leichtfüßigen Latin Groove und Soul gesellen sich auf 13 Stücken diesmal jede Menge Pop und R&B. Die Cheek-To-Cheek-Girls sorgen für Mehrstimmigkeiten der Extraklasse und Carlos Laurenz, auf dessen Credit-Liste so klangvolle Namen wie Alicia Keys, Mary J. Blige oder Angie Stone stehen, zeichnet sich wieder für das Mastering und den brillianten Sound verantwortlich. „Soulistics“ klingt wie hochklassiger Mitternachtsbarjazz, und diese Stimme zieht dich sowieso in ihren Bann.
Charmant, kokett, leidenschaftlich, stimmungs- und sehr stilvoll.

www.soulistics.at

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