Mittwoch, 6. Juli 2011

Rolys Silberscheiben des Monats Juli 2011

universal music

Irgendwann vor einigen Wochen weckte mich morgens mein Radiowecker, der mich meist mit grauenvoller Chartsmusik aus dem Schlaf reisst. Doch diesmal erwachte ich von dem Gesang einer glasklaren Stimme. Ob er in drei Sekunden die Pop-Welt erobern kann, wage ich mal zu bezweifeln, doch Andreas Bourani schaffte es mit seiner bezaubernden Ode an alle Tagträumer „Nur in meinem Kopf“ textlichten Tiefgang mit der dreiminütigen Leichtigkeit des Pop zu verbinden und mir einen guten Morgen zu bescheren. Um mehr von ihm zu erfahren, bestellte ich mir das Debüt-Album „Staub und Fantasie“ des gebürtigen Augsburgers mit deutsch-ägyptischen Wurzeln und wurde auch von den 12 weiteren Songs nicht enttäuscht. Auf seinem Weg geriet er immer wieder an die falschen Produzenten, doch mit Andreas Herbig und Peter Seifert, die Referenzen wie Ich + Ich, Blumfeld und die H-Blockx vorweisen können, lag Bourani gleich auf einer Wellenlänge. Eingängige Melodien treffen auf klare Arrangements und einprägsame Texte, die das Leichte im Schweren finden, die berühren und beflügeln. Geschmackvoll und melancholisch instrumentierte Stücke wie „Wunder“, „Zusammen untergegangen“, „Mit der Zeit“, „Eisberg“ und „Fremder Planet“ sowie meine beiden Favoriten „Sicher“ und „So leicht so schwer“ lassen dem Hörer stets genug Raum, um die Antworten selbst zu geben und den Kreis selbst zu schließen.
Mit „Staub und Fantasie“ und der Kraft zeitloser, guter Musik setzt Andreas Bourani zum Sprung in die erste Liga des deutschsprachigen Pop an.

www.myspace.com/bourani
www.bourani.de


Digitalism: I Love You, Dude
v2 / cooperative music

Als im Jahre 2007 ihr Erstlingswerk „Idealism“ erschien, begeisterte das Duo, bestehend aus Jens Moelle und İsmail Tüfekçi aka Jence & Isi, mit ihrem Mix aus Elektro, House und Big Beat weltweit unzählige Fans. Auf ihrem aktuellen Album „I Love You, Dude“ kommen die beiden Hamburger zwar in dem typischen Klanggewand von Digitalism, aber es ist wesentlich songorientierter, tiefgängiger und auch menschlicher ausgefallen als das Erstlingswerk. Reminiszenzen von KLF über Miami Vice bis hin zu The Prodigy prägen den Sound des neuen Albums. Nach dem ruhigen Synthie-Opener „Stratosphere“ legen sie mit der ersten Single-Auskopplung „2 Hearts“ eine atmosphärische Uptempo-Nummer vor, die sich irgendwo zwischen Elektro und Indie-Pop ihren Weg bahnt. In „Circles“ vereinen sich eine schicke Bassline, melodiöse Synthesizer und Jens Moelles Gesang zu einem wavigen Song. Als erklärter Fan der Band liess es sich selbst Strokes Frontmann Julian Casablancas nicht nehmen, als Co-Writer mit Jence und Isi den Titel „Forrest Gump“ beizusteuern.
Mit dem Track „Reeperbahn“ gibt’s natürlich auch eine sehr aggressive Hommage an ihre Heimatstadt Hamburg. Und während das loungige „Just Gazin‘“ eher zum Entspannen einlädt, sitzt man bei „Miami Showdown“ direkt neben Sonny Crockett im Ferrari.
Das Album groovt schön abwechslungsreich zwischen bratzigen Elektro-Nummern und luftigen Indie-Dance-Hymnen, mal mit frankophilem Touch, mal mit kühler Popmusik britischer Bauart. Musik für die Disco und für zuhause.

www.thedigitalism.com
www.v2music.com


autoKratz: Self Help For Beginners
bad life

Hinter autoKratz stecken die beiden in Manchester aufgewachsenen David Cox und Russell Crank, die es mittlerweile nach London verschlagen hat. Beeinflusst von Joy Division, The Fall und den Stone Roses sowie Underworld, Daft Punk und Kraftwerk veröffentlichten sie im Jahre 2006 mit „Dead Daylight“ ihre erste 12“Single auf Vigilante. Nachdem NME und Mixmag dem Duo gleichermaßen Beachtung schenkten und die beiden autoKratzer von Japan nach Ibiza, von Paris nach Barcelona tourten, haben sie mit Nachdruck an ihrem vielseitigen, aber doch gut wiedererkennbaren Sound gearbeitet, der auf ansteckenden Bassläufen, süchtig machendem Gesang und zwingenden Beats basiert.
Mit ihrem sympathisch-nostalgischen Hang zur Synthetik gelang autoKratz 2009 mit ihrem Debütalbum „Animal“ (Kitsuné) ein feines Update auf zeitgenössischen Beats.
Auf ihrem eigenen, neuen Label Bad Life zeigen die beiden Briten nun auf ihrem zweiten Album „Self Help For Beginners“, dass ihnen ein guter Refrain so wichtig ist wie die Abfahrt auf den Tanzböden. Mit Hits wie „Opposite of Love”, „Becoming the Wraith“ (feat. Peter Hook, Bassist bei Joy Division und New Order), „Fireflies”, „Kick” (feat. Andrew Innes, Gitarrist bei Primal Scream), „The Fallen”, „My Own Black Heart” und „R.I.S.E.” sowie zwei Bonus Tracks liefern David Cox und Russell Crank elektronische Delikatessen, die vor Abwechslungsreichtum und Tiefe nur so strotzen.
Ein Album für Fortgeschrittene, das die Brücke zwischen kühlem 80er-Synthie-Pop und flirrendem 2010er-Rave-Knarz schlägt.

www.autokratz.com
www.bad-life.com


Cookie The Herbalist: Like A Tree
gideon production

Bisher war mir der in der Schweiz aufgewachsene, italienische Reggae-Künstler kein Begriff. Seine erste Single „Don’t You Tell Me“ datiert aus dem Jahre 2007, ein Jahr später folgten die EP „The Good Weed“ und der Dancehallknaller „Cyaan Stop“ zusammen mit Cali P. Nun höre ich Stefano Raschi alias Cookie The Herbalist erstmals auf seinem Debüt-Album „Like A Tree“, auf dem der junge Oberaargauer mit klassischen Reggae- und Ragga-Sounds und markanter Stimme eine musikalisch überzeugende Leistung liefert. Die Riddims kommen aus Jamaika, Neuseeland, Deutschland, Österreich und natürlich aus der Schweiz. Jamaikanische Unterstützung gibt es ausserdem von Andrew Robinson („Hold On“) und Harmonies-Sängerin Sophia Squire, mit der Cookie den sommerhitverdächtigen Lovers Tune „A Girl Like You“ zum Besten gibt. Am Mikrophon mit dabei ist auch Jah Mason aus Mandeville Jamaica, der Cookie bei seinem neuen Herbman Anthem „Herbalist‘s Tale“ unterstützt.
Weitere stimmungsvolle Songs sind das feierwütige „Stories Pon Stories“, das sonnige „Running Away“, das zuckersüsse „Move On“, das kraftvolle „Who Dem“, das satirisch-leichte „Inna Mi Car“, das R’n’B-getränkte „So Glad“ sowie das vergnügte „Good Life“, das in Deutschland als erste Single-Auskopplung an den Start geht.
Die Melodien erinnern an Sandstrand und Meerrauschen, oben drauf gibt’s mal relaxt, mal sozialkritisch Cookies charakteristischen Jamaican-Slang Sprechgesang. Alles in allem also gute Vibes für Roots Lovers & Dancehall Heads.

www.cookietheherbalist.com
www.gideonproduction.ch


Various: Americana – Rock Your Soul
bbe records

Zu meinen ganz wesentlichen Kindheitseinflüssen zählen Motown-Künstler wie Marvin Gaye und Diana Ross. 1971 nahm Soul-Legende Marvin Gaye für das Label sein düsteres Meisterwerk „What’s Going On“ auf, unter dessen Einfluss die gesamte Black Music in den Siebzigern eine neue Marschrichtung einschlug. Mitte der Sechziger trat zum ersten Mal der Begriff „Blue-Eyed Soul“ in Erscheinung, der zu dieser Zeit den von weißen Künstlern gesungenen Rhythm’n’Blues, so wie deren Interpretation von Soul, beschreibt. Diese liessen und lassen sich auch heute noch von Elementen des klassischen Soul beeinflussen und besinnen sich so auf alte, in den 60ern entstandene Motown-Ideale, Rhythm’n’Blues-Werte und Soul-Qualitäten. Für die vorliegende Compilation haben nun Zafar Chowdhry, der Mann hinter www.zafsmusic.com, und Mark „Goodvibes“ Taylor ihre Plattensammlungen nach den besten Repräsentanten des sogenannten „Blue Eyed Soul“ durchforstet und eine Auswahl getroffen, die auch hierzulande das kalifornische Lebensgefühl vermitteln dürfte, welches die Songwriter geprägt zu haben scheint. So werfen die 16 hochqualitativen Produktionen auf „Americana – Rock Your Soul“ ein unglaublich warmes Licht auf die mir weitgehend bislang unbekannten Künstler. Meine Lieblingsstücke kommen von Babadu („I Love Music“), Eric Tagg („Living Off The Love“), James Walsh Gypsy Band („I’ve Got The Feelin’”), Mike Lundy („Love One Another”), Breakaway („Who Was It This Time”) und Ian Willson („Four In The Morning”). So klingt feinster Soul für laue Sommernächte!

www.bbemusic.com

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