Parade, Demo oder Festival?
Manch einer fragt sich vielleicht, was die Hanfparade ist. Es gibt die Paradewagen, eine Bühne mit Livebands und Reden, und viele Marktstände; sie ist Hanfmesse, Szenetreffen und Familienfest; sie ist die größte regelmäßige deutsche Veranstaltung zum Thema Cannabis – aber vor allem ist sie eins – eine politische Demonstration.
Und das bedeutet: Wir laufen ganz klassisch mit „Transpis“ (Transparenten) und Schildern, begleitet von Reden, Sprechchören, Trillerpfeifen und anderen Dingen, die Krach machen, von A (wie Alexanderplatz) nach B (wie Brandenburger Tor) und verschaffen unserer Meinung, dass Cannabis legal sein sollte, auf diese Weise zusammen mit Hanffreunden und Verbotsgegnern aus aller Welt lautstark Gehör. Das bezieht natürlich die Paradewagen mit ein, deren DJs und Soundsystems das Anliegen der Legalisierung unterstützen und die Menge mit Sounds von Rock über Reggae bis Techno und Trance zum Tanzen bewegen!
Dies alles passiert nicht zum ersten Mal: In diesem Jahr wird es tatsächlich schon die 15. Hanfparade in Berlin sein, die Legalisierungsbefürworter zusammenbringt. Die Freude über dieses Jubiläum bleibt einem jedoch im Halse stecken, denn es bedeutet auch, dass sich seit 15 Jahren bei uns politisch kaum etwas bewegt hat – wie immer zeigen sich die Politiker der etablierten und regierenden Parteien größtenteils lernresistent. Anderswo tut sich mehr und das will die Hanfparade hier auch erreichen:
Zum Beispiel im Bereich der Nutzhanfanwendung. Kleidung aus robusten Hanffasern ist ein alter Hut, aber immer noch ein Hit. Dass Hanf ein gutes Dämm-Material beim Häuserbau ist, erstaunt auch nicht mehr groß, obwohl die Produkte immer besser wurden. Aber wer hätte gedacht, dass sich sogar Kunststoff aus Hanföl herstellen lässt, aus dem prima Hanfplastiksandalen werden? Auch Anbau- und Erntemethoden wurden weiter verbessert. Aufgrund der schwierigen Gesetzeslage wird Nutzhanf kaum bei uns angebaut, sondern in größerem Maßstab z. B. in Frankreich und China.
Im Bereich von Wissenschaft und Medizin hat sich in den 15 Jahren ebenfalls viel getan: Cannabis hat zu bahnbrechenden Erkenntnissen über das körpereigene Endocannabinoidsystem von Menschen und anderen Säugetieren geführt. Die Mythen über ein hohes Abhängigkeitspotenzial oder die Wirkung von Cannabis als Einstiegsdroge wurden widerlegt. Und vor nicht allzu langer Zeit wurden neue Erkenntnisse über medizinische Anwendungen des Hanfkrauts gefunden, etwa als mögliches Heilmittel bei Krebs. Millionen Menschen weltweit verwenden Cannabis, um ihre Leiden zu minimieren und besser leben zu können – und sind in den meisten Ländern von Haftstrafen und Schlimmerem bedroht.
Diese Misere muss beendet werden, was nur gründlich und grundlegend geschehen kann, wenn das „UN-Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe“ für beendet erklärt wird, welches hierzulande als „Betäubungsmittelgesetz“, kurz BtMG, vor 40 Jahren als neues staatliches Repressionsmittel Einzug gehalten hat und seitdem friedlichen Kiffern und verantwortungsvollen Drogennutzern das Leben schwer macht.
Die Hanfparade steht für ein Ende des Anbauverbots. Wir möchten, dass Hanfblüten in „Cannabis Social Clubs“ geteilt werden können, und ebenso möchten die meisten von uns, dass „Gras“ und Hasch in kontrollierter Qualität und frei von Schadstoffen und Streckmitteln in Smart Shops mit Einlass ab 18 Jahren zu kaufen sind – außerdem die gesamte Bandbreite von Hanfprodukten wie Ölen, Getränken und Essbaren mit THC, und konsequenterweise andere Psychedelika wie Zauberpilze, die erwiesenermaßen weit harmloser als Alkohol sind.
Weiter als wir sind die Menschen im Mutterland des weltweiten Drogenverbots, in Kalifornien und einigen anderen Bundesstaaten der USA. In den letzten Jahren hat sich dort ein System von „Medical Marijuana Dispensaries“ etabliert, welches Patienten mit einer schriftlichen Empfehlung eines Arztes für fast beliebige Beschwerden den Kauf von allen Varianten wirksamer Hanfprodukte ermöglicht. Und gerade in den USA bewegt sich sehr viel. Lobbyorganisationen für die Cannabislegalisierung und die Öffentlichkeit setzen Präsident Obama immer mehr unter Druck, auch die bundesrechtliche Gesetzgebung (federal law) zu ändern und Cannabis zu legalisieren. Die Kritik an dem UN-Übereinkommen nimmt weltweit zu und wir können hoffen, die Legalisierung bald zu erleben, wenn wir den Druck aufrecht erhalten.
Dafür geht die Hanfparade auf die Straße, und je mehr wir sind, desto mehr findet unser Anliegen Gehör!