Mittwoch, 2. Dezember 2009

Doktor-Hanfs Patienten Ecke 6 – Patientengeschichte Marcel (Tourette Syndrom)

Existenzängste

Immer wieder hören wir von der positiven Wirkung von Cannabis zu den verschiedensten Krankheitsbildern. Dr. Franjo Grothenhermen klärt uns über jene chemischen Zusammenhänge auf, die erklären, warum Cannabis wirkt und was in unserem Körper geschieht. Unzählige Studien zu diesem Thema, die meisten aus dem Ausland, beweisen, dass Cannabinoide in der Medizin unverzichtbar sind und durch die wesentlich milderen Nebenwirkungen, wenn sie denn auftreten, eine bessere Therapieform darstellen als die derzeit zur Verfügung stehenden Substanzen der pharmazeutischen Industrie.
Fast täglich erreichen uns Anfragen und Mitteilungen, wie diese gefühlte Wirkung aussieht. Patienten, die sich zum Teil immer noch illegal mit Cannabis versorgen, bewegen sich auf dünnem Eis und das oftmals nur aus einem Grund: Sie haben keinen Arzt, der bereit ist, Dronabinol zu verordnen. Und wenn sie dann doch einen gefunden haben, macht die Krankenkasse ihnen einen Strich durch die Rechnung. Sie sprechen von einer experimentellen Therapieform, bei diesem leider immer noch nicht zugelassenen Medikament, welches rezeptpflichtig ist und dessen Wirkung längst bewiesen ist. Dass mit dieser Entscheidung ganze Existenzen zunichte gemacht werden, weil einem Patienten ohne Aussicht auf Kostenübernahme beispielsweise das Arbeiten nicht zuzumuten ist, zeigt uns folgendes Beispiel.
Marcel, 25 Jahre alt, leidet seit seiner Kindheit unter einem stark ausgeprägten Tourette Syndrom. Ohne die Zufuhr von THC in jeglicher Form kann Marcel kein „normales“ Leben führen. Er wandte sich vor zwei Jahren an uns, im Rahmen der Tourette Selbsthilfegruppe NRW, die ich seit einigen Jahren leite. Die damalige Problematik war, dass Marcel eine empfindliche Haftstrafe zu erwarten hatte, da er sich illegal mit Cannabis versorgte, um seine starken Symptome zu behandeln. In letzter Instanz konnten wir als Selbsthilfegruppe die Interessen von Marcel wahrnehmen und durch unsere Präsenz vor Gericht überzeugen. Wir konnten die Justiz davon überzeugen, dass der Konsum seinerseits nicht der „Erlangung eines Rauschzustandes“ diente, sondern eine Linderung seiner körperlichen Leiden zum Ziel hatte. Die Konsequenz dieses Umstands ermöglichte dann die Einleitung einer Dronabinol Therapie, auf die er sehr gut reagierte. Auch bei ihm verschwanden die Tics innerhalb einiger Stunden. Wenn ich von Tics rede, dann meine ich:
– plötzliches Hochspringen
– Augenrollen, Grimassieren
– starke Spastiken die ihm selbst das Trinken aus einem Glas unmöglich machen
– ruckartig einsetzende Bewegungen, die unkontrollierbar sind und ihm mittlerweile starke Schmerzen bereiten. Schulterhochziehen, Kopfrucken usw.
 laute, verbale, unkontrollierbare Äußerungen, die alle Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich lenken

All das sind Dinge, die ein Leben in unserer Gesellschaft nicht gerade vereinfachen, zur Ausgrenzung führen und Marcel bereits in seiner Jugend zu schaffen machten. Man hat bereits unzählige Medikamente an Ihm ausprobiert. Angefangen von starken Neuroleptika bis hin zu schädlichen Psychopharmaka, auch Ritalin, anderen auch unter dem Namen „Speed“ ein Begriff, erbrachten keinen wünschenswerten Therapieerfolg. Diese genannten Therapieformen werden jedoch von der Krankenkasse bezahlt. Einen Nutzen daraus hatte er bisher nicht. Auch eine Kostenbeihilfe im Rahmen einer Differenzzahlung lehnt die Kasse ab. Nun haben wir für Marcel einen Ausbildungsplatz. Durch einen Zufall ergab sich die Chance, dass Marcel als körperlich Behinderter eine Ausbildung als Garten- und Landschaftsbauer bei einer Fliedner Werkstatteinrichtung beginnen könnte. Und nun kommt das große Problem:
Marcel darf diese Ausbildung beginnen, sofern die erfolgreiche Therapie mit Dronabinol gesichert ist. Nur dann ist er (ärztlich bestätigt, Studienergebnisse belegen dies zusätzlich) dazu in der Lage, die Maschinen, die er im Rahmen seiner Ausbildung bedienen müsste, zu benutzen. Nur dann ist er Tic-frei und kann diese Werkzeuge somit gefahrenfrei handhaben. Nur dann hat er eine Chance, eine Berufsausbildung zu beginnen und eigenständig Geld zu verdienen. Das ist sein Wunsch, um seine kleine Familie, die in 3 Monaten ein Baby erwartet, ernähren zu können. Er hat schon vor einiger Zeit ein Praktikum in dieser Firma absolviert, während dieser Zeit hat es ihm sehr viel Freude beschert, Lob und Anerkennung für das zu bekommen, was er geleistet hat.
Damit diese Freude anhält, werden wir versuchen diesen Wunsch und seine Existenz zu retten. Wir warten derweil noch auf die zweite Antwort der Krankenkasse, nachdem wir mit der Begründung, die wir soeben schilderten, einen Widerspruch eingelegt hatten. Sollte diese Antwort für ihn negativ ausfallen, werden wir mit ihm zum Sozialgericht gehen, um eine positive Entscheidung zu erreichen. Wenn wir mit dem Verfahren durch sind, werden wir euch darüber informieren, wie es für Marcel weitergeht.

Es gibt immer einen Weg und der entsteht erwiesenermaßen, indem man ihn geht.

Euer Doktor Hanf, www.doktor-hanf.de

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