Donnerstag, 6. März 2008

Feuer Auf Sabine Bätzing

Bätzings windige Argumentation

In der neueren abendländischen Geschichte psychotrop wirkender Pflanzen und Pilze zeigt sich ein Verhaltensmuster bei den Machthabern, das sich wie ein roter Faden durch einen gen Himmel stinkenden Morast von Moral, Justiz und Politik windet. Die heiligen Gewächse der Schamanen werden systematisch zu gefährlichen Drogen deklariert. Ungeachtet der Tatsache, dass kein psychotrop wirkendes Gewächs und auch keine andere Droge an und für sich gefährlich ist, sondern nur der Umgang damit nützlich oder schädlich sein kann, wird sukzessive jeglicher Umgang damit verboten – bei Zuwiderhandlung werden hohe Strafen angedroht.

Jüngstes Beispiel in der Geschichte ist der Aztekensalbei, auch Wahrsagesalbei oder Salvia divinorum (lat. salvus: gesund sein, wohlbehalten, unverletzt; divino: göttliche oder höhere Eingebung haben, Sehergabe) genannt. Bis vor wenigen Jahren wurde in Deutschland dieses geistig anregende Genussmittel meist in ritueller Art genutzt, um religiöse Erfahrungen zu erlangen oder zu vertiefen, ohne dass Schäden bei den Konsumenten bekannt wurden und ohne staatliche Repression. Salvia divinorum war weder als Arzneimittel noch als Betäubungsmttel im Sinne des BtMG klassifiziert. Dennoch verurteilte das Amtsgericht Frankfurt im Juni 2006 den Betreiber des Berliner Fachgeschäftes für ethnobotanische Spezialitäten »Elixier« zu einem Jahr auf Bewährung und einer hohen Geldstrafe, weil er aus Mexiko 81 Kilogramm Salvia divinorum importiert hatte. Begründung: Salvia sei zwar nicht apothekenpflichtig, aber dennoch geeignet, »seelische Zustände zu beeinflussen«. In der Folge wurde Salvia divinorum im Winter 2008 in Anlage I des BtMG eingestuft und zum Betäubungsmittel erklärt, ein Verfahren, das wohl Einfluss auf die kommende Revisionsverhandlung haben soll und viele Fragen offen ließ, wie man bei »Abgeordnetenwatch« auf der Seite von Sabine Bätzing, der Bundesdrogenbeauftragten, nachlesen kann.

Auf der besagten Seite findet man viele Fragen zu diesem Verbotsverfahren, jedoch meist nur windige und ausweichende Antworten – ja viele Fragen werden überhaupt nicht beantwortet, auch nicht nach wiederholtem Nachfragen der interessierten Personen. Sabine Bätzing zitiert vorzugsweise aus einer Drucksache des Deutschen Bundestages (Drucksache 16/6150, 16. Wahlperiode 27. 07. 2007, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Anna Lührmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen). In dieser Antwort erklärte die Bundesregierung, dass weder eine gesundheitsschädigende Wirkung von Salvia divinorum nachgewiesen werden konnte, noch dass Salvia divinorum ein Stoff ist, aus dem man verbotene Stoffe herstellen könnte, noch ein umfangreicher Missbrauch mit gesundheitsschädigender Wirkung oder gar mit Abhängigkeit zur Folge bei Salvia divinorum bekannt ist. Dies sind jedoch Bedingungen gemäß §1 Absatz 2 Nummer 1-3 BtMG für Änderungen der Anlagen I-III im BtMG. Da diese Bedingungen nicht erfüllt sind, empfinden viele zu Recht das Prozedere des Verbotsverfahrens von Salvia divinorum als reinen Akt der Willkür.

Besonders zum „Missbrauch“ von Salvia divinorum findet man viele Fragen auf der besagten Website, da Missbrauch im Sinne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von der Bundesregierung nicht nachgewiesen werden konnte. Gemäß WHO ist jeglicher Gebrauch jeder Art von illegalisierten Drogen ohne einen medizinischen Grund als Missbrauch zu werten. Da Salvia divinorum bis dato nicht illegalisiert war, kann diese Definition nicht in Betracht kommen. Aber auch der übermäßige Gebrauch eines verschriebenen Medikamentes wird als Missbrauch gewertet. Da Salvia divinorum jedoch mangels belegter therapeutischer Wirkung keine arzneiliche Verwendung findet und somit nicht als Medikament klassifiziert werden kann, fällt auch dieses Kriterium außer Betracht. Dennoch erwähnt Sabine Bätzing immer wieder den Missbrauch von Salvia divinorum, ohne jedoch belegen zu können, dass der Gebrauch zu unpassenden Gelegenheiten stattgefunden habe oder dass der Gebrauch zu deutlichen körperlichen und/oder seelischen Veränderungen oder gar zu einer Abhängigkeit geführt habe. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass auf der Website www.drugcom.de, für die Sabine Bätzing bei jeder Gelegenheit Werbung macht, der Artikel „Missbrauch“ aus dem Drogenlexikon just in dem Moment entfernt wurde, als auf „Abgeordnetenwatch“ die Fragen zum Missbrauch von Salvia divinorum sich häuften. Offenbar waren die Antworten von Sabine Bätzing nicht mit der Beschreibung von „Missbrauch“ im Drogenlexikon von www.drugcom.de (ein Projekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) kompatibel.

Studien zu Salvia divinorum sind der Drogenbeauftragten (wie auch der Bundesregierung) nicht bekannt. Belege für eine psychische Abhängigkeit gibt es nicht (nur Vermutungen), Belege für eine Toleranzbildung nach regelmäßigen Konsum gibt es nicht. Dennoch schreibt Sabine Bätzing in einer Antwort: „… der Konsum von Salvia auch die für Halluzinogene typischen psychischen Risiken nach sich ziehen kann. Bei Halluzinogenen besteht die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit mit dem Wunsch, den erlebten Rausch immer wieder herbeizuführen. Bei regelmäßigem Konsum kann es zu einer Toleranzbildung kommen. Zudem kann es bei häufigem Konsum zu einer Verringerung der Konzentrations- und Wahrnehmungsfähigkeit kommen. Psychosen können nicht ausgeschlossen werden.“ Das Verbot wird nur mit wagen Vermutungen untermauert. Auf den Vorwurf einer Willkür bei dem Verbotsprozedere fällt Bätzing nichts besseres ein als folgendes zu schreiben: „Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie die Ernsthaftigkeit und die Kompetenz der Mitglieder der Sachverständigenausschüsse nicht einfach in Frage stellen oder ihnen sogar reine Willkür unterstellen.“ Widerlegen kann Bätzing den Willkürvorwurf nicht. Sie nennt weder die Namen der Mitglieder des Sachverständigenausschusses, noch die Grundlagen respektive Berichte, aufgrund der dieser Ausschuss seine Entscheidung getroffen hat noch legt sie das Protokoll der Sitzung offen. Von Informationsfreiheit scheint Bätzing (und die Bundesregierung) nicht viel zu halten, zumindest nicht, wenn es um ein sehr fragwürdiges Verbotsverfahren wie das Betreff Salvia divinorum handelt. Stattdessen verärgert sie die fragenden Personen mit windigen Argumentationsketten und ausweichenden Antworten.

Fragen und Antworten sind nachzulesen auf:

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