Mittwoch, 4. April 2012

Sag JA zu Drogen, sag NEIN zu Scientology

Manchmal fange ich tatsächlich an, an Verschwörungen zu glauben … Was glaubt ihr, passiert, wenn in die Google Suchzeile „Drogenaufklärung Schule“ eingegeben wird? Landen wir auf der Seite unserer allseits geschätzten Drogenbeauftragten Mechthild Dyckmans? Beim Bundesministerium für Gesundheit bzw. Bildung und Forschung? Oder auf der von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eingerichteten Informationsseite drugcom.de? Alles falsch – auf dem ersten Platz der Suchergebnisse werden an Drogenaufklärung interessierte Schüler und Lehrer direkt und ohne Umwege mit Scientology verbunden!

„Sag NEIN zu Drogen – Sag JA zum Leben“, so nennt sich das „internationale Drogenpräventionsprogramm“, das seit über 20 Jahren von Mitgliedern der Scientology Kirche und ihrer „FOUNDATION FOR A DRUG-FREE WORLD“ auf der ganzen Welt betreut und unterstützt wird. Nach eigenen Angaben geht die Gesamtzahl der seit 1997 in verschiedenen Ländern verbreiteten Hefte in die Millionen und „in mittlerweile 20 Sprachen wird hier sachliche Aufklärung über die Gefahren der Straßendrogen geleistet.“ Auf Scientology.de liest man ergänzend, dass bereits 700 Millionen Menschen diese Botschaft gehört oder gelesen hätten. Mit dem Ergebnis, dass überall, wo die Materialien der Kampagne in großem Umfang in Gemeinden verteilt wurden, „der Drogenkonsum drastisch gesunken“ sei.
Nun gut könnte man denken, „sachliche Aufklärung“ schadet ja eigentlich nicht und in einem toleranten Land wie Deutschland dürfen eben auch Sekten ihre Meinung verkünden. Schauen wir uns die Materialen allerdings etwas genauer an, dann werden wohl selbst toleranteste Menschen auf eine harte Probe gestellt:
Lassen wir zunächst den dubiosen „Cannabis-Forscher“ Dr. Carlton Turner zu Wort kommen. Ihm zufolge gibt es „keine andere Droge, die vom Menschen gebraucht oder missbraucht wird, die solange im Körper verbleibt wie Cannabis. Und es gibt keine andere legale oder illegale Droge, die jedes wichtige Organ des Körpers angreift, jedes System im Körper und jede einzelne Zelle.“ So einfach können Jahrtausende lange Erfahrungen mit Cannabis als Medizin ignoriert und stattdessen – direkt im Anschluss – Alkohol verharmlost werden. Dieser bestehe nämlich im Gegensatz zu Cannabis „aus nur einer einzigen Substanz“ und aus über 400 teilweise krebserregenden Stoffen. Zudem werde Alkohol innerhalb von Stunden abgebaut während die teilweise krebserregenden Wirkstoffe von Cannabis – die in Tierversuchen zu Hirnschäden geführt hätten – Wochen und Monate im Körper verweilen.
Wer jetzt glaubt, es könne nicht mehr schlimmer werden, der hat sich leider getäuscht. Denn:
Cannabis wird laut Scientology regelmäßig mit Frühgeburten, Fehlgeburten und Störungen des weiblichen Menstruationszyklus in Verbindung gebracht. Weitere Folgen seien abnorme Spermien und Eizellen sowie Schädigungen des Erbguts. Auf psychischer Ebene erwarten das hilflose Cannabis-Opfer Persönlichkeitsveränderungen, die mit Motivationsmangel, Ziellosigkeit, Psychosen, „vermindertem Bewusstsein“ und letztlich „Zerstörung der natürlichen Lebensfreude“ einhergehen. Außerdem ist „Cannabisvergiftung“ die Ursache für 4,3% aller tödlichen Verkehrsunfälle. Und zu guter Letzt noch ein Hinweis an alle, die immer noch nicht wahrhaben wollen, wie gefährlich Cannabis ist:
„Viele Leute behaupten, dass Cannabis ungefährlich sei. ln diesen Fällen sollte man sich die Person genau ansehen, die das sagt. Vielleicht ist es jemand, der den Stoff verkaufen will.“ Wahrscheinlich aufgrund all dieser schrecklichen Auswirkungen der „Einstiegsdroge Cannabis“ (auch davon bleibt man bei Scientology selbstverständlich nicht verschont) teilen sich Cannabis-Raucher laut Scientology generell früher oder später in zwei Gruppen: Aussteiger und Umsteiger. Die meisten Konsumenten hören demnach mit dem Rauchen der Droge auf, weil „sie die Wirkungen und Nebenwirkungen auf Dauer nicht mehr wünschenswert oder erträglich finden.“ Der Rest der „chronischen Cannabis-Raucher“ geht früher oder später mit nur wenigen Ausnahmen zu stärkeren Suchtdrogen über – 73% zu Kokain und 23% zu Heroin.
Spätestens jetzt mag sich der geneigte Leser sowie die geneigte Leserin fragen, was denn eigentlich das Ziel dieser Kampagne sein soll. Auch auf diese Frage findet sich auf der Internetseite natürlich eine Antwort. Das „Endziel“ (Wortwahl durch den Autor) dieses totalitären Sektenregimes ist natürlich nichts weniger als eine rauschbefreite und „drogenfreie Welt“:
Die Scientology-Sekte sieht ihre Arbeit und Zielsetzung im Wesentlichen bestimmt durch die „destruktiven Auswirkungen des Konsums bestimmter Substanzen auf Geist und Verstand.“ Sie orientiert sich folglich nicht an Kategorien wie „legal“ oder „illegal“, „Gebrauch“ oder „Missbrauch“, denn „allein, dass man diese Drogen nimmt und regelmäßig nimmt, bestimmt ihre Destruktivität.“ Letztlich ist das „gesellschaftliche Drogenproblem“ (wieder ein Knaller) Scientology zufolge weitgehend ein „Drogenrausch-Problem“:
„Die vom Verein angestrebte drogenfreie Gesellschaft ist letztlich also eine Gesellschaft, die den ‚Rausch‘ als die Falle erkennt, die er ist. Und in welcher der Einzelne dieser Falle aus dem Weg geht.“ Alle, die aufgrund von „sympathischen“ bekennenden Scientologen wie Tom Cruise (oder der scientologynahen Jennifer Lopez) den von dieser Sekte ausgehenden Gefahren eher neutral gegenüberstanden, sollten ihre Position vielleicht doch noch einmal überdenken. Albert Hoffmann, der Entdecker des LSD, verglich in seinem Buch „LSD – mein Sorgenkind“ die Wirkungsweise von psychedelischen Substanzen (zu denen auch Cannabis zählt) einmal mit der Möglichkeit „den Empfänger »Ich« auf andere Wellenlängen einzustellen und damit Veränderungen im Wirklichkeitsbewusstsein hervorzurufen.“ Da der „unendlichen Vielfalt […] der Schöpfung“ unendlich viele verschiedene Wellenlängen entsprechen, „können je nach Einstellung des Empfängers viele verschiedene Wirklichkeiten ins Bewusstsein treten.“
Damit soll nun nicht impliziert werden, dass verschiedene Wirklichkeitsebenen nicht auch ohne Drogen erfahren werden können (z.B. durch Meditation, Träumen, Sport, Musik, Sex u.v.m.), allerdings stellen sie doch ein seit Jahrtausenden bewährtes Mittel für eben diesen Zweck dar. Einer „drogenfreien Gesellschaft“, wie von Scientology erwünscht, sind zumindest diese Zugänge vorenthalten. Und je weniger Zugänge zu alternativen Wirklichkeiten (oder Bewusstseinszuständen) bestehen, desto stärker wird natürlich die von einem totalitären Regime angebotene Wirklichkeit als „einzig wahre Wirklichkeit“ (v)erkannt. Im übertragenen Sinn wäre das ungefähr so, wie wenn wir auf einmal nur noch ein einziges Fernsehprogramm (Wellenlänge) hätten und auch im Internet nur die Wiederholungen der Fernsehsendungen herunterladen könnten … Vielfalt einzuschränken stellt letztlich ein Standardrezept totalitärer Regimes dar.
Vor diesem Hintergrund gilt es also wachsam zu sein, welche Broschüren und Flugblätter an eurer Schule, Uni oder sonstwo verteilt oder womöglich sogar benutzt werden. Denn überall wo „Foundation for a drug-free World“ draufsteht, ist auch Scientology drin. Und die würden sich freuen, wenn sie „Lehrern, Polizisten und Gemeindegruppen“ „wirksame Hilfsmittel“ an die Hand geben könnten, „um jungen Leuten zu helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.“

Na dann Prost Mahlzeit und willkommen in der schönen neuen „drogenfreien Welt“!

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