Dienstag, 14. Februar 2023

Hardy Hacke-Trilogie und jede Menge Cannabis

Hardy Hacke-Trilogie

Auf ein paar Joints in Berlin – Stefan Schweizers Hardy

Buchrezension

Mehrfach haben wir uns im Hanfjournal mit Werken des Schriftstellers Stefan Schweizer beschäftigt. Jetzt liegt von ihm ein großer Wurf vor. Mit „Tödliche Seilschaften“, „Kaltes Metall“ und „Querfront“ aus dem Verlag Edition Krimi hat er den Unterwelten von Berlin ein Denkmal gesetzt. Und in der Hardy Hacke Trilogie wird gekifft, was das Zeug hält.

Schweizer schreibt kritische Gesellschaftsromane, Kriminalromane und Thriller. In Interviews hat er mehrfach geäußert, dass das Diktum des Schweizer Autoren und Morphinisten Friedrich Glauser (*1896-+1938), der Kriminalroman sei das beste Medium der Literatur, um Sozialkritik zu transportieren, auch heute noch völlig zutrifft. Insofern verwundert es keineswegs, dass Schweizers Literatur sehr gesellschaftskritisch ist. Insbesondere die sogenannte bürgerliche Mitte sieht sich seiner sezierenden Kritik ausgesetzt.

Am liebsten beschäftigt sich der Autor mit gescheiterten Charakteren. Typisch ist insofern seine intensive Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Rändern. Die belletristischen Werke Schweizers weisen
mannigfache stilistische Innovationen auf. Die von der Gesellschaft ausgestoßenen Protagonisten sind nicht selten einem düsteren Noir- und Hardboiled-Touch geprägt und finden bei Lesern sowie der Presse großen Anklang. Allerdings ist Schweizer auch ein Autor, der polarisiert. Nicht allen gefällt sein kompromissloser Stil, die Vorliebe, die Dinge direkt beim Namen zu nennen und der Versuch, die Gesellschaft und ihre Machenschaften zu dekonstruieren.

Hardy ist kein Kostverächter

„Tödliche Seilschaften“ bildet den Auftakt der Hardy Hacke-Trilogie und ist 2021 bei Edition Krimi erschienen. Privatermittler Hardy ist pleite und perspektivlos, als ihm ein verlockendes Angebot unterbreitet wird: Er soll einem Berliner Clan helfen, sich an einem Innensenator zu rächen, der seine Immobilien beschlagnahmt. Als Hardy Zusammenhänge zwischen einer Immobiliengesellschaft, die ein Sammelbecken von ehemaligen Stasi-Agenten ist, und den konfiszierten Wohnungen entdeckt, gerät er selbst in die Schusslinie und damit in Lebensgefahr. Dabei raucht Hacke, der nicht umsonst so heißt, etliche Joints.

Während Hacke sich an seinen ersten Fall herantastet, sagt einer seiner Freunde, nicht zufällig ein Schriftsteller: „»Der erkennbare Bezug zur Wirklichkeit zeichnet einen wahren Schriftsteller aus«, ging die
Endlosschleife weiter. Leider nestelte er jetzt einen recht dick aussehenden Joint aus seinem Tabakbeutel, zündete ihn sich ohne Umschweife an und dozierte weiter.“ Als der Fall um die Immobilienhaie, korrupte Lokalpolitiker und arabische Clans in Fahrt kommt, reicht ein Freund Hackes ihm „einen Bob-Marley-Gedächtnis-Joint“, den er „wie ein katholischer Priester die Hostie“ hält. Den Joint setzt Hacke gleich
gewinnbringend bei seinen Recherchen im Grundbuchamt ein, nicht ohne selbst kräftig daran zu ziehen. Was nicht ohne Folgen für sein Realitätsverständnis ist, denn seine Wahrnehmung ist ein wenig „getrübt. Das konnte zum einen an Kevins Erzählung und zum anderen an den Nachwirkungen des Joints liegen – ich war zwar nicht mehr so durch den Wind wie zu Beginn, bemerkte aber immer noch ein Hintergrundrauschen.“ Trotz allem Cannabishintergrundrauschen gelingt es Hardy am Ende, die Machenschaften von Politik, Clans und ehemaligen Stasi-Seilschaften aufzudecken.

Im 2. Band der Hacke-Trilogie „Kaltes Metall“ wird Privatdetektiv Hardy Hacke vom schwerreichen US-Unternehmer Owen engagiert, um diesen zu helfen, seine Tochter Eve zu finden, die in Berlin promoviert. Eve soll bald eine wirtschaftlich wichtige Ehe mit dem Spross einer US-Industriellen-Dynastie eingehen. Doch Eve scheint das libertäre Berlin zu genießen und bleibt verschwunden. Hardy muss bei seiner Suche
sowohl in die ihm fremde Welt der Universität eintauchen als auch die Party-Szene der Hauptstadt durchforsten. Welche Rolle spielt eine zwielichtige Sekte bei Eves Verschwinden?

Was als einfacher und lukrativer Suchauftrag begann, stellt sich als lebensgefährliche Mission mit etlichen Toten heraus. Auch hier hilft Cannabis bei den Ermittlungen, denn als „ich den Stummel meines Joints in dem angestaubten Marlboro-Aschenbecher ausdrückte, ereilte mich ein Geistesblitz. Wozu hatte man
denn eigentlich Freunde aka Connections?“ Auch beim weiblichen Geschlecht hat Hardy wegen seines Cannabiskonsums gute Chancen, so z.B. bei der türkischstämmigen Aileen vom Kottbusser Tor (Drogen-Kotti): »Du bist voll süß.« »Warte erst mal, bis du an dem Ding gezogen hast, dann denkst du, ich sei der
Pascha höchstpersönlich.« Wir chillten uns auf einem Mauervorsprung, und ich beobachtete, wie Junkies und Dealer uns akribisch unter die Lupe nahmen. Dennoch wurde es ein sehr entspannter Nachmittagsjoint. Am Ende kicherten wir ein wenig albern herum.“

Als der Fall schließlich gelöst ist, hilft Cannabis Hardy, seine neue Liebe noch einmal anzurufen: „Als ich den Joint ausdrückte, hatte ich endlich den Entschluss gefasst. Ich nahm das Handy und drückte auf Aileens Namen.“

Joints sind nicht nur cooles Beiwerk

Auch im letzten Band „Querfront“ wird häufig einer durchgezogen. Der Inhalt lässt sich so zusammenfassen: Als bei einer Demonstration der „Querfront“, ein Zusammenschluss links- und rechtsradikaler Gruppen, eine Demonstrantin erschossen wird, erhält Privatdetektiv Hardy den Auftrag, den Mörder zu finden. Auftraggeber ist der Onkel der Toten und zugleich Bundestagsabgeordneter einer
nationalpopulistischen Partei. Als zur Bedrohung durch Querfront-Anhänger noch Akteure des Landeskriminalamts und Landesamts für Verfassungsschutz ins Spiel kommen, ist Hardys Leben keinen Pfifferling mehr wert.

Kann er seinen Kopf rechtzeitig aus der Schlinge ziehen? Als Hardy aus seinem Büro geworfen wird, hilft
ihm Oldschool-Hasch ein klein wenig dabei, den Schock zu verdauen: „Die Jungs lachten höflich, und plötzlich wuchs wie aus dem Nichts ein riesiger Joint rüber, der mich erst einmal ein wenig beruhigen sollte. Ich tat mein Bestes, doch das Haschisch half trotz Hammerqualität nicht wirklich über den ersten Schock hinweg.“ Auch um Wartezeit zu überbrücken, dient Haschisch: „Ich baute mir also einen Monster-Joint mit feinstem marokkanischem Pollen und beschloss, weiter auf die Handwerker zu warten, die eigentlich bereits vor drei Stunden hätten aufschlagen müssen.“ Als Hardy aus ermittlungstaktischen Gründen Crystal Meth konsumieren muss, soll ihm Hasch dabei helfen, wieder runterzukommen: „»Hier.« Halb offen, halb klandestin reichte er mir einen Monsterjoint über die Theke, den ich sofort in meiner
Manteltasche verschwinden ließ. »Echt?«, wollte ich wissen. »Wenn ich was Homöopathisches möchte, nehme ich in der Regel Globuli.«

Gut, Hardy ist auch in Sachen harte Drogen kein Kostverächter, aber der Besitzer des Haschs verteidigt
seine Ware vehement: »Das ist das beste Haschisch überhaupt, Mann, checkst du gar nichts? Recht wenig THC, aber jede Menge CBD. Ob du es glaubst oder nicht, der Scheiß wirkt auch gegen den stärksten Chemie-Kack. Dann hört dieses unangenehme Körpergefühl auf, und deine Birne hat die Möglichkeit, zu
entspannen.« Tatsächlich raucht Hardy den Joint kurz darauf am Savignyplatz: „Also kramte ich mit schweißigen Händen das Ding aus den Taschen, versteckte mich ein wenig hinter der winzigen, achteckigen Currywurstbude und rauchte den Joint, dessen Spektrum an Aromen gigantisch war. Keine Frage, allerfeinstes Haschisch, wie es heute nur noch sehr selten zu finden war.“

Der aufmerksame Leser kann also in „Querfront“ die Sehnsucht des Protagonisten nach klassischem Haschisch heraushören. Das heutige Gras soll stattdessen die grauen Zellen des Detektivs
energetisieren helfen: „Also holte ich einen kleinen Beutel Gras aus der Schreibtischschublade und baute mir unter Charlys kritischen bis strengen Blicken einen Joint mit feinstem Sativa-Gras. Das müsste meine Gehirnzellen ein wenig in Schwung bringen und mir zu neuen Ideen verhelfen.“

Und so gelingt es Hardy auch, den 3. Fall erfolgreich zu lösen. Wie ersichtlich werden also in Schweizers Hardy Hacke-Trilogie jede Menge Joints geraucht. Sie sind nicht nur „cooles Beiwerk“, sondern erfüllen immer bestimmte Funktionen. Nicht zuletzt helfen sie dabei, die gesellschaftspolitische Kritik des Autors zu offenbaren. Und ein wesentlicher Aspekt davon lautet, dass es längst überfällig ist, Cannabis zu legalisieren – zum Wohle aller.


Wer Berlin, Abgründiges, schräge Charaktere, einen spannenden Plot und jede Menge Drogen mag, dem seien „Tödliche Seilschaften“, „Kaltes Metall“ und „Querfront“ ans Herz gelegt. Mehr Berlin geht nicht und mehr Drogen gehen kaum.

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