Montag, 7. März 2022

Cannabis-Konsum kann tödlich sein

In der Nacht zum 6. März 2021 starb der 19-jährige Qosay Khalaf infolge eines Polizeieinsatzes – und das wegen eines Joints

Cannabis
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Eine Denkschrift von Sadhu van Hemp

 

 

Um es klar zu sagen: Ohne die Cannabis-Prohibition würde Qosay Khalaf noch leben. Dann wäre der 19-Jährige nämlich nicht vor der Polizei geflohen, die ihn und seinen Freund wegen illegalen Cannabis-Besitzes drankriegen wollte. Er wäre auf der Parkbank einer Delmenhorster Grünanlage sitzengeblieben, und die beiden Freunde hätten den Joint entspannt aufgeraucht – ohne etwas fürchten zu müssen, was einen Fluchtreflex auslöst. Das Hanfverbot war es, dass Qosay den Impuls gab, sich der Polizeikontrolle per Flucht zu entziehen, um einer Strafanzeige mit all ihren schrecklichen Konsequenzen zu entgehen.

 

Dieses Schauspiel findet in deutschen Landen im Namen des Volkes nahezu täglich statt: Polizisten scharf wie Bluthunde jagen kleine Kiffer – und das mit geradezu sportlichem Ehrgeiz, um der Familie am Abendbrottisch von den Heldentaten des Tages zu erzählen. Oft gehen diese Hetzjagden glimpflich ab. Hier und da tragen die eingefangenen Kiffer neben der obligatorischen Strafanzeige eine Beule oder ein blaues Auge davon. Zum Glück bereitet es nicht jedem Polizeibeamten eine besondere Freude, seiner sadistischen Ader freien Lauf zu lassen und die Opfer der Cannabis-Prohibition über alle Maßen zu quälen und zu demütigen.

 

Am Abend des 5. März 2021 endete das alltägliche Katz- und Mausspiel zwischen Polizeihäschern und Kiffern jedoch alles andere als glimpflich. Bereits nach wenigen hundert Metern konnte der Polizeibeamte, der die Verfolgung aufgenommen hatte, den flüchtigen Haschgiftverbrecher zu Boden reißen, ihm eine Ladung Pfefferspray verpassen und mit Polizeigriffen in Bauchlage fixieren. Dabei kniete der Beamte mehrere Minuten auf dem Rücken des mutmaßlichen Cannabis-Straftäters. Zeugen berichteten, dass Qosay nach Luft röchelte und Schaum vor dem Mund hatte.

 

Nachdem der Polizeibeamte von seinem Opfer abgelassen hatte, wurde wegen des Pfeffersprayeinsatzes wie vorgeschrieben ein Krankenwagen angefordert. Die Sanitäter sahen jedoch keine Notlage und verließen wieder den Ort des Geschehens. Der halb ohnmächtige Qosay wurde schließlich zu einem Polizeifahrzeug geschleift und aufs Polizeirevier verfrachtet. Dort verlor er gänzlich das Bewusstsein, so dass er in ein Krankenhaus überstellt werden musste, wo die Ärzte in den frühen Morgenstunden des 6. März nur noch seinen Tod feststellen konnten.

 

Die Polizei Oldenburg bestritt den Ablauf des Einsatzes nicht. Dass Qosay Khalaf nach Verbringung auf die Polizeiwache kollabiert und ins Koma gefallen ist, sei ein „Unglücksfall“. In der „Nordwest-Zeitung“ schloss der Polizeipräsident „unrechtmäßige Polizeigewalt“ wie „bei der Verhaftung von George Floyd in den USA“ aus. Auch die Staatsanwaltschaft hielt nach einer ersten rechtsmedizinischen Untersuchung des Leichnams „Gewalteinwirkung von außen als Todesursache“ für ausgeschlossen. 

Stattdessen stellte die Pressestelle der Oldenburger Polizei Qosay Khalaf ins Zwielicht. Er habe sich der Festnahme widersetzt und einen Beamten „mit der Faust gegen den Kopf“ geschlagen. Keine Stellungnahme gab es zu den Gerüchten um die Gesinnung und den Corpsgeist einiger Beamte des zuständigen Polizeireviers, auf dem Qosay über Stunden festgehalten wurde, bevor er zum Sterben ins Krankenhaus entlassen wurde.

 

Der Norddeutsche Rundfunk gab sich dann auch mit der amtlichen Darstellung der Ereignisse nicht zufrieden und merkte an: „Fakt ist: Qosay K. hat den Polizeigewahrsam lebend betreten. Nur wenige Stunden später starb der Jugendliche im Krankenhaus. Auf Fotos von dort, die dem NDR vorliegen, ist der Heranwachsende kaum wiederzuerkennen. Das Gesicht ist stark angeschwollen. Eingetrocknetes Blut ist an einem Hüftverband zu sehen. Das Bettlaken, auf dem der junge Mann liegt, hat Blutflecken, rot getränkte Waschlappen lugen unter seinem Körper hervor.“

 

Die Anwältin der Familie hatte daraufhin wegen der Ungereimtheiten Strafantrag gegen die Polizei gestellt. „Das war ein gesunder, munterer, kräftiger 19-jähriger Jugendlicher, der keinerlei Anzeichen gezeigt hat, körperlich beeinträchtigt zu sein, geschweige denn, dem Tode nahezustehen“, sagte die Anwältin. „Das hat sich erst geändert, als er in den Polizeigewahrsam kam.“

 

Um Licht ins Dunkel zu bringen, hatte Qosays Familie beim Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf  ein Obduktionsgutachten in Auftrag gegeben, das als Todesursache „sauerstoffmangelbedingtes Herz-Kreislaufversagen“ benennt. Was dazu geführt habe, sei nicht mehr feststellbar. Eine „unmittelbare tödliche Verletzung“ sei nicht ursächlich. Jedoch weise der Körper „Zeichen stumpfer und schürfender Gewalteinwirkung“ auf. Vom Kopf bis zu den Beinen seien zahlreiche Läsionen und Einblutungen feststellbar, ein Schneidezahn fehle, und die abgebissene Zungenspitze liege „gesondert“ vor.

 

War es Totschlag, fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge oder unterlassene Hilfeleistung? Was hat sich wirklich auf dem Revier zugetragen? Für die Staatsanwaltschaft Oldenburg stellten sich diese Fragen keine zwei Monate später nicht mehr. Das eigens in Auftrag gegebene Gutachten attestiert als Todesursache „Multiorganversagen nach unklarer Genese“. Belastbare Hinweise auf einen fremdverschuldeten Tod hätten sich nicht ergeben. Die Ursache für Qosays Ableben läge nicht im Verhalten der eingesetzten Polizeibeamten. Auch das Ermittlungsverfahren gegen die die Rettungssanitäter wegen unterlassener Hilfeleistung wurde eingestellt.

Die von Qosays Eltern eingelegte Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung verpuffte ebenso.

 

Das Verhalten des Polizisten, der Qosay wegen des Verdachts des illegalen Cannabis-Besitzes attackierte und nach kurzer Flucht überwältigte, war also verhältnismäßig und somit rechtskonform. Es war völlig okay, den kleinen Kiffer mit Pfefferspray fluchtunfähig zu machen und ihm minutenlang das Knie ins Rückgrat zu drücken. Es war kein Fehlverhalten, dem um Luft ringenden und um einen Schluck Wasser bettelnden Qosay die Erste Hilfe zu verweigern, ihn halb bewusstlos zum Einsatzfahrzeug zu schleifen und auf die Polizeiwache zu verbringen, wo er schließlich gänzlich kollabierte und ins Koma fiel, aus dem er nicht mehr erwachte.

 

Ein Jahr ist seit Qosays Tod vergangen, und kaum jemand stört sich daran, dass sich derartige Tragödien jederzeit wiederholen können. Zwar regiert seit einem Vierteljahr eine Ampel-Koalition, die mit dem Wahlversprechen der Cannabis-Legalisierung ans Ruder gekommen ist, aber die Polizei darf weiterhin wegen des Hanfverbots munter Jagd auf unbescholtene und völlig harmlose Bürger und Bürgerinnen machen.

Schon morgen kann der nächste Hanffreund einen gewaltsamen Tod finden, der aus Angst vor Strafverfolgung in Panik gerät und vor der Polizei wegläuft. Wie  anno 2014 in Burghausen, als der 33-jährige mutmaßliche Kleindealer André B. von einem pflichtbewussten Polizeibeamten per Kopfschuss erfolgreich und für immer von der Flucht abgehalten werden konnte.

 

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8 Kommentare
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Substi
2 Jahre zuvor

Bravo! 1:1 einer meiner Kommentare, nur noch ausgeschmückter! Haben wir jetzt schon keine News mehr? Es sind aber auch Fehler im Text, z.B. geschah das in DELMENHORST und nicht etwa in Dettmold, ansonsten ist der Artikel ja richtig! Ich wohne in Oldenburg und kenne den Fall deshalb gut…es hört sich utopisch an und mag zu einem “…sowas geht in D gar nicht…” Ausruf verleiten, aber so ist es passiert und in Bayern passiert sowas ( ich schrieb auch hiervon…) öfter als man denkt! Besonders Oberfranken tut sich dort negativ hervor…
Ansonsten ist an dem Artike ja nichts auszusetzen!
Ps.: Was verdient man als freier mit einem solchen Artikel? Könnt ich auch…

Smile Indica
2 Jahre zuvor

Eine gewissenlose und korrupte Politik und eine Polizei, die charakterlich weniger wert ist, als der Dreck unterm Fingernagel. Potentielle Mörder mit Machtbefugnisen. die einem Verbrechen gleichkommen. Willkommen im Mörder und Unrechtsstaat Deutschland.

Haschberg
2 Jahre zuvor

Die jahrzehntelange Hatz auf Konsumenten einer uralten Heilpflanze zeigt uns klar, dass die pseudochristliche deutsche Politik ihre perfide faschistoide Gesinnung auf willkürlich festgelegte Feindbilder wie “Drogenabhängige” selbst im Jahre 2022 noch immer nicht überwunden hat.
Aber wir werden diesen Politikern von nun an ganz genau auf ihre Finger schauen und ihr schändliches Treiben der Öffentlichkeit offenbaren.

David Raab
2 Jahre zuvor

Was machen wir als Gesellschaft eigentlich? Können Gesetze okay sein wo Menschen drunter leiden die niemanden anderen auser (höchstens) sich selber schaden zufügen? Selbst wenn eine demokratische Mehrheit für ein Verbot wäre, legitimiert das nicht ein Cannabis-Verbot. (Oder generell auch andere Drogen)

(Sorry, wegen Doppelpost, bitte den anderen Löschen)

Ramon Dark
2 Jahre zuvor

Derartige Polizeiübergriffe gibts hierzulande wahrscheinlich schon seit Polizeigründung. Habe das früher vor ca. 45 Jahren schon persönlich öfters erlebt und bin zum Glück mit einem blauen Auge, blauen Flecken, Kratzern und Beulen davongekommen – im Gegensatz zu etlichen krankenhausreifen Freunden. Aber die Brutalität und der Rassismus bei den Bullen hat seitdem eindeutig zugenommen. Und auch schon damals wurde das Opfer zum Täter gemacht und erhielt unabhängig vom tatsächlichen Sachverhalt erst mal grundsätzlich eine Anzeige wegen Widerstand gegen die Staatsagewalt oder gar Landfriedensbruch. Die Kumpanei mit Staatsanwaltschaft und Gerichten hat auch schon existiert, von wegen unabhängige Justiz! Um das zu ändern bräuchte es neben der Legalisierung auch noch eine justiz- und polizeiunabhängige Beschwerdestelle mit weitreichenden Kontroll- und Klagemöglichkeiten. Und vorher fehlt… Weiterlesen »

UngeimpftUndFrei
2 Jahre zuvor

Was hat zur Löschung meines Kommentars geführt?

Meine vom Mainstream abweichende Meinung zu Ukraine, meine Verachtung für alle Genderidioten, mein Benutzername oder meine kritische Haltung zum Impfverbrechen?

Ihr seid nicht besser als das Schweinesystem der Kapitalisten, die gleiche Lügenpresse. Aber nach der Legalisierung, wenn sie überhaupt kommt, seid auch Ihr weg vom Fenster mit Blick auf die Kifferkommunity, genauso wie der DHV.

Wenn Kommunikation unmöglich gemacht wird – vor allem auch in den öffentlichen Hetzmedien – bleibt eigentlich nur noch die Rohrbombe als Kommunikationsmittel, oder?

“Je suis hebdo” heißt es danach dann.

Es geschah denen übrigens zu recht, niemand darf Witze über die Religion anderer Menschen ungestraft machen. Aber nun wissen die es ja.

Substi
2 Jahre zuvor

@ungeimpftUnDdumm
Leute mit Deiner Attitüde sind ja die Hetzer und labern was von “Hetzmedien”! Einfach nur lächerliche Wurstgestalten und leichtgläubige und faschistoide Besserwisser!
Ihr brabbelt immer was von “Diktatur” und “Recht & Ordnung”, aber wenn ihr damit gegen Mauern quatscht heult Ihr rum, daß keiner den Scheiß hören will, der auch nur auf Grundschilniveau denken kann und erkennt was ihr da für unbändigen Blödsinn redet…
Also heul nicht rum und akzeptier die redaktionelle Meinung dieses Forum nicht zu Deinem “Stürmer” zu machen! Setz Dich wieder mit Deinem Kissen an’s Fenster oder geh in’s Gym; kannste Energie los werden!

Zuletzt bearbeitet 2 Jahre zuvor von Substi