Dienstag, 13. April 2021

Für immer in unseren Herzen

Günter Amendt * 1939 – † 2011

Wer war dieser Mann, der zusammen mit drei weiteren Passanten 2011 in Hamburg-Eppendorf Opfer eines von einem Raser verursachten Verkehrsunfalls wurde? Fragt man diese Frage, gibt es heute zehn Jahre später entweder nur ein Achselzucken, oder jene beschämende Nachfrage, ob das nicht der von der Bildzeitung verlachte „Kifferpapst“ war, der von einem „Kiffer“ totgefahren wurde.

Nein, Günter Amendt war nicht nur der von der Springerpresse kreierte linksversiffte Bürgerschreck, der gefährliche Schundschriften publizierte! Vielmehr war der Fein- und Freigeist ein bis ins Mark verdorbener Gutmensch, der das Charisma des Unbestechlichen ausstrahlte und sich mitzuteilen verstand. Im Anti-Drogen-Krieg focht er stets mit offenem Visier. Er entwaffnete seine und unsere Feinde mit gefeilter Rhetorik und messerscharfem Verstand – und das ohne dabei wie seine Widersacher ins Schwitzen zu geraten.

Amendt war immer einer von uns! Nicht einen Tag seines Lebens ist er vom kämpferischen Weg gegen die Drogenlüge abgewichen. Er hat sich stets und überall eingemischt und den Demagogen und Hetzern die Zornesröte in die Hackfressen getrieben. Während sich andere Alt-68er auf die alten Tage vom Saulus zum Paulus wandelten und heute neben einem grünen Parteibuch auch schon mal ein hübsches Portefeuille mit Rüstungsaktien besitzen, begnügte sich Amendt damit, ein ruheloser Querdenker (im guten Sinne) zu bleiben. Haschbruder Günter war keiner, der sich des schnöden Mammons wegen angedient hätte. Vielmehr tingelte er für kleines Geld unaufhörlich von einer Podiumsdiskussion zum nächsten Vortrag, verfasste Bücher, Essays und Hörfunkfeatures. Und wenn er sich mal im öffentlich rechtlichen Fernsehen zeigen durfte, dann präsentierte er auf charmante Weise seinen unerschütterlichen Glauben an eine baldige drogenpolitische Wende.

Amendt war einer, der nur seiner persönlichen Erkenntnis folgte, und das von Kindesbeinen an. Das Erste, womit ihn die Welt begrüßte, war Hunger und Krieg. Das Laufen lernte er auf den Trümmern des Tausendjährigen Reichs. Wie viele Jugendliche seiner Zeit wehrte er sich gegen die Allgegenwart der unzureichend entnazifizierten Vätergeneration, die sich mit einem Persilschein die braune Farbe nur notdürftig abgetupft hatte und längst wieder in Amt und Würde war.
Als anno 1955 in der BRD die tot geglaubte „Deutsche Wehrmacht“ unter dem Tarnnamen „Bundeswehr“ wiederbelebt wurde, um im Kalten Krieg gegen den Sozialismus Gewehr bei Fuß zu stehen, kam der pazifistisch erzogene Günter unweigerlich mit dem Gesetz in Konflikt. Keinesfalls wollte sich der schmächtige Jüngling zum stiernackigen Totschläger deformieren lassen. Wehrdienstverweigerung kam damals noch Vaterlandsverrat gleich. Man will es sich gar nicht ausmalen, welch gewaltigem Druck der junge Mensch seinerzeit ausgesetzt war, wenn man sich die vom Nationalsozialismus verseuchte Gesellschaft der Nachkriegsjahre vor Augen führt.

Mit dem Mut der Überzeugung hielt Amendt auch das aus, absolvierte eine kaufmännische Lehre, holte das Abitur nach und studierte Soziologie, Psychologie und Germanistik. 1964 schrieb er sich an University of California in Berkeley ein und wurde Zeuge des Aufflammens der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die wie eine Epidemie den ganzen Kontinent und auch Amendt erfasste. Vom Hippie-Virus angesteckt kehrte er 1966 nach Westdeutschland zurück. In der Nachbetrachtung drängt sich der Schluss auf, dass Amendt vermutlich jener ominöse „Patient Null“ war, der sofort in Quarantäne gehört hätte. Doch die Transatlantiker der Bonner Republik konnten die Gefahr in Gestalt des langhaarigen Lauspenners, der aus den USA kommend einsickerte, nicht erkennen, denn alle Augen waren voller Angst gen DDR und UDSSR gerichtet.

Zurück im „Vaterland“ tat Amendt alles, um Vater Staat mit Schadsoftware zu infizieren. Er agitierte im „Sozialistischen Deutschen Studentenbund“, war zeitweilig dessen Chefideologe und stand Ostern 1968 an vorderster Front, als Studenten, Hippies und Haschrebellen in einer blutigen Schlacht um ein Haar den Springer-Konzern enteignet hätten. Diese Anmaßung quittierte das Schmutzblattimperium mit einem medialen Vernichtungsfeldzug gegen Amendt, der in einer Schadensersatzklage auf 72.000 D-Mark gipfelte – ein nettes Sümmchen, für das eine Fabrikarbeiterin damals annähernd zehn Jahre hätte schubbern müssen. 1973 nahm der Springerkonzern den Vergleich auf Zahlung von 30.000 D-Mark an, die schließlich eine linke Solidaritätsspendenaktion leistete. Der Witz bei der Sache war, dass der lange Prozess Amendt mehr genutzt als geschadet hat und kostenlose Werbung für seine Bücher war.

Und diese Streitschriften hatten es in sich! Noch heute klingt vielen Männern 60+ der Satz des Pastors in den Ohren, dass nach tausend Schuss Schluss ist. Mit diesem und anderem Unsinn hat Amendt in seinem Skandalbuch „Sexfront“ (1970) rigoros aufgeräumt. „Onaniere so oft, so viel oder so wenig, wie du willst – und solange es dir Spaß macht!“ Solche Sätze kamen an bei unseren damals pubertierenden Großeltern, die plötzlich ein völlig neues und selbstbestimmtes Bewusstsein hinsichtlich der eigenen Sexualität entwickelten – zum Leidwesen der Kirchenfürsten und Sittenwächter, die bis heute Amendts Verführungsschriften verteufeln.

Nachdem Amendt 1972 (ohne fremde Hilfe) promoviert hatte, räumte er nach und nach das Feld der Sexualforschung und beackerte fortan einen anderen Kriegsschauplatz, und zwar den der Drogenpolitik, die er angesichts der vielen Opfer für gescheitert erklärte. Die Forderung nach Abstinenz war in seinen Augen „weder durchsetzbar noch akzeptabel“, sondern nur der klägliche Ausdruck „totalitären Denkens“. Die sozialen, politischen und ökonomischen Auswirkungen des Umgangs mit illegalen psychoaktiven Substanzen bildeten dann auch die Grundlage für die „fröhliche Wissenschaft“ des Dr. phil. Günter Amendt. Mit einer bewundernswerten Penetranz und Lust sägte der Haschbruder am ideologischen Lügengerüst der Anti-Drogen-Krieger, enttarnte getürkte Gutachten und Horrorstatistiken und munterte die Bürger unablässig auf, sich nicht das verbieten zu lassen, was als Heilkraut längst wiederentdeckt ist. „Hasch killt den Stress“, war Amendts Erkenntnis. Wohl zu Recht in Anbetracht der vielen Menschen, die nur noch in großer Eile unterwegs sind und sich darüber in der Zeit verlieren. Amendt trat vehement für eine Verlangsamung des Lebens ein – und wenn’s hilft, auch mittels Hanf. Umso trauriger, dass Amendt Opfer dessen wurde, was unsere tempoberauschte Gesellschaft nur sehr langsam begreift.

Nun denn! Danke für dein Wirken, Günter! Möge uns dein Geist auch weiterhin beseelen! Auf dass uns der Mut nicht verlässt, das kaputt zu machen, was uns kaputt macht!

Wer sich selbst davon überzeugen will, dass Günter Amendt einer unserer Besten war, der schaue hier:
https://www.youtube.com/watch?v=cvfOeSo04fAg

Beitrag von
Sadhu van Hemp

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4 Kommentare
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Ralf
3 Jahre zuvor

Ja, wir sterben langsam aus, und deswegen wird die Zukunft sehr dunkel. Für mich kaum zu glauben dass dieser Mann nur 3 Jahre jünger war als mein braun verklebter Vater. Da hab ich wohl die Arschkarte gezogen was das angeht. Na ja dafür hat mein Sohn jetzt den Joker. RIP Günter.

M. A.Haschberg
3 Jahre zuvor

Dieser Mann, der mit seinen klugen Erkenntnissen seiner Zeit weit voraus war, spricht mir voll aus der Seele.
Wirklich schade um ihn. Wir bräuchten viel mehr solcher edlen Köpfe in unserem verrückten, blindwütigen und Ressourcen vernichtenden Alltagschaos, das uns mehr und mehr den Boden unter den Füssen wegzieht und dem finalen Untergang zutreibt.
Das von Menschen verursachte Coronavirus ist ein wesentlicher Faktor in diesem teuflischen Prozess.
Ausgerechnet die wunderbare Heilpflanze Cannabis, welche uns bedächtig stimmt, zu ökologisch vorsichtigem Handeln animiert und nachweislich gegen die Pandemie hilfreich ist, wird von Staats wegen auf eine wahrhaft besessene Weise unnachgiebig bekämpft.

Otto Normal
3 Jahre zuvor

Viele ehem. 68er entpuppten sich im höheren Alter, wenn mit den Einnahmen auch die Verpflichtungen ansteigen als Wendehälse. Amendt nicht. Joschka Fischer jedoch ist z.B. ein solcher Verräter, aber auch der Prolet Gerhard Schröder nur um zwei zu nennen die mir schon im ersten Augenblick einfallen. Aber gibt noch mehr Früchtchen von der Sorte, viel mehr. Hinzu kommen noch die Wendehälse aus der ehem. DDR bei der Wiedervereinigung zum Großdeutschen Reich unter Kohl. Die Gesellschaft heute ist übrigens nicht viel besser als kurz nach dem Krieg. Kiffer werden auch 70 Jahre später noch verfolgt wie Terroristen. Verfassungsrechte werden mehrfach gebrochen. Das Bundesverfassungsgericht spendet mit seinem unverständlichen “kein Recht auf Rausch”-Fehlurteil, für dessen Begründung Argumente grotesk an den Haaren herbeigezogen wurden,… Weiterlesen »

DIE HANFINITIATIVE
3 Jahre zuvor

[Wohl zu Recht in Anbetracht der vielen Menschen, die nur noch in großer Eile unterwegs sind und sich darüber in der Zeit verlieren. Amendt trat vehement für eine Verlangsamung des Lebens ein – und wenn’s hilft, auch mittels Hanf. Umso trauriger, dass Amendt Opfer dessen wurde, was unsere tempoberauschte Gesellschaft nur sehr langsam begreift.] Ich wiederhole unser Versprechen… auch für Günter Amendt 🙂 🙂 🙂 […] “https://diehanfinitiative.de/index.php/prohibition/14-nur-ein-traum” “http://hanfjournal.de/2016/04/11/howard-mr-nice-marks-im-alter-von-70-jahren-verstorben/#comment-11556” Ja! Wir nehmen die Fahne auf und tragen sie weiter. Versprochen. Ruhe in tiefem Frieden. Ich teile Deinen Traum und Deine Hoffnung und tue das gerne. Träume Du jetzt den ewigen Traum, in der Unendlichkeit, sanft und ohne Schmerz. Mein Beileid für die Familie und Freunde […] https://diehanfinitiative.de/index.php/aktionen/37-supernova PS 2011 habe ich… Weiterlesen »