Freitag, 3. April 2020

Tunnelgeflüster

Wie man im Bunker Gras anbaut, ohne verrückt zu werden


von Grzegorz Brzęczyszczykiewicz

Nachdem ich mein Germanistikstudium erfolgreich abbrach, hatte ich das Glück eine schöne unterirdische Plantage in Oberschlesien begutachten zu dürfen. Erstaunlich ist die Idee schon, dass man in einem etwa 4 km langem Tunnelsystem, welches als Waffen- und Munitionsdepot im Zweiten Weltkrieg diente, einen Raum für 32 Pflanzen zu realisieren in der Lage war. Die erste technische Herausforderung besteht schließlich darin, dass die Kabel und Schläuche so verlegt werden, dass man nicht darüber stolpern kann. Die davor genannten Komponenten sind so lang, weil Strom und Wasser von außerhalb beschafft werden müssen. Man muss daher bedenken, dass man bei jeder größeren Angelegenheit für die Plantage eine gewisse Strecke zurücklegen muss, damit die Infrastruktur aufrecht stehen kann. Die gemütlichsten Momente entstehen, sobald das Essen auf dem Tisch landet und man gemütlich mit der Speisung beginnen kann. Eine Sportzigarette oder einen Bonghead sollte man davor nicht vergessen, sonst wird der Appetit nicht groß genug für das leckere Essen. Nach der köstlichen Verspeisung des Frühstücks, Mittags- oder Abendessens kommt dann der Part, der für grünes Wachstum im Bunker hauptsächlich verantwortlich ist.

Die Kontrolle

Man muss nachprüfen, ob z. B. der pH-Wert der Blumenerde und des gefilterten Wassers stimmt. Da die Ergebnisse zwischen 6,3 und 6,9 lagen, musste nicht viel eingegriffen werden. Bei gesunden Schwankungen kann man auch mit einer gesunden Ernte hinterher zufrieden sein. Der erste Blick auf die Blätter beweist im Allgemeinen, ob man seinen Job richtig macht. Da es genug Ersatzlampen für die LED-Panels gibt, kann auch bei jedem unerwarteten Ausfall sofort die kaputte Lampe ausgetauscht werden. Man checkt im Gang die Schläuche und Kabel, ob sie in einwandfreiem Zustand sind. Wer auf gute Qualität besteht, der muss gebetsmühlenartig die Kontrollen durchführen. Verpasst man diese Kontrollen, kann es zu unerwarteten Überraschung kommen. Sind die Schläuche nicht dicht, kann das die Plantage überfluten und die gesamte investierte Zeit und Arbeitsaufwand wären umsonst gewesen.

Ist die Elektrik und Elektronik nicht richtig angebracht, wird die Pflanze dadurch ihr vollstes Potenzial nicht schöpfen. Ist das Wasser oder die Erde oder der Dünger zu sauer, oder zu alkalisch, leidet die Pflanze darunter auch. Man beschränkte sich hier bewusst auf 32 Pflanzen, da diese noch übersichtlich zu handeln sind. Es sollte genug Zeit für jede einzelne Pflanze vorhanden sein, damit auch das Zeit-Qualitätsverhältnis die richtigen Ergebnisse liefern kann. Durch eine Betrachtungsweise der Pflanze als Schüler besteht die Aufgabe des Growers darin, ein guter Lehrer zu sein. Man sollte keine Noten vergeben, sondern für eine gesunde Lernatmosphäre sorgen, damit jeder automatisch zum Einserschüler wird. Die richtige Sorgfalt liefert immer ein gutes Resultat.

Freizeit und Essen

Nachdem die gesamte Infrastruktur der alltäglich-technischen Analyse unterzogen war, gab es genug Freizeit bis zum nächsten Essen. Die Angebote zwischen Internet, Playstation und Bongkopf waren vollkommen ausreichend, um seinen Job nebenher in Ruhe betätigen zu können. Das Essen wurde in der Regel über das Internet bestellt und dann außerhalb des Bunkers abgeholt. Sollte jedoch Dennis in seiner Pizzalieferantenschicht unterwegs gewesen sein, so konnten wir bei Dennis seiner Pizzeria die Pizza direkt bestellen und ihn mit der Lieferung direkt in den Bunker beauftragen. Nach der Bestellung wurde dann immer eine leckere Tüte oder ein Bonghead angeheizt. Das Dorf, das unweit vom Bunker liegt, hat eine Tankstelle, die 24 Stunden am Tage offen hat und Longpapers verkauft. Von Blättchenproblematik kann hier also nicht die Rede sein, sobald man das richtige soziale Umfeld hat. Jeder Spaziergang zur Tanke kann zu einer unterhaltsamen Reise werden, da bei jeder anderen Sorte, die davor probiert wurde, ein anderes Ergebnis erwartet werden konnte. Falls Zbyszek seinen Dienst an der Tankstellenkasse machte, kann es sein, dass er dann noch Weed für 50 zł kaufen will. Sollte jedoch der Tankstellenchef persönlich seine Arbeit dort verrichten, sind Einkäufe unter 100 zł nicht üblich. Es wird dann in der Regel 50% Sativa und 50% Indica in jeweils zwei Baggies davor verpackt, damit Antek, der Tankstellenchef, was für morgens zum Aufstehen und abends zum Einschlafen hat. Große Marktforschung im Bereich der Kundenzufriedenheit bleibt uns dadurch erspart, wenn das Bunkerweed durch die Jungs von der Tanke gerne konsumiert wird. Da diese Tanke leckere Hotdogs für 5 zł verkauft, zögere ich keine Sekunde bei der Bestellung. Es müssen immer mindestens zwei Hotdogs verspeist werden, bevor ich diese Tankstelle mit glücklichem, trotzdem nicht mit vollem Magen verlasse. Vielleicht bekomme ich dann nach dem Erwerb der Blättchen, des Hotdogs und einer großen Packung Chips die Idee, zum Mittag schlesische Kartoffelknödel mit Roulade und Rotkohl zu essen, bevor ich dann mit der nächsten Growkontrolle beginne.

Bild: Archiv


Nochmals Kontrolle

Der Vorteil der 32 Pflanzen besteht darin, dass die Verlegung in jeweils vier Zellen aufgeteilt, ich pro Zelle nur eine Runde drehen muss. Das heißt, dass sobald ich an 8 Pflanzen meine Analysen abschließen konnte, brauchte ich mich nur nach hinten zu drehen und war damit gleich in der nächsten Zelle unterwegs. Zwei Zellen sind jeweils in Indicas oder Sativas aufgeteilt gewesen. Sobald man sich ein bis zwei Minuten pro Pflanze nahm, waren die Kontrollen der gesamten Plantage von 40 – 50 Minuten Länge die Regel. Nach der Pflanzenkontrolle wurden dann Schläuche und Kabel geprüft. Der Schlauch wurde so verlegt, dass ein Leck auch von der Ferne sichtbar ist und damit sofort behoben werden kann. Einen nassen Boden kann man einfach nicht übersehen. Der Kontrast zwischen trockenem und nassen Betonboden ist zu offensichtlich bei einer Schlauchuntersuchung. Ist die Verbindung zwischen Schlauch und Wasserfilter in einwandfreiem Zustand festgestellt worden, so konnte ich mich danach mit einer Freizeitbeschäftigung bis zum Abendessen vergnügen. Die Möglichkeit zwischen YouTube oder Gran Turismo, Facebook oder Metal Gear Solid waren jederzeit verfügbar nach der Vollendung meiner Kontrollgänge. Falls mich doch die Müdigkeit daran hindern sollte, Laptop oder Flatscreen zu konsumieren, hatte ich die Möglichkeit, mich im Bett hinzulegen, das neben den Pflanzen aufgestellt war. Der Vorteil darin besteht, dass man nach dem Aufwachen mit einem Duft begrüßt wird, den die Knospen am oberen Teil des Gewächses absondern. Es ist so, als ob man in Kontakt zu den Pflanzen steht, ohne dass man dieselbe Sprache spricht – und trotzdem hat man das Gefühl, als würden die Pflanzen auch einen selbst wahrnehmen und umgekehrt. Nachdem man von den Knollen „rhinologisch“ begrüßt wird, kommt dann der Hunger auf ein leckeres Frühstück.

Schon wieder hungrig

Vor dem Kiffen ist auch nach dem Kiffen. Problematisch ist bei dieser Zeit des Frühstücks, dass man um 9:00 Uhr bei McDonalds keinen BigMac bekommt. Ein Eis hilft auch, wenn auch nicht viel. Es lohnt sich nicht zur Frühstückszeit zur Tanke zu gehen, da Hotdogs eher zur Mittags- oder Abendzeit besser schmecken. Im Internet gibt es keinen geeigneten Lieferdienst fürs Frühstück. Nur zum Mittag und Abend. Also bleiben mir zwei Möglichkeiten, die mein Frühstück schmackhaft von der Laufdistanz her machen: der McDonalds, der einen halben Kilometer von der Tanke entfernt ist oder der kleine Laden, für den ich dann noch mal etwa 200 Meter weiter laufen müsste, um mir Brot, Butter und Marmelade holen zu können. Es ist immer eine Frage der Distanz, wie weit weg ich mich von der Plantage entfernen möchte oder muss, um mir ein leckeres Frühstück zu realisieren. Erst ab der Mittagszeit habe ich dann die Möglichkeiten, gutes Essen über das Internet zu bestellen. Man könne sich kaum vorstellen, wie öde und langweilig es hier im Bunker wäre ohne Anschluss ins weltweite Netz.

Das richtige soziale Umfeld regelt richtig

Duschen und Toilettengänge müssen außerhalb des Tunnelsystems erledigt werden, da es dort keine sanitären Einrichtungen gibt. Da der Nachbar Mateusz sowieso bestens von der Sache hier Bescheid weiß, braucht man sich weitere Fragen zu ersparen. Man darf eben nicht vergessen, dass man für die Nutzung des Badezimmers auch seine Miete in grüner Währung ausgleichen kann. Da Mateusz ebenso eine große Fotovoltaikanlage in seinem Garten angebaut hat, braucht man sich über Stromverbrauch und monatliche Stromkosten keine Sorgen zu machen, da die Energieerzeugung autark stattfindet. Sobald von Anfang an daran gedacht wird, woher das Wasser und der Strom herkommen sollten, der muss sich im Klaren sein, dass man ein solches Projekt nicht alleine hochziehen kann. Es braucht immer das richtige Team um sich herum, damit alle Vorgänge des Growprozesses professionell und diskret ablaufen. Die richtige Partizipation der Akteure garantiert einen guten Ertrag für alle. Ist der Ertrag richtig verteilt worden, so kann man in Ruhe darüber nachdenken, ob man beim nächsten Wachstumsvorgang wieder mitmachen möchte. Der Nachteil besteht darin, dass man regelmäßig die Kontrollgänge machen muss, sonst können alle anderen Teilnehmer mit dem Ergebnis zum Schluss unzufrieden werden und die gesamte aufgebaute Konstellation wäre dadurch gefährdet.

Fazit

Die Philosophie des Growens ist, dass jede Pflanze wie eine Wasserquelle der Inspiration wahrgenommen wird, die durch ihre Umwelt sauber gehalten werden muss. Eine Missachtung dieses Grundsatzes kann dazu führen, dass die Armut zurückkommt, obwohl es ebenso ein Ziel der Kiffergemeinde ist, diese zu bekämpfen. Die eingeschränkte Reisefreiheit wird dadurch ausgeglichen, dass alles, was das Kifferherz begehrt, im Prinzip an einem Ort aufzufinden ist. Zusätzlich muss man hinzufügen, dass die Growbauweise in einem Bunker schon etwas Skurriles in sich hat. Man kommt nicht jeden Tag auf die Idee, unterirdisch ein System aufzustellen, was die meisten Züchter eher draußen oder bei sich zu Hause im Schrank aufbauen. Es beinhaltet traumhafte Vorstellungen von bautechnischer Sicherheit, da man dicke und stabile Mauersteine im Untergrund um sich herum hat. Man darf eben nicht vergessen, dass diese dicken Mauersteine auch eine nicht sichtbare Kehrseite haben.

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2 Kommentare
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Sabine
3 Jahre zuvor

phoenix (youtube) – zensiert wieder Kommentare…

Hannes W. Kröger
3 Jahre zuvor

Barneys sind fast alle verreckt!