Montag, 10. Februar 2020

USA: Virginia will Cannabis-Besitz (fast) entkriminalisieren

Virginias Demokratische Partei brüskiert Anti-Cannabis-Hardliner mit Gesetzesentwurf zur Entkriminalisierung von Konsumenten

Cannabis

 

Von Sadhu van Hemp

 

Virginia gehört zu den Bundesstaaten der USA mit den meisten Hinrichtungen. Seit der Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 wurden 113 Todesurteile vollstreckt. Auch sonst geht es in Virginia reichlich gestrig zu – zum Wohle der überwiegend weißen Bevölkerung, die beherzt ihre geerbten Privilegien verteidigt.

Wer diese Vorrechte antastet, bekommt es Virginia schnell mit dem geballten Zorn weißer Wutbürger zu tun – wie Mitte Januar, als der demokratische Gouverneur Ralph Northam vorsorglich den Ausnahmezustand für Richmond erklären musste. Die Waffenlobby hatte zu einem Protestmarsch zum Regierungssitz aufgerufen, da die regierenden Demokraten die Waffengesetze in Virginia verschärfen wollen. Die Angst war groß, dass Waffenfreunde aus dem rechtextremen Milieu während des Aufmarsches ihrem Hass auf alles „Linke“ freien Lauf lassen und wie 2017 in Charlottesville eine Blutspur hinter sich herziehen.

 

In Virginia ticken die Uhren anders. Einerseits will man sich den Kauf von mehr als einer Schusswaffe pro Monat nicht verbieten lassen, anderseits sollen Bürger, die mit einer halben Unze (14,2 Gramm) Cannabis erwischt werden, bis zu 30 Tage ins Gefängnis gebracht und/oder mit einer Geldstrafe von 500 Dollar belegt werden. Beim zweiten Mal kann die Haftstrafe auf bis zu einem Jahr und die Geldstrafe auf bis zu 2.500 Dollar erhöht werden.

Dass die rigorose Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten von der Demokratischen Partei nunmehr auf den Prüfstand gestellt wird, schmeckt den Hardlinern aus dem rechten Lager überhaupt nicht. Wie Springteufel schnellen sie hervor, die Hanfexperten aus Politik, Justiz und Polizei, und schreien Zeter und Mordio. Der Sheriff von Rockingham County hält den Gesetzesentwurf der Demokraten, den Grenzwert für den Eigenbedarf von einer halben Unze auf eine Unze Marihuana zu erhöhen, für „eine schreckliche Idee“ und ein öffentliches Sicherheitsrisiko. Übrigens – ethnisch setzt sich die Community des Rockingham Countys aus 97 Prozent weißen Bürgern zusammen.

 

Dass die Polizei in Virginia auf der Suche nach Cannabis-Straftätern das Racial Profiling bevorzugt, lässt sich angesichts des hohen Anteils afroamerikanischer Strafgefangener, die wegen eines Cannabis-Deliktes einsitzen, kaum leugnen. „Die Zahl der Verhaftungen und Verfolgungen von Afroamerikanern wegen minimalen Marihuana-Besitzes ist dreimal so hoch wie die der weißen Amerikaner“, sagte die Delegierte Charniele Herring, die den Antrag ins Parlament einbrachte.

 

Der Gesetzesentwurf zur Konsumenten-Entkriminalisierung bei geringfügigem Verstoß soll nun den Weg bereiten, um bis 2021 einen Konsens mit den Legalisierungsgegnern zu finden. Die Demokraten planen die Einsetzung eines überparteilichen Komitees, das die Vor- und Nachteile einer gänzlichen Freigabe abwägen und beurteilen soll.

Der Zwischenschritt, Cannabis-Konsumenten vorläufig zu entkriminalisieren, indem sie bei marginalen Zuwiderhandlungen nur noch mit einem Bußgeld zwischen 25 und 50 Dollar belegt werden, stößt jedoch auch auf Kritik. So seien die Konsumenten nach wie vor der Willkür der Polizei ausgeliefert, die weiter kleine Kiffer jagen würde.

 

Wie es auch kommt, die Debatte ist angestoßen, und die Republikaner werden die Gesetzesreform aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verhindern können – trotz der verstärkten Anti-Cannabis-Propaganda. Die Demokraten kontrollieren seit November letzten Jahres beide Kammern der „Virginia General Assembly“, und Gouverneur Ralph Northam unterstützt die Gesetzesinitiative.

Zuletzt kommt die Debatte zur rechten Zeit, da der Wahlkampf um das US-Präsidentschaftsamt ansteht und die Republikaner nicht länger ignorieren können, dass sie mit der Cannabis-Prohibition ein totes Pferd reiten. Mit Virginia schickt sich nun ein weiterer gewichtiger Bundesstaat an, sich etappenweise aus dem War on Drugs zu verabschieden – zum Missfallen von Donald Trump, der das Thema Cannabis im Wahlkampf möglichst kleinhalten will.

 

UPDATE:

Der Gesetzesentwurf wurde vom Abgeordnetenhaus von Virginia mit 64 zu 34 Stimmen verabschiedet und passierte den Finanz- und Haushaltsausschuss mit 12 zu 3 Stimmen. Die Gesetzesnovelle geht nun zur Lesung und Abstimmung in den Senat.

Bei der Abstimmung am heutigen Montag schlossen sich einige Republikaner den Demokraten an.

 

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5 Kommentare
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R. Maestro
4 Jahre zuvor

Im Trump(el) sehe ich eine grosse Gefahr für die Re-Legalisierung.
Es schlägt ihm heftiger Wind entgegen und wenn er beleidigt ist, wird er sicher noch einigen in die Suppe spucken.
Es wird so kommen, mit welchen Auswirkungen auch immer.
Hoffentlich versteckt man dann zumindest den roten Knopf (Atomwaffen) vor diesem Verrückten.

Rainer Sikora
4 Jahre zuvor

Ich nehme an,daß Trump gar nicht soviel gegen eine Legalisierung einzuwenden hat.Vielmehr aber die Republikaner, mit denen er zusammenarbeiten muß.So eine kleine Etappe aus dem War könnten wir gut gebrauchen,und die könnte vielleicht auch erreicht werden.

greenness
4 Jahre zuvor

Das ist das erste Mal (gefühlt), daß ich Rainer Sikora recht gebe. 😉

Ich glaube auch, daß Trump Cannabis letzlich egal ist. Und man kann ordentlich Kohle damit machen. Sowas gefällt dem.

Man sollte dabei auch nicht vergessen, daß sich über 60% der amerikanischen Bevölkerung für eine Legalisierung à la California, Colorado etc. aussprechen.

Ralle
4 Jahre zuvor

Empfehle dem Autor folgendes Video https://www.youtube.com/watch?v=UOhigquDr8I&t=93s

Greenkeeper
4 Jahre zuvor

Man sollte nicht außer Acht lassen, dass nicht wenige Republikaner die Legalisierung befürworten. So borniert wie in Deutschland ist das politische Gefüge in den USA längst nicht.