Sonntag, 8. Dezember 2019

Fahrerlaubnisrecht ist Unrecht für Cannabiskonsumenten

Von Sadhu van Hemp


Die Rechtspraxis, Verkehrsteilnehmer, die bei einer Kontrolle positiv auf THC getestet werden, automatisch aufzufordern, die charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen durch die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens nachzuweisen, ist selbst in Fachkreisen hoch umstritten. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im April 2019 entschieden, dass ein sofortiger Fahrerlaubnisentzug bei der ersten Rauschfahrt eines Gelegenheitskonsumenten rechtswidrig ist, jedoch dürfen die Führerscheinstellen weiterhin die Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers anzweifeln.

Konkret bedeutet das, dass sich der Betroffene einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen hat, um nachzuweisen, dass er über das nötige Trennungsvermögen zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs besitzt. An der Praxis der Fahrerlaubnisbehörden, bei schwerwiegenden Verkehrsverstößen die Fahreignung zu überprüfen, ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Die Anordnung zur MPU wird in der Regel durch Tatsachen begründet. Wer beim Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille erwischt wird, erfüllt durchaus alle Voraussetzungen für eine Überprüfung der charakterlichen Eignung. Gleiches gilt für Kraftfahrer, die wegen ihrer Fahrweise im Kraftfahrtbundesamt mehr als acht Punkte angesammelt haben. Dass Raser und Rüpel gemaßregelt werden müssen und ggf. aus dem Verkehr zu ziehen sind, ist breiter gesellschaftlicher Konsens.

Doch ob es auch Konsens ist, Cannabiskonsumenten auf eine Stufe mit der obengenannten Klientel zu stellen, darf durchaus infrage gestellt werden. Vielmehr wäre es im Sinne der Gleichbehandlung, eine ähnliche Toleranz wie bei Alkoholkonsumenten zu gewähren. Der derzeitige Grenzwert von einem Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) je Milliliter Blutserum kann bei Gelegenheitskonsumenten bereits nach dem Genuss von einem Joint überschritten werden – und das noch nach mehreren Stunden und sogar Tagen. Dabei ist wissenschaftlich längst belegt, dass bereits nach wenigen Stunden kaum mehr verkehrsrelevante Beeinträchtigungen anzunehmen sind. Verkehrsexperten forderten bereits 2015 eine Anhebung des Grenzwertes auf 3,0 Nanogramm THC. Zudem bezweifelt die Wissenschaft, aus dem Nachweis geringer THC-Spuren im Blut ableiten zu können, ob ein Kraftfahrer berauscht am Steuer gesessen hat oder nicht. Eine exakte zeitliche Bestimmung der Fahruntüchtigkeit wie bei Rauschfahrten unter Alkoholeinfluss kann bei Cannabiskonsumenten nicht verlässlich vorgenommen werden.

Nüchtern betrachtet sind die Daumenschrauben, die das Fahrerlaubnisrecht den Cannabiskonsumenten anlegt, schweres Unrecht. Ob jemand regelmäßig oder gelegentlich am Joint zieht, ist dabei ohne Belang. Ob einmal, zweimal oder dreimal – eine MPU droht so oder so, sogar ohne Verkehrsbezug, wenn der ertappte Hanfsünder eine Fahrerlaubnis besitzt oder erwerben will. An dieser Rechts- und Verwaltungspraxis wäre grundsätzlich nichts zu beanstanden – in einem Unrechtsstaat. Doch die Bundesrepublik gibt vor, ein Rechtsstaat zu sein. Der oberste Grundsatz der Verfassung lautet, dass das Recht auf Gleichheit zu achten hat. Tut es aber nicht, das gute Recht. Denn dann müssten Kraftfahrer, die erstmalig bei einer Rauschfahrt unter 1,6 Promille erwischt werden, ebenso eine MPU absolvieren und einen Abstinenznachweis beibringen. Doch statt Gleichheit herrscht Ungleichheit – und das weit über das Fahrerlaubnisrecht hinaus. Die Ungleichbehandlung von Cannabiskonsumenten findet in vielen Bereichen statt, u.a. in der Sportwelt, die Cannabis-Konsum als Doping ahndet. Auch gänzlich unbescholtene Cannabispatienten haben mit Behördenwillkür zu kämpfen, wenn ihnen beispielsweise wegen charakterlicher Nichteignung der Waffenschein entzogen bzw. verwehrt wird. Die Rechtspraxis der Fahrerlaubnisbehörden, bei Cannabiskonsumenten per se die charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen anzuzweifeln, ist ohne Wenn und Aber ein skandalöses Unrecht, das es vorrangig zu beseitigen gilt.

Eine sofortige MPU-Anordnung stigmatisiert und bedroht Abertausende Fahrerlaubnisbesitzer, die sehr wohl zwischen Cannabiskonsum und Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr trennen können – obwohl sie am Vorabend einen Joint geraucht haben. Überdies ist es eine ungeheuerliche Anmaßung des Staates, mit der generalpräventiven Sofortmaßnahme der MPU Cannabiskonsumenten zu Abstinenzlern umerziehen zu wollen.

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9 Kommentare
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Shenko
4 Jahre zuvor

In Deutschland wird sich solange nichts ändern bis Luxemburg legalisiert hat und ein paar Jahre ins Land gezogen sind, sagen wir mal so 3-4 Jahre und dann wird bei uns angefangen sich gedanken zu machen wie die Legalisierung bei uns aussehen könnte. Danach wird es nochmal 2-3 Jahre dauern bis das dann mal umgesetzt ist.

R. Maestro
4 Jahre zuvor

Unsere Bundesregierung sollte sich an der eigenen langen, pinocchiohaften Nase fassen, bevor sie andere Staaten (z. B. die ehem. DDR), als Unrechtsstaaten diffamiert!

Die Vorgehensweise bzgl. Führerscheinrecht ist eine Frechheit und durchgängig asozial!

Rainer Sikora
4 Jahre zuvor

Ich habe mich mit dem Entzug des Führerscheines arrangiert.Füße,Fahrrad,Bus und Bahn,so wie es die Politik neuerdings will.Auf keinen Fall gebe ich denen,was die wollen.Zu Kreuze kriechen und abstinent um die Wiedergabe betteln und das ganze auch noch bezahlen.Ein gewisser Grad an Wut bleibt trotzdem.Aber ich bin ja der schuldige Verbrecher.hätte ja nicht konsumieren brauchen,heißt es dann.

robin Pfeiffer
4 Jahre zuvor

Nein mit 1,6 promill fahre ich auch nach 6 Std noch nicht da hat man immer noch 0,8 oder mehr…… Ist aber egal wie viel ich rauche nach max 6 Std ist mann wieder nüchtern Wenn mann sich dazu die aktive Werte mal genauer ansieht sieht mann das nach direktem Konsum ein Wert von über 150 nanogram erreicht, dieser aber innerhalb von 4-6 Stunden unter den schwell Wert von 35 nanogram fällt sollten wir eine Regelung bzw gesetzliche Regelung haben die es erlaubt bei einem Wert von 40-50nanogram entspricht ca 0,3-0,5 promill Auto zu fahren bzw ein Kfz zu bewegen…. Es gibt genug dennen der Führer Schein genommen wurde wegen 2 oder 3 nanogram im Blut…. Und das obwohl sie… Weiterlesen »

Harald
4 Jahre zuvor

@ Maestro, Rainer
Unsere Regierung besteht aus Staatsverbrechern, was wollt ihr von dieser hochkriminellen Truppe anderes erwarten als kriminelle Entscheidungen?

Johannes
4 Jahre zuvor

Die Ungleichbehandlung kann ich bestätigen. Einem Freund von mir wurde in Bayern ebenfalls der Führerschein entzogen, weil er einen Tag zuvor einen Joint geraucht hat, und von der Polizei bei einer Verkehrskontrolle überprüft wurde. Die Führerscheinscheinstelle hat ihn daraufhin einbestellt um ihnen seine Fahrerlaubnis zu entziehen. Das krasse kommt aber noch: Die selbe Führerscheinstelle, hat einem anderen Kraftfahrzeugführer der mit Amphetamin im Blut am Steuer saß, nach einer Anhörung nur mündlich verwarnt. Hier in der Stadt ist übrigens bekannt, das der Amphv.-Sünder ein rhetorisches Redetalent ist .. der hat die Beamten einfach um die Finger gewickelt, und damit auch noch geprahlt. Mein Freund verzichtete die Beamten darauf anzusprechen, weil er weitere Repressalien fürchtet, und nicht als Denunziant gelten will. Und… Weiterlesen »

Ralf Med
4 Jahre zuvor

In dieses Thema passt auch mein Kommentar, den ich gerade im neuen DHV Video gepostet habe: Ein wenig mehr in der Psychologie angewandt, weiß man natürlich was die Körpersprache, Arme verschränken von Frau Ludwig; bedeutet: Nichts an sich herannlassen, i.d.F. Wahrheit über Hanf ! Das spätestens nach ca. vier Stunden ein – der “Rausch” = psychoakive Wirkung, nach Einnahme von Hanf – metabolischer Stoffwechsel stattgefundenn hat, und dass man wieder deutlich Klar ist ! Unterschiede gibt es bei regelmäßiger Anwendung, dann geht dieser Vorgang noch schneller vonstatten ! Trotz der Zeit mittlerweile, etliche Wochen schon bis jetzt, weiß Frau Mortler, ähm, gemeint natürlich Frau Ludwig, noch nicht, dass die Abbauprodukte=Metaboliten zwar lange im Blut nachweisbar sind, aber psychoaktiv nicht mehr… Weiterlesen »

Fred
4 Jahre zuvor

Diesem Artikel kann man nichts hinzufügen. Kompliment, passt !

Otto Normal
4 Jahre zuvor

Guter Artikel!

Die Prohibition ist ein Verbrechen mit >1.000 Todesopfer pro Jahr nur in Deutschland.

Die deutschen Waffenlieferungen in alle Welt – auch in Krisengebiete – sind ebenfalls ein Verbrechen mit unzähligen Todesopfern in aller Welt.

Brandschutzverordnungen werden mißbraucht um unliebsame Baumhäuser räumen zu lassen. Der Mißbrauch wurde, z.B. in NRW als es um die Braunkohle ging, von MP Laschet (CDU) in aller Öffentlichkeit sogar zugegeben. Hin und wieder hilft die Brandschutzverordnung auch Immobilienhaien dabei Mietwohnungshäuser zwangs zu räumen. Machtmißbrauch wo man nur hinsieht.

Wen wundert es da noch daß auch das Verkehrsrecht (als Ersatzstrafrecht) mißbraucht wird?

Unser “rechtsstaatliche Demokratie” ist nur eine Illusion… Neudeutsch: ein FAKE… und im Gegensatz zu Karneval ganzjährig.