Dienstag, 1. Oktober 2019

Nutzhanf ist Cannabis und somit nicht verkehrsfähig

Halbzeit im Schauprozess gegen die Eigner der Braunschweiger Hanfbar

 

 

Sadhu van Hemp

 

 

Vorab die gute Nachricht: Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ist weiter untätig geblieben und hat nicht zum ganz großen Schlag gegen die nationale Nutzhanfkriminalität ausgeholt. Nachdem Polizeikampftruppen im Sommer 2018 insgesamt dreimal die Geschäfte der Hanfbar gestürmt und ausgeplündert hatten, stand eine bundesweite Generaloffensive gegen alle Anbieter von Nutzhanfprodukten zu befürchten. Doch dazu fehlte der Staatsanwaltschaft offensichtlich der Mut, obwohl sie verpflichtet ist, gleiches Recht für alle anzuwenden.

 

Und so kam es nicht zu einer Verhaftungswelle, die in der Nachkriegsgeschichte der Deutschen einmalig gewesen wäre. Grund für die Untätigkeit könnte dem Umstand geschuldet sein, dass es in Deutschland zu wenig Gefängnisplätze bzw. keine Straflager gibt, um mal eben weit über 100.000 Nutzhanfdealer wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr in Untersuchungshaft zu nehmen. Die Drogeriemogule Dirk Rossmann und Götz Werner samt Belegschaft wurden nicht wie einer der beiden Hanfbar-Betreiber in Eisen gelegt, obwohl es rein rechtlich zwingend erforderlich gewesen wäre. Zwischen einer Drogeriemarktkassiererin, die Kinder mit Cannabis-Drops anfixt, und einem Hanfladen-Betreiber, der Senioren Hanfblütentee offeriert, besteht kein Unterschied: Beide sind nach deutschem Rechtsverständnis Cannabis-Straftäter und gehören wie Mörder, Vergewaltiger, Räuber und Schläger hinter Schloss und Riegel.

 

Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft misst mit zweierlei Maß, und der Verdacht kommt auf, dass die Hanfbar-Eigner Marcel Kaine (28) und Bardia Hatefi (36) als Sündenböcke vorgeführt werden sollen, um ein Exempel zu statuieren. Am 12. September startete das Landgericht Braunschweig das Strafverfahren gegen die beiden Hanfbarmänner wegen des Verdachts des unerlaubten gewerbsmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln – obwohl jedes Kind weiß, dass Nutzhanfblüten zur Betäubung nicht taugen. Dass das Gericht dennoch die Anklage zulässt und verhandelt, weckt böse Erinnerungen an Zeiten, als in Deutschland noch Schauprozesse aufgezogen wurden, um unter Missachtung aller rechtsstaatlichen Prinzipien missliebige Personen kaltzustellen und eine abschreckende Wirkung auf andere zu erzielen. Bei Rossmann und dm scheint die Botschaft bereits angekommen zu sein, denn beide Drogeriemärkte haben ihre Cannabis-Produkte aus dem Sortiment genommen.

 

Der anrüchige Aktionismus von Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die Hanfbar ist ohne Wenn und Aber ein Justizskandal. Das Motiv der Ankläger, nicht die Großen, sondern die Kleinen vor den Kadi zu zerren, ist unlauter. Beleg dafür sind die völlig überzogenen Großrazzien, die wie Anti-Terror-Einsätze durchgeführt wurden und Passanten und Betroffene ängstigten und schockierten. Trotz allem – noch ist Deutschland ein Rechtsstaat und Justizwillkür stößt an ihre Grenzen, wenn sich die Opfer nicht beugen und alle Rechtsmittel ausschöpfen.

 

Der erste von vier angesetzten Verhandlungstagen begann mit der Verlesung der Anklageschrift, in der detailliert aufgerechnet wurde, wie viel Hanfblütentee zu welchem Preis in den beiden Läden sowie im Internet verkauft wurden. Der THC-Gehalt des beschlagnahmten Nutzhanfes lag zwischen 0,07 bis 0,65 Prozent. Der Erlös aus dem Verkauf soll rund 50.000 Euro betragen haben. Die Staatsanwältin sprach von einer „nicht unerhebliche Einnahmequelle“, die den Angeklagten „zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes“ gedient habe. Ihnen sei bewusst gewesen, dass der Handel mit Cannabis nicht erlaubt ist.

Die Beschuldigten, die im Vorfeld angekündigt hatten, notfalls bis vor den Bundesgerichtshof zu ziehen, schwiegen zu den Vorwürfen und ließen über ihre Anwälte wissen, dass sie sich gegebenenfalls zu gegebener Zeit äußern werden.

 

In der Verhandlungspause holte die Verteidigung zum Gegenschlag aus und erstattete ihrerseits Strafantrag – gegen die Staatsanwaltschaft. Anwalt Jan-Robert Funck beklagte, dass ihm keine Informationen vorlägen, ob gegen weitere Hanfteehändler Ermittlungsverfahren liefen: „In jedem Reformhaus, Teeladen, Bioladen und in vielen Drogerien kann man Hanftee kaufen. Die Großanbieter mit Millionenumsätzen, die tonnenweise mit dieser Ware handeln, scheinen die Staatsanwaltschaft aber nicht die Bohne zu interessieren.“ Für Funck ist die Untertätigkeit der Staatsanwaltschaft Strafvereitelung im Amt.

 

Letzten Freitag wurde der Prozess im Landgericht Braunschweig fortgesetzt. Vernommen wurden mehrere Zeugen und Sachverständige, darunter auch eine Chemikerin des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Expertin sagte aus: „Cannabis ist ein nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel.“ Dies sei unabhängig vom THC-Gehalt und gelte somit auch für Nutzhanf.

Anwalt Funck äußerte Zweifel an der Aussagekraft der Expertise der Bundesbeamtin und würde diese gerne vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen. „Wir wollen Rechtssicherheit. Das Gesetz ist 25 Jahre alt und entspricht weder der heutigen Realität noch dem aktuellen wissenschaftlichen Stand“, erklärte Funck und überreichte dem Gericht einen entsprechend vorbereiteten Normenkontrollantrag zur Vorlage beim Bundesverfassungsgericht. Nun obliegt es dem vorsitzenden Richter Bohle Behrendt darüber zu befinden, ob Zweifel an der Verfassungskonformität des Cannabis-Verbots bestehen und der Antrag in Karlsruhe einzubringen ist.

 

Der nächste Verhandlungstag findet am 10. Oktober statt – und Prozessbeobachter sind zugelassen. Neben der Anhörung der ermittelnden Polizeibeamten soll auch ein Sachverständiger darüber Auskunft geben, inwiefern durch den Konsum des sichergestellten Hanftees ein Rauschzustand herbeigeführt werden kann. Das Urteil wird für den 17. Oktober erwartet.

 

 

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21 Kommentare
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André B.
4 Jahre zuvor

Oh man ….. wie unglaublich lächerlich und traurig das Ganze eigentlich ist und was das den Steuerzahler wieder alles kostet! Man kommt sich wirklich vor wie im Mittelalter bzw. ganz heftig an die Zeiten der Inqusition erinnert. Bitte endlich aufhören damit !!!!!!!!

André B.
4 Jahre zuvor

Es wäre meiner Meinung nach für die gesamten Aufklärungsbemühungen rund um Cannabis sehr förderlich, wenn von allen Seiten die sich damit beschäftigen und Studien oder Informatives dazu veröffentlichen etc. IMMER wieder darauf hingewiesen werden würde, das Cannabis eben NICHT gleich Cannabis ist!!! Die Aussage Cannabis bewirkt das oder Cannabis hat die und die Wirkungen oder Gefahren, ist aus wissenschaftlicher Sicht schlicht irreführend, falsch und damit im Bezug auf alle Legalisierungsbemühungen in seiner Verwendung kontraproduktiv. Da das heute noch gültige Verbot zu großen Teilen nur auf mögliche Gefahren durch die Wirkungen durch THC begründet ist, wäre es in meinen Augen ungemein wichtig immer wieder und wieder darauf hinzuweisen, das der größte Teil der gemachten Aussagen NUR für spezifische Cannabissorten mit ihren… Weiterlesen »

R. Maestro
4 Jahre zuvor

Traurig, traurig so etwas.

Da soll es dem dümmsten nicht langsam dämmern, dass es nicht um THC, nicht um Rauschmittel geht?!

SO etwas sollte die effektheischerische Presse breittreten und laut verkünden!

Wer ist denn dort am Gericht zugange, Nachfahren Freislers?

woewe
4 Jahre zuvor

eine Chemikerin des BfArM sagte aus: „Cannabis ist ein nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel.“ Dies sei unabhängig vom THC-Gehalt und gelte somit auch für Nutzhanf.<<

Ist sie Theologin und nicht Chemikerin?

Solche Wandlungen wie hier von einer Btm-freien Pflanze zu einem “nicht verkehrsfähiges Btm“ gibt es sonst nur in der katholischen Lehre, da wandeln sich im Abendmahl, speziell in der Eucharistie, Brot und Wein zu …, aber hier sind wir vor einem profanen Gericht und interpretieren eine profane Gesetzgebung und da kommt die Chemikerin mit solchen mystischen Transsubstantiations-Lehren?

http://www.kathpedia.com/index.php/Transsubstantiation

HANS Meyer
4 Jahre zuvor

Alles mit der Begründung man könne ja aus 1 Kilo Nutzhanf mit speziellen Verfahren berauschendes THC herraus destilieren. Das gewonnene THC würde bestimmt für ein paar Joint reichen. Kostenpunkt mehrere Tausend Euros.
Das macht keinen Sinn! Aber weil es möglich wäre wird es ein mildes Urteil mit Bewährung geben. Die konfiszieren 50000 € gehen an die Staatskasse.

Harald
4 Jahre zuvor

Wenn man sonst keine Erfolgserlebnisse hat, wie das bei der Wichstruppe der Fall ist, muss man sich eben auf freie Bürger stürzen und versuchen, diesen ans Bein zu pinkeln. Soziopathen im “Erfolgsmodus”!!!!!!!

Fred
4 Jahre zuvor

Korinthenkackerei der Behörden ! Weil im Btmg alles was aussieht wie Cannabis auch wie Cannabis behandelt wird, findet mal wieder ein Prozess statt, den es nie und nimmer geben dürfte. Dieses Gesetz gehört in die Tonne. Das ganze ist so unlogisch und damit ungerecht, das man den Eindruck haben könnte, dass das ganze von ein paar Saufköppen am Stammtisch zu Papier gebracht wurde. Kompliment übrigens an die Anwälte. Juristisch gegen die Staatsanwaltschaft vorzugehen, ist absolut richtig und angebracht. Das gilt übrigens für jeden, der wegen so einem Schei…. mit dem Gesetz in Kontakt kommt. Jedes auch noch so kleines Fehlverhalten der Beamten anzeigen, wenn es auch selten für eine Verurteilung reicht. Es macht Arbeit, es macht Stress und beim nächsten… Weiterlesen »

Rainer Sikora
4 Jahre zuvor

Drogenmafiaboss Rossmann? Das geht gar nett.

dkong
4 Jahre zuvor

Einer der Angeklagten hat nen Ausländisch klingenten Namen(Bardia Hatefi) ?

Da wird doch wohl nicht etwa Rassismus der Wahre Grund sein ?

James Hemp
4 Jahre zuvor

Also – für mich persönlich – ist der gesamte Cannabis-Komplex in einer Art Staffelfinale und ultra spannend. Alles ist möglich! 😀

Fred
4 Jahre zuvor

@James Hemp

Sehe ich exakt genauso.

Grummel
4 Jahre zuvor

Man könnte wetten das die Betreiber verurteilt werden. Schöne Medien Aufmerksamkeit. Denn Cannabis ist ja verboten und die tolle Staatsmacht Macht alles richtig.

Leider wird das so kommen obwohl es nur nutzhanf ist.
Achja… Der Richter hat gute Freunde in einschlägigen Parteien und bisher immer so geurteilt

greenness
4 Jahre zuvor

Diese Verhaftungen haben nicht deswegen nicht stattgefunden, weil es zu wenig Gefängnisplätze gibt oder zu teuer wäre, sondern weil es zu große Wellen geschlagen hätte und der ahnungslose Teil der Bevölkerung noch viel mehr mitbekommen hätte, was da eigentlich (schon seit zig Jahren) abläuft. Mal die hypothetische Frage, warum beispielsweise der Hans Söllner nicht einfach als “notorisch Krimineller” weggesteckt wird? Den 4-5 mal mit irgendetwas in der Tasche zu erwischen, muß doch machbar sein!? Weil so etwas in der Öffentlichkeit ein Echo erzeugen würde, das noch viel mehr Leute zum Hinschauen und vielleicht Verstehen bringen würde. Wenn sich da dann noch die Erkenntnis dazugesellt, daß das, was eben genau dieser Hans Söllner macht, u.a. in Kalifornien (Hollywood, Google, Apple, HP… Weiterlesen »

Torsten
4 Jahre zuvor

es wird Zeit dass sich endlich was ändert!

join
4 Jahre zuvor

es wird sich ändern selbst die neue die daniela will nen neu start wenn unsere großen lobbyisten jetzt kein sch…bauen und wir kleinen ENDLICH aufhören können soviel angst haben zu müssen fangen die eigentlichen disskusionen doch erst an und dann wirds richtig spannend für alle beteiligten… der neandertahler ist ja auch irgendwann ausgestorben 🙂 zufall oder richtig so… wer weiß

Dampf
4 Jahre zuvor

Wenn man bedenkt das man aus 5 ha Hanf das X Fache an Zellulose wie aus 5 ha Wald gewinnen kann ist das bei der Schädigung des deutschen Waldes ne harte Nummer

join
4 Jahre zuvor

4x soviel ist glaub ich richtig und unser toller deutscher wald besteht zum größten teil auch nur aus industrieholz UND man kann ihn nicht mal rauchen..haha…

Harald de Lamotte
4 Jahre zuvor

So einen Arbeitseifer würde ich mir bei der Faschistenverfolgung mal wünschen.
Das Problem der deutschen Justiz ist:
“Faschisten verfolgen keine Faschisten”
Statt dessen werden friedliche und soziale Menschen drangsaliert, gemobbt und weggesperrt.
Der einzige Unterschied in der Rechtsprechung zu 1938, sind fehlende Konzentrationslager.

Otto Normal
4 Jahre zuvor

Aus der Sicht der Prohibitionsfaschisten ist die Sache eigentlich logisch. Cannabis ist Cannabis ganz gleich welches. Wir erinnern uns: Im 3. Reich galt Jude = Jude egal wieviel von den bösen Genen drin stecken. Ein Urururururururgroßvater aus der Steinzeit der jüdisch war reichte völlig aus für die Gaskammer. Die gleichen Leute (nicht dieselben denn die sind schon in der Hölle) die damals im 3. Reich die Verbrechen begangen sind auch die die heute einen Vernichtungskampf gegen Cannabis betreiben. Die Huren die an Krieg + Verfolgung/Vernichtung verdienen gab es ebenfalls damals schon: z.B. Krupp oder I.G.-Farben Auch heute gibt es solche Kriegs-Gewinnler z.B. Dr. Thomasius und politisch Veranwortliche wie die ehem. Drogenbeauftragte Marlene Mortler die bisher für ihre Verbrechen nicht zur… Weiterlesen »

Tom
4 Jahre zuvor

“Hopfen (Humulus) ist eine Pflanzengattung aus der Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae).”

Also Fr. Staatsanwältin; auf gehts und walten sie ihres Amtes. Aber bitte nicht so selektiv wie bisher. Entweder richtig oder gar nicht (Art. 3 Abs 1 GG). Und immer im Hinterkopf behalten: Auch nach einer erfolgreich abgeschlossenen Lehre heißt die Devise – Bildung, Bildung, Bildung. Sonst kommt so ein Quatsch wie bei dieser Verhandlung raus.