Mittwoch, 30. Januar 2019

Angewandte Ethnobotanik

Heimische psychoaktive Kräuter: Ginster

Text von Markus Berger

Die Cytisus-Spezies (Synonym: Genista) sind bis zu zwei Meter hohe, ausdauernde und wenig beblätterte Sträucher aus der Familie der Leguminosae (Hülsenfruchtgewächse), welche wiederum den Fabaceae (Schmetterlingsblütengewächse) untergeordnet sind. Die Pflanzen haben grüne, rutige, gerillte Zweige und kleine grüne Blätter, eine große gelbe Blüte sowie eine dunkelbraune Fruchthülse. Die ungefähr 50 Spezies umfassende Gattung stammt aus der alten Welt. Etwa 30 Arten sind in Europa beheimatet. Der Ginster blüht von Mai bis Juli an sonnigen und trockenen Stellen auf sandig-erdigem Substrat. Oftmals im Föhrenwald, häufig auch als Zierpflanze in Gärten. In Deutschland ist der Besenginster ganz besonders verbreitet. Die Vermehrung geschieht vegetativ (per Steckling) oder generativ (mit Samen). Samen im Januar vorkeimen und pflanzen. Die Cytisus-Arten, abgesehen von den bei uns heimischen natürlich, vertragen keinen Frost.

Bekannte psychoaktive Ginserarten sind der Besenginster Cytisus scoparius (Synonym: Sarothamnus scoparius), der Kanarische Ginster Cytisus canariensis und der Südliche Ginster Cytisus australis. Ebenfalls psychotrop wirksam sind der Goldregen Cytisus laburnum, der mittlerweile der Gattung Laburnum ( Laburnum anagyroides) zugeordnet wurde, und Cytisus alpinus, der ebenfalls heutzutage Laburnum alpinum genannt wird.


Andere Ginster-Gattungen

GEATTUNG                SPEZIES            TRIVIALNAME


Genista                    Genista tinctoria L.         Färberginster


Genista germanica L. Deutscher Ginster


Genista pilosa L.             Haarginster


Genista radiata (L.) SCOP.     Kugelginster


Spartium    Spartium junceum L.   Spanischer Ginster


Ulex                    Ulex europaeus L.         Stechginster


Geschichte


Die in Europa beheimatete Ginsterart Cytisus scoparius, der Besenginster, war schon Dioskorides bekannt. Hildegard von Bingen vermerkte den Ginster als Heilpflanze, die ‚Sarothamni scoparii herball’ oder ‚Spartii scoparii herball’genannt wurde. Von dieser Bezeichnung leitet sich der Name Spartein für einen Inhaltsstoff der Cytisus-Arten ab. Publius Vergilius Maro, Autor der Hirtengedichte, der 70 bis 19 vor unserer Zeitrechnung lebte, kannte Genista germanicum schon. Alle Arten haben ihre spezielle Historie, so auch der Kanarische Ginster Cytisus canariensis.

Laut Rätsch wurde die Verwendung des Gewächses als Psychoaktivum von einem Yaqui-Schamanen während eines Peyoterituals entdeckt. Seine Vision zeigte ihm die Ginsterblüten und gab ihm ein, diese zu rauchen. Seitdem gebrauchen die Yaqui die Pflanze rituell. Der Ethnopharmakologe mutmaßt weiter: „Vielleicht war [Cytisus canariensis] bereits eine Ritualpflanze der Guanchen, der kanarischen Ureinwohner, die im 15. Jahrhundert noch steinzeitlich lebten und die Große Göttin (Tara) in ausgemalten Ritualhöhlen verehrten (…). Durch den Sklavenhandel gelangten viele Pflanzen von den Kanaren in die Neue Welt, mit ihnen vielleicht auch der Gebrauch von Ginster als Rauschmittel“ (Rätsch 1998: 190). Ginsterblüten werden außerdem in den Vereinigten Staaten als Tabakersatz geraucht. Offenbar entdeckten die Menschen vor einiger Zeit, dass Schafe Cytisus-Arten genießen und nach Einnahme des Krauts auffällige Verhaltensweisen an den Tag legen und taten es ihnen darauf gleich. Aus dem Reisig des Ginsters wurden früher Besen hergestellt, auch sollen die Hexenbesen aus der Pflanze gefertigt worden sein. Von dieser Tradition leitet sich der Name Besenginster (für Cytisus scoparius) ab. Schon in der Neuzeit verwendete man Ginster-Blätter und -Blüten als Bierzusatz und als Aphrodisiakum. Blüten des Besenginsters werden in der traditionellen Medizin als Blutreinigungsmittel und Diuretikum benutzt.

Psychoaktive Prinzipien und andere Inhaltsstoffe

Das Hauptalkaloid der Ginsterarten ist Cytisin, wobei nicht alle Arten das gleiche Inhaltsstoffvorkommen aufweisen. Der Besenginster Cytisus scoparius scheint kein Cytisin zu enthalten, dafür aber die Alkaloide Spartein, Sarothamnin und Genistein in Kraut und Samen sowie Tyramin und andere Phenethylamine in den Blüten.

Cytisus canariensis enthält Cytisin und andere Alkaloide, Cytisus australis, Gensita germanica, Spartium junceum, Laburnum alpinum (Cytisus alpinus) und Laburnum anagyroides (Cytisus laburnum) sind ebenfalls Cytisin-Lieferanten. Letztgenannter enthält außerdem die Alkaloide Laburnin, Laburnamin, N-Methylcytisin und Hydroxynorcytisin. Bei Genista tinctoria konnten neben Cytisin auch Methylcytisin, Spartein und das mit Lupanin eng verwandte Anagyrin aus dem Kraut isoliert werden. Genista piloso enthält neben Cytisin die Lupinalkaloide Spartein, Retamin, Anagyrin und Genistin. Leider sind für die sonstigen Ginsterpflanzen nur ungenaue Literaturstellen verfügbar. So heißt es, dass viele Arten neben Cytisin und Spartein die Alkaloide Anagyrin, Lupanin, Lupinid und N-Methylcytisin enthalten.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die kulturhistorisch wichtige Meskalbohne, botanisch Sophora secundiflora genannt, die in Texas und New Mexico beheimatet ist und Cytisin, N-Methylcytisin und Spartein sowie weitere Inhaltsstoffe behebergt. Schon Victor Reko berichtet 1938: „Der eigentlich wirksame, berauschende Bestandteil der Sophorabohne ist das Alkaloid Sophorin (identisch mit Cytisin, auch Ulexin genannt), das sich in einer ganzen Anzahl von Pflanzen, unter anderen auch in unserem heimischen ‚Bohnenbaum’, dem ‚Goldregen’, findet, dessen Blätter und Blüten schon wiederholt die Ursache von Vergiftungen bei Kindern und noch häufiger bei Weidetieren bildeten. Die Vergiftung beginnt mit einer rasch vorübergehenden Erregung (Lachkrämpfe, Benommenheit, Taumeln), der bald Depression und, in schweren Fällen, vollständige Lähmungen folgen. (…) Während des Weltkrieges waren die Blätter cytisinhaltiger Pflanzen in vielen, tabakarmen Ländern ein beliebter Tabakersatz. Die Giftigkeit derselben erhellt aus dem Umstande, dass eine Cytisus-Zigarette bei Nichtrauchern die gleiche Übelkeit hervorruft wie eine echte Tabak-Zigarette, während der an Tabak Gewöhnte davon keinerlei Unbehagen verspürt“ (Reko 1987: 133-134).

Die Arten der Gattung Lupinus, also die auch bei uns heimischen und häufig vorkommenden Lupinen, sind in diesem Kontext auch von besonderer Bedeutung. Sie enthalten zwar kein Cytisin, dafür aber die auch in den Ginsterarten nachgewiesenen Alkaloide Lupanin, Spartein und Anagyrin. Nicht umsonst werden all diese Stoffe unter anderem als Lupinalkaloide zusammengefasst. Die in diesem Zusammenhang relevanten Spezies sind Lupinus luteus (Gelbe Lupine), Lupinus angustifolius (Schmalblättrige Lupine), Lupinus polyphyllus (Vielblättrige Lupine) und Lupinus albus (Weiße Lupine).

Verwendung und Wirkung

Adam Gottlieb gibt in seinem Klassiker „Legal Highs“ eine Anwendungsinformation zum Ginster: „Die Blüten werden gesammelt, für zehn Tage in einem verschlossenen Gefäß gelagert, getrocknet und in Zigaretten gedreht. Der Rauch sollte lange in der Lunge behalten werden. (…) Effekte: Eine Zigarette verursacht für etwa zwei Stunden ein entspanntes Gefühl. Mehrere induzieren eine tiefere Entspanntheit und eine länger andauernde Wirkung (vier bis fünf Stunden). Während der ersten zwei Stunden ist dabei die Entspannung am tiefsten, gefolgt von einer geistigen Wachheit und einer gesteigerten Farbwahrnehmung ohne Halluzinationen“ (Gottlieb 1994). Ginsterblüten sind ein Additiv zu Cannabis. Manche verwenden die Blüten als Tabakersatz. Das Mischungsverhältnis Cannabis zu Ginsterblüten liegt dabei bei 3:1 oder 4:1.

Literatur (Auswahl)

BECKER, CONNY (2003), Schön, aber giftig, Pharmazeutische Zeitung 2003-32; http://www.apotheker-zeitung.de/pza/2003-32/pharm6.htm

BROWN, J.K; MALONE, M.H. (1978), Legal Highs – Constituents, Activity, Toxicology, and Herbal Folklore, Clinical Toxicology 12(1): 1-31

FADIMAN, JAMES (1965), Genista canariensis: A Minor Psychedelic, Economic Botany 19: 383-384

GIEBELMANN, ROLF (2001), Kulturgeschichtliches zum Cytisin, Toxichem + Krimtech Volume 68, Band 3: 127-129

GOTTLIEB, ADAM (1994), Legal Highs. A Concise Encyclopedia of Legal Herbs and Chemicals with Psychoactive Properties; 2. Aufl., Berkeley: Ronin Publishing

OTT, JONATHAN (1996), Pharmacotheon, Kennewick: Natural Products Co.

RÄTSCH, CHRISTIAN (1998), Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, Aarau: AT Verlag

RÄTSCH, CHRISTIAN (2003), Schamanenpflanze Tabak Band 2: Das Rauchkraut erobert die Alte Welt, Solothurn: Nachtschatten Verlag

REKO, VICTOR A. (1987), Magische Gifte. Vollständiger Reprint des Originals von 1938, Stuttgart: Enke; Herausgegeben von C. Rätsch, Berlin: EXpress Edition

ROTH, LUTZ; DAUNDERER, MAX; KORMANN, KURT (1994), Giftpflanzen – Pflanzengifte. 4. Aufl., München: Ecomed

SCHULTES, R.E. (1969), The plant kingdom and hallucinogens (part II), Bulletin on Narcotics 4: 15-27

SEEGER, R.; NEUMANN, H.G. (1992), Cytisin, Deutsche Apotheker Zeitung 132: 303-306

URHAHN, THORSTEN (1999), Cytisin, Seminararbeit zur Vorlesung Toxikologie der Naturstoffe, Ulm: Universität Ulm, Abt. Analytische Chemie & Umweltchemie; http://www.uni-ulm.de/~turhahn/cytisin.pdf

WICHTL, MAX (1989), Besenginsterkraut, in: Wichtl, Max (Hg.): Teedrogen, Stuttgart: WVG, Seiten 91-93

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Otto Normal
5 Jahre zuvor

Bei uns in der Gegend wurden vor einiger Zeit an vielen Stellen die Ginsterbüsche entfernt. Viele Touristen hatten zuvor immer wieder die blühenden Zweige geerntet. Hatte das damals gar nicht kapiert warum man das gemacht hat. Doch bei diesem Artikel wird mir einiges klar. Anscheinend versuchen die Prohibitonisten in ihrem krankhaften Wahnsinn alles auszurotten was irgendwie psychotrop wirken könnte. Für die Pflanzenwelt hat das 4. Reich begonnen. An dieser Stelle einen frohen Gruß an Frau Mortler deren Sohn trotz brutalster Prohibition letztendlich doch den Weg zum Kraut gefunden und damit die absolute Unwirksamkeit der von Mortler mit zu verantwortenden Drogenpolitik bewiesen hat. Ich werde das ab nun in regelmäßigen Abständen erwähnen damit es immer aktuell bleibt und niemals Grass darüber… Weiterlesen »