Mittwoch, 3. Oktober 2018

Mortler versus Hanf Journal – das sagt der Jurist

Seine Meinung

 

 

Sadhu van Hemp

 

Im August 2017 hatte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, Strafanzeige gegen das Hanf Journal erstattet, weil sie sich durch eine Polemik von Sadhu van Hemp massiv beleidigt fühlte. Die Berliner Staatsanwaltschaft zeigte keinen großen Eifer in der Ermittlungssache. Erst als der Anwalt des Hanf Journals, Johannes Honecker, im April 2018 die Einstellung des Ermittlungsverfahrens beantragte, kam Bewegung in die Sache. Im Juni stellte die Staatsanwaltschaft schließlich die Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts ein.

Dass sich die Berliner Staatsanwaltschaft nicht dazu durchringen konnte, das Hanf Journal vor den Kadi zu zerren, ist auch Anwalt Honecker zu verdanken, der mit einer detaillierten Textanalyse die Latte für eine Anklageschrift sehr hoch gehängt hatte.

 

Johannes Honecker weiß, wovon er redet, wenn es um Cannabis geht. Als Fachanwalt für Strafrecht erbitten immer wieder ertappte Haschgiftverbrecher seinen Rechtsbeistand. Er kennt die Horrorgeschichten, die Schicksale hinter dem Cannabis-Verbot, das Elend, das Prohibitionisten wie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung mitzuverantworten haben. Als Honecker das Mandat übernahm, das Hanf Journal in der Sache juristisch zu vertreten, war klar, dass da einer zu Werke geht, der die Argumente auf seiner Seite hat.

Hier nun das Schreiben von Rechtsanwalt Johannes Honecker an die Berliner Staatsanwaltschaft zum Nachlesen für alle, die wissen wollen, was Satire darf und was nicht:

 

„(…) Der Artikel, mit Datum vom 21. August 2017, ist mit der Überschrift ,,Mortler verteufelt Cannabis und bringt Schande über Deutschland“ überschrieben. Die Unterüberschrift lautet, „Aktueller Drogen- und Suchtbericht ein einziges Sammelsurium von Lügen und Hetze gegen Cannabis“. Im Weiteren ist eine Fotomontage zu sehen, auf der sich der Autor des Artikels in gestreifter Gefängniskleidung hinter Gittern, Frau Mortler lächelnd vor diesen Gittern befindet. (…) Darunter befindet sich in kursiv der Hinweis, „Eine Polemik von Sadhu von Hemp“.

 

Ob überhaupt der Tatbestand des § 185 StGB erfüllt ist, kann dahinstehen, da offensichtlich der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB greift. Der als Polemik skizzierte Artikel muss einerseits als Beitrag zur politischen Diskussion über die Drogenpolitik der Bundesregierung und der Drogenbeauftragten vor dem Hintergrund der Cannabis-Legalisierung anderer demokratischer Länder in Europa und den USA gelesen und verstanden werden. Zum anderen muss er als Polemik, als satirische Überspitzung gelesen werden.

Mit der eingangs zitierten Fotomontage wird deutlich gemacht, dass die Drogenbeauftragte die Inhaftierung des Autors, pars pro toto für sämtliche Kriminalisierungen der Cannabisszene belächeln würde. Dabei ist augenscheinlich, dass es sich um eine symbolische Inhaftierung, um ein Gefangensein bzw. ein Verharren in der gegenwärtigen Drogenpolitik geht. Der Autor stilisiert sich mithin als Opfer seiner Inhaftierung durch die geltenden Verbote und Bestrafungen jedweden Umgangs mit Cannabis.

 

Die Verteidigung geht davon aus, dass die Anzeigenerstatterin sich durch die Äußerung „das kriegslüsterne Flintenweib“, „Mortler ist ein bis ins Mark verdorbener und böser Mensch, der wider besseren Wissens handelt und Schande über Deutschland bringt“ sowie durch den weiteren Satz „Mit geradezu sadistischer Lust kämpft dieses Callgirl der Alkohollobby gegen alle Bürger, die sich mit Hanf entschleunigen oder medikamentieren“ beleidigt fühlt.

Die beleidigend empfundenen Äußerungen sind in dem bereits benannten und in ihren jeweiligen weiteren Sub-Kontexten zu lesen. Der Begriff „kriegslüsternes Flintenweib“ steht im Kontext des Artikels, der Bezug nimmt auf den erstmals vom US-Amerikanischen Präsidenten Richard Nixon verwendeten Begriff des „War on drugs“, des „Krieges gegen die Drogen“. Die Drogenpolitik der Bundesregierung wird in der Polemik als Fortsetzung dieser Politik bezeichnet.

 

Dass es sich dabei um eine karikaturistische Vergröberung handelt, wird deutlich, wenn vom Anti-Hanf-Krieg die Rede ist und von Durchhalteparolen des 2. Weltkrieges. Diese Ausführungen sind als Karikatur erkennbar, weil sich die Bundesrepublik und die Bundesregierung in keinem Krieg, auch in keinem gegen Drogen befinden und auch gar nicht befinden kann. Die Kriegsrhetorik ist vielmehr ein Stilmittel, eine jedem Leser erkennbare polemische Überspitzung. Sie will besagen, dass die Bundesregierung die Drogenbeauftragte Durchhalteparolen gegen weltweit beobachtbare Entkriminalisierungsdebatten von sich gebe, was kritisiert wird. Die Bezeichnung der Drogenbeauftragten als Oberkommandierende ist ebenso eine satirische Überhöhung wie die Äußerung, dass der Endsieg über die Drogen bald bevorstehe. Jedem vernünftigen Leser, jeder vernünftigen Leserin wird hier deutlich, dass es einen Sieg in einem vermeintlichen Krieg über die Drogen nicht geben kann.

 

Der Artikel wendet die als absurd empfundene Kriegsrhetorik in die Richtung der Konsumenten harter Drogen und bezeichnet diese als Opfer einer tödlichen Drogenpolitik, welche die Bundesregierung und die Drogenbeauftragte nicht sehen wollen. Der Artikel stellt mithin einen Zusammenhang zwischen der prohibitiven Drogenpolitik und den Drogentoten her. Der Artikel identifiziert zudem die Drogenbeauftragte mit der Drogenpolitik der Bundesregierung. Er bezeichnet die Repräsentantin dieser Drogenpolitik, die Drogenbeauftragte als böser und verdorbener Mensch, weil er die Drogenpolitik als zynisch empfindet. Er identifiziert die kritisierte Drogenpolitik mit der Drogenbeauftragten, wenn er sie als „Callgirl der Alkohollobby“ bezeichnet, womit gemeint ist, dass die Drogenpolitik die Interessen der Alkohollobby vertrete, nicht aber jene der Cannabislobby. Hintergrund dieses polemischen Bildes ist auch, dass die Drogenbeauftragte ausweislich eines Wikipedia-Eintrages aus einer Familie aus Hopfenbauern stammt.

 

Der Artikel endet mit einem ausgedachten Kriegsverbrechertribunal, das über die Protagonisten des „Krieges gegen die Drogen“, d.h. über ihre verantwortlichen Vertreter tagt. Hier wird der Artikel vollends satirisch, weil er jedweden Bezug zur Wirklichkeit und auch zu aktuellen politischen Debatten verlässt. Spätestens hier wird deutlich, dass der Artikel zur Groteske verzerrt wird, wenn im Fanal die Verbrechen des Drogenhandels jenen Verbrechen der Prohibition gegenüber gestellt werden. Hier schließt sich auch der Bogen zur Grafik am Anfang des Artikels.

 

Der durchschnittlichen Leserin wird schon eingangs durch die Bildunterschrift, spätestens aber im Fanal bewusst, dass dieser Artikel mit den Mitteln der karikaturistischen Vergröberung, der Gleichsetzung der Drogenpolitik mit dem Krieg und einer starken moralischen Wertung der Drogenprohibition mit den Begriffen „verdorben“, „böse“ und „sadistisch“ und einem noch stärkeren Bild, nämlich des Kriegsverbrechertribunal sendet, den üblicherweise die Sieger-Justiz über den Verlierer hält. Die Polemik verwendet stark plakative Begriffe. Wird also die Anzeigenerstatterin als kriegslüstern bezeichnet, die im Drogenkrieg den Befehl erteile, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen, wird diese Politik und ihre Vertreterin als verdorben, böse und sadistisch bezeichnet, ist das eine satirische Überspitzung, die erkennbar unsachlich sein will und der Strafbarkeit nach § 185 durch §193 StGB entzogen ist.

 

Die Drogenpolitik der Bundesregierung und ihre Vertreterin muss sich aus den genannten Gründen eine derart polemische und karikaturistische Betrachtung gefallen lassen, ohne dass dies strafrechtlich zu ahnden sein soll. Immerhin handelt es sich bei der Frage nach der Entkriminalisierung von Cannabis um eine stark emotionale Debatte, die gegenwärtig die gesellschaftspolitische Debatte prägt. Durchaus sachliche Leseranmerkungen zur Polemik machen dies deutlich.

Die Bundesregierung und ihre nach außen auftretenden Vertreter müssen auch mit starken und plakativen Begriffen kritische Anmerkungen ertragen. Hier sind jedenfalls keine Begrifflichkeit gewählt worden, die Anzeigenerstatterin als Person jenseits ihrer politischen Arbeit angreifen. Es handelt sich mithin nicht um Schmähkritik.

 

Rein vorsorglich und mit Blick auf weitere Einstellungsmöglichkeiten wird bereits hier mitgeteilt, dass der Artikel die problematisierten Begriffe nicht mehr verwendet. Der Beschuldigte will damit deutlich machen, dass der Artikel als heftige Kritik an der Drogenpolitik der Bundesregierung und nicht mit einer persönlichen Auseinandersetzung mit der Drogenbeauftragten verwechselt werden soll. Der Beschuldigte ist daher auch bereit, der Drogenbeauftragten eine Seite einer der folgenden Ausgaben des Hanfjournals für ihre drogenpolitischen Positionen bzw. jene der Bundesregierung zur gegenwärtigen Cannabisdebatte zu gewähren. Er ist voller Hoffnung, dass letztlich die besseren Argumente in der Drogenpolitik sich politisch durchsetzen. Bis es dazu kommt, sollte aber das vorliegende Ermittlungsverfahren eingestellt werden. (…)“

 

Was von Seiten des HaJo-Teams bleibt, ist ein großes Dankeschön an Rechtsanwalt Johannes Honecker, der der Staatsanwaltschaft dabei behilflich war, das Wehklagen der Marlene Mortler guten Gewissens zu überhören.

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7 Kommentare
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Harald
5 Jahre zuvor

Diese Dame kann man gar nicht beleidigen, denn jede Beleidigung ist zweifelsohne harmloser als die Wahrheit!!!

woewe
5 Jahre zuvor

“dass die Drogenbeauftragte ausweislich eines Wikipedia-Eintrages aus einer Familie aus Hopfenbauern stammt.” – ausweislich ihrer Selbstdarstellung sogar:
“Meine Eltern waren zunächst im Hopfenbau und der Milchviehhaltung tätig. In den 60er Jahren wurde die Hopfenwirtschaft zu Gunsten der Milchwirtschaft aufgegeben.”
https://marlenemortler.de/portrait

A. Sozialer
5 Jahre zuvor

Ich möchte mich nicht an Wikipedia festlegen, Fehler fanden sich auch dort. Dennoch kann ich mir vorstellen das der Hopfen als unverfälschtes Naturprodukt, hinsichtlich der Wirkung tatsächlich einen Verwandten Bezug zum Hanf hat. Weswegen DIESER wirklich beruhigende Hopfen in unmanipulierter Form, nicht genauso Illegal ist entzieht sich meinen Vorstellungen über Mortlers Sinnbild. Nichts gegen Traditionelle Gebräude jedoch, seis der Hopfen oder was auch immer im Bier mit seiner verzögert- wie folgedessen fehleingeschätzten Wirkung wird es mit dem Prosit nicht wirklich gemütlicher als dem Rollitm Cannabis bietet mehr Umgangssicherheit und möge doch einen weitaus höheren Stellenwert genießen, als der Frustrierte Feierabend an bitteren Beigeschmack haben kann; Die Straf/anzeigen wegen berauschten was auch immer an Schäden und Rechnungen fürs Magen auspumpen wie… Weiterlesen »

R. Maestro
5 Jahre zuvor

I glaub, I dagreis net.

Die finanziellen Verstrickungen sind ja offensichtlich.
Diktatoren, mit ähnlichem Ziel, verurteilt man.
DIESE Person lässt man gewähren und (fast) agieren wie sie möchte.
Wen man uns als Drogenbeauftragte präsentiert, zeigt ja:
“Dieses Thema und alles drumherum, ist uns scheißegal.”

Bedarf an Druckräumen, Therapien sind rar, Verurteilen statt helfen, …. .
So wie es immer noch abläuft, es ist absolut unsozial, besonders das Verhalten
der angeblich “christlichen.”

P.S.: Der Artikel ist prima!

aXXL
5 Jahre zuvor

Es wird zur Kenntnisnahme mitgeteilt, dass der anzeigende Regierungsdirektor Dr. Bernhard Osterheld vor etlichen Jahren (als Cannabis als Medizin noch nicht legal erhältlich war) gegen den Verfasser dieses Kommentars Anzeige wg. Beleidigung erstattet hatte, weil dieser den Sachbearbeiter des Referats 82 beim BfArM (Bundesopiumstelle), Dr. Wilhelm S., in einem Gedicht mit jenen Personen verglich, welche im Dritten Reich an Rampen standen und Menschen selektierten. Der Autor des Gedichts – selbst Cannabispatient – kritisierte damals in Reimform die Allmachts-Haltung jener für das gesundheitliche Wohl und Wehe tausender Menschen (mit)verantwortlichen Person und zog jenen überzogenen Vergleich auch deshalb, weil von Dr. S. bekannt war, dass er in seiner Freizeit (und wie sich später herausstellte, nicht nur dort) religiös überaus motiviert agierte, jedoch… Weiterlesen »

Pit Pott
5 Jahre zuvor

Ist ja interessant! Religiöse Eiferer im Bonner BfArM? Das passt zur bayerisch-mortlerischen Drogenpolitik, die ganz Deutschland von Flensburg bis Passau übergestülpt wird..
Höchste Zeit, dass die Filialen der Bundesministerien im katholischen Bonn geschlossen werden. Berlin wäre genau die richtige irdische Bestrafung für diese niederträchtigen Erfüllungsgehilfen der Cannabisprohibition.