Montag, 9. Juli 2018

Linksruck in Mexiko löst Debatte über Cannabis-Freigabe aus

 

 

Mexikaner wollen keinen Anti-Drogen-Krieg mehr und wählen regierende Sozialdemokraten ab

 

 

 

 

Sadhu van Hemp

 

 

Das, was vor einer Woche bei den Präsidentschaftswahlen in Mexiko herauskam, ist eine klare Ansage: 53 Prozent der Wähler haben sich gegen die amtierende sozialdemokratische „Partido Revolucionario Institucional“ (PRI) ausgesprochen und der „Bewegung der nationalen Erneuerung“ (Morena) den Regierungsauftrag erteilt. Es war der größte Urnengang in der Geschichte des Landes. Neben dem Präsidenten wurden am 1. Juli auch der Kongress, die Gouverneure, Regionalparlamente und Bürgermeister gewählt – und es war für die 2014 gegründete Partei des 64-jährigen Ex-Bürgermeisters von Mexiko-City, Andrés Manuel López Obrador, ein Triumph auf der ganzen Linie.

 

Die Panikmache der konservativ-liberalen Parteien vor einem Linksruck fruchtete bei der Bevölkerung nicht, denn die war es einfach nur leid, sich von einer Regierung demütigen zu lassen, die über Jahre hinweg das Bild einer kriminellen Vereinigung abgeliefert hat. Die Bilanz des noch amtierenden mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto und seiner „Mafia der Macht“ ist unterirdisch: Mexiko hatte in den letzten Jahren mehr als 100.000 Todesopfer und 37.000 spurlos verschwundene Menschen zu beklagen, die aufs Konto der organisierten Kriminalität gehen – gedeckt von einer durch und durch korrupten Polizei und Justiz. Zugleich steigen Benzin-, Strom- und Lebensmittelpreise, Armut und Verelendung nehmen zu, und das Wirtschaftswachstum ist lächerlich gering für Lateinamerikas zweitgrößte Volkswirtschaft. Die Quittung für das politische Versagen war also längst überfällig. Nun soll es eine linke Regierung richten – und das komfortabel ausgestattet mit einer absoluten Mehrheit.

 

Die Aussicht auf eine stabile Regierung wird Mexiko gut tun und das politisch rechte Lager Lügen strafen. Denn obwohl die Mexikaner nach links gerückt sind, der Geldadel der mexikanischen Finanz- und Wirtschaftswelt lässt die Korken knallen. Wie von Zauberhand wurde nach dem Wahlsieg von López Obrador der Abwärtstrend an den Märkten im zweiten Quartal gestoppt. Der Wechselkurs des Peso konnte vergangene Woche gegenüber dem US-Dollar um 4,4 Prozent zulegen – seit annähernd sieben Jahren das beste Ergebnis. Die Börse schloss am Freitag mit dem höchsten Stand seit fünf Monaten.

 

Große Hoffnung keimt in Mexiko – besonders was den unseligen Anti-Drogen-Krieg betrifft. Der designierte Präsident Obrador hatte sich nämlich in der Vergangenheit offen für die Legalisierung von Cannabis ausgesprochen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im Mai hatte Obrador sogar laut und deutlich das Undenkbare gedacht – und zwar nicht nur die Legalisierung von Cannabis, sondern aller Drogen, um die Konsumenten aus der Illegalität zu holen und den Schwarzmarkt zu schwächen. Noch am Wahlabend hatte Obrador in seiner Siegesrede von einer „gescheiterten“ Drogenpolitik  gesprochen, die dringend einer Reform bedarf. Die künftige Innenministerin Olga Sánchez Cordero wurde noch konkreter. „Wir werden eine Entkriminalisierung vorschlagen“, sagte die 71-jährige Juristin und kündigte zugleich eine Art „Übergangsjustiz“ an, die eine Amnestie und Verkürzung der Gefängnisstrafen ermöglicht. Ein öffentliches Referendum soll dann darüber entscheiden, ob der Gesetzesentwurf zur Lesung dem Kongress vorgelegt wird.

 

Doch bei allem Jubel über die künftige linke Regierung, die die Cannabis-Prohibition beenden will, ein Restrisiko bleibt. Die absolute Mehrheit im Kongress birgt auch die Gefahr, dass die sicher im Sattel sitzende Regierung die Macht missbraucht und zum Erhalt dieser, einen autoritären Politikstil pflegt – mit freundlicher Unterstützung von Polizei und Militär, die in Lateinamerika generell dafür zuständig sind, für Unrecht zu sorgen.

 

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3 Kommentare
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Rainer Sikora
5 Jahre zuvor

Ich wußte nicht daß Mexiko in der Cannabisfrage deutsch denkt.

Ralf
5 Jahre zuvor

” mit freundlicher Unterstützung von Polizei und Militär, die in Lateinamerika generell dafür zuständig sind, für Unrecht zu sorgen.”
Nicht nur in Südamerika sondern auch bei uns im klassischen Faschistenland sind die Polizei und die Justiz die Hüter des Unrechts und der Ungerechtigkeit. Etwas anderes zu behaupten ist nichts weiter als deutsche Arroganz.

R. Maestro
5 Jahre zuvor

Ich sehe es kommen:

Jetzt wirbt eine Übergescheite für Naloxon, die Zahl der Drogentoten wird dadurch natürlich sinken,
wer sich das gutschreibt, ist klar und schon lockt eine dritte Amtszeit.
Eindeutiges Versagen wird als Erfolg verkauft, wie schon lange, schon passt es wieder.
Für den geistigen Horizont eines Prohibitionsbefürworters durchaus.