Sonntag, 25. März 2018

Der Schattenkrieg

 

Geheimdienstgeschichten aus Israel – besser als James Bond

 

 

Mythen, Legenden und Wahrheiten über den Mossad
 

 

Sachbücher über Geheimdienste sind immer eine heikle Sache und man weiß bei der Lektüre eines solchen Buchs eigentlich nie genau, woran man ist. Dabei gibt es tendenziell mindestens drei Möglichkeiten, ein solches Werk zu verfassen:

 

a) Jemand ist Experte über Geheimdienste und trägt sein über Jahre gesammeltes Wissen in einem Buch zusammen.

b) Jemand ist von einem Geheimdienst beauftragt und autorisiert worden, ein Buch über den jeweiligen Dienst zu verfassen (also eine Art Festschrift zur Ehre der jeweiligen Behörde).

c) Ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter hat – aus welchen Gründen auch immer – das Bedürfnis, der Welt Details und Geheimnisse über seinen Geheimdienst zu verraten und diesen dadurch bloßzustellen.

 

Beim in der Deutschen Verlagsanstalt (dva) erschienenen Wälzer „Der Schattenkrieg“ von Ronen Bergmann handelt es sich am ehesten um die Kategorie a). Im Vorwort berichtet Bergman aber über die Schwierigkeiten, die ihm beim Verfassen des Buchs begleiteten und die ihm mit voller Absicht gemacht wurden. Er musste juristische Auseinandersetzungen um den Zugang zu besonders geschützten Quellen führen und auch sonst versuchte der israelische Staat, ihm die Publikation unmöglich zu machen. Aber Bergman betont seine Hartnäckigkeit, mit der er auch seine Interview-Partner (beinahe allesamt ehemalige Mitglieder des MOSSAD) bearbeitet hat, und die letztlich dazu beigetragen hat, dass das Buch doch noch das Licht der Welt erblickte.

 

Der Mossad ist einer der geheimnisumwittertsten Geheimdienste der Welt. Es heißt, dass nur ganz wenige Aktionen und Interna der israelischen Organisation das Tageslicht erblicken. Deshalb darf der Leser auf die knapp 750 (!) Seiten Text von „Der Schattenkrieg“ durchaus gespannt sein. Aber Obacht vor allzu hohen Erwartungen. Denn das Buch „Der Schattenkrieg“ ist eigentlich auch eine historische Abhandlung über den Mossad – die in dieser Form eigentlich schon weitgehend bekannt ist. Zunächst werden die Gründung des Staats Israel als Folge des nationalsozialistischen Massenmords an den Juden und die damit verbundene Notwendigkeit gegen die britischen Besatzer mit Waffengewalt zu kämpfen, geschildert. Und dann folgen die brisanten Wegsteine und historisch markanten Markenzeichen, mit denen der Staat Israel leider überreich „gesegnet“ ist.

 

Um den Bestand des Staates Israel zu garantieren und um Feinde effektiv abwehren zu können, bedurfte es eines äußerst effektiven und schnörkellosen Geheimdienstes. Über einige Vorgängerorganisationen hinweg entstand dann schließlich der Mossad, der ja bis heute noch Bestand hat uns bei Freund wie Feind einen Ruf als einer der besten und effizientesten Geheimdienste der Welt besitzt.

 

Bergmans Vorgehens- und Erzählweise ist hauptsächlich chronologisch. Das besitzt den Vorteil, dass der interessierte Leser einen gut gegliederten und strukturierten Überblick über die zahlreichen kalten und heißen Kriege Israels erhält. Zugleich entsteht aber der Nachteil, dass sich einige Aspekte immer wieder wiederholen: Wer war wo beteiligt? Welcher Staatsmann lenkte wie den Geheimdienst? Welche Geheimdienstchefs praktizierten welche Personal- und Interessenpolitik?

Themenschwerpunkte sind zum Beispiel die Kriege zu Beginn der Staatsgründung von Israel, die Suez-Krise, das Olympia-Massaker in München, der fortwährende Kampf gegen die PLO (Palestine Liberation Organization), die Auseinandersetzungen mit Terrorschwergewichten wie Abu Nidal und George Habash. Schön und erhellend ist, dass Bergman auch noch den Bogen zu heute schlägt, denn waren es einst die sozialistisch-säkularen Bewegungen, die Israel bekämpften, so sind es heute insbesondere islamitische geprägte Organisationen, die Israel bis aufs Blut bekämpfen. Insofern wird zum Beispiel der Einsatz von Drohnen zur gezielten Ausschaltung von Gegnern seit Beginn der 2000er-Jahre thematisiert.

 

Erfrischend an Bergmans Buch ist die weitgehende Neutralität und Objektivität, die er vorzugeben scheint (letztlich scheint mitunter doch die Begeisterung für die Heldentaten des eigenen Geheimdienstes durch). Einerseits ist zu spüren, dass Bergman durch und durch der israelischen Sache positiv gegenüber steht. Andererseits ist seine Kritik am Geheimdienst Mossad und seinen nicht immer durchgängig „sauberen“ Methoden durchaus laut und deutlich vernehmbar. Bergman wird nicht müde zu betonen, dass der Mossad seine Mitglieder in der Regel aus „ganz normalen“ Bürgern rekrutiert, die quasi durch den Geheimdienst zu Killer-Maschinen geformt werden.

 

Die Schilderungen der Geheimdienst-Aktionen selbst vollziehen sich weitgehend neutral. Bergman schildert offen ganz besonders raffinierte, gelungene Coups, aber ebenso ohne Vertun die Fehloperationen und Blamagen des israelischen Geheimdienstes. Dabei ist er auch analytisch durchaus in der Lage, Fehlleistungen und Fehlentscheidungen sowie taktische Meisterleistungen zu identifizieren und auch kausalanalytisch zu begründen, warum eine Aktion geglückt oder missglückt ist.

 

Die Beurteilung von Bergmans „Der Schattenkrieg“ fällt nicht einfach. Wer ganz wichtige, bisher geheimnisvolle Einsichten und Enthüllungen erwartet, der wird in der Summe leider enttäuscht. Allzu vieles kommt dem Leser bereits durch die Lektüre von anderen Büchern, Magazinen, Zeitungen und durch das Ansehen von einschlägigen Fernsehformaten bekannt vor. Wer aber eine spannend geschriebene, kohärent erzählte Geschichte über den Staat Israel und einen der besten Geheimdienste der Welt lesen möchte, der wird hier bestens bedient.

 

Fazit: Eine lehrreiche, unterhaltsame Lektüre wie aus einem Agenten-Thriller, allerdings mit zahlreichen realen, geschichtlich-politischen Anekdoten gewürzt. Besonders die Passagen, in denen ausführlich die Abläufe von Geheimdienstaktionen geschildert werden, dürften sich auch nach Cannabis-Konsum gut und spannend lesen. Insofern eine Leseempfehlung für alle Freunde der großen Weltpolitik und von Agenten-Stories im 007-Format.

 

Christian Rausch

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2 Kommentare
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Ichnochmal
6 Jahre zuvor

“Dein Kommentar muss freigeschaltet werden.”

Den Text sollte man mal ändern auf:
“Dein Kommentar muss noch zensiert werden.”

Ralf
5 Jahre zuvor

@Ichnochmal
So ist es, die zensieren mittlerweile brutaler als die DDR. Trotzdem lass ich die Ar….öcher lesen was ich denke, denn zumindest eine/r, das ist diese d..fe Susanne Winter muß das lesen und ärgert sich jedes mal!