Montag, 29. Januar 2018

Experten zweifeln an der Fahreignung von Cannabis-Patienten

 

 

Deutscher Verkehrsgerichtstag endet mit einem Schlag ins Gesicht kranker Menschen

 

Cannabis
Ganz entspannt: Sativex-Patienten hinter dem Steuer, Grafik: marker

 

 

Eine Glosse von Sadhu van Hemp

 

 

Deutschland ist das Land der Fachspezialexperten. Rund 83 Millionen Bürger wissen immer und stets besser, was für alle und keinen gut oder schlecht ist. Das ist gerade noch erträglich, solange der Besserwisser mit sich allein ist oder nur die belehrt, die sich belehren lassen. Doch richtig unerträglich wird es, wenn sich Deutschlands selbsternannte Fachspezialexperten im Auftrag ihrer Auftraggeber spezialisieren und sich als Fachidioten anmaßen, die Richtlinien des Gemeinwesens vorgeben zu müssen. Der Einfluss der Fachspezialexperten auf die politischen Entscheidungsprozesse ist stärker denn je und hebelt den Willen der Bürger mittlerweile in einem Maße aus, dass wieder andere Experten von einer perfekt organisierten „Expertokratie“ sprechen, die die Demokratie fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

 

Was damit gemeint ist, lässt sich nirgends besser vor Augen führen als beim Deutschen Verkehrsgerichtstag, der seit 1963 alljährlich in Goslar stattfindet und den politischen Entscheidungsträgern als Gradmesser dient. Auch dieses Jahr reisten rund 2000 vorwiegend männliche Fachspezialexperten ins VW-Land, um sich in Fragen des Verkehrsrechts auf geradezu inzestuöse Weise gegenseitig zu befruchten. Was da für Damen und Herren im idyllischen Harz miteinander verkehren, soll sich jeder selbst denken. Nur soviel: Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstag ist der 76-jährige Kay Nehm, der bereits zwischen 1994 und 2006 als Generalbundesanwalt der Bundesrepublik unangenehm auffiel und auf dem rechten Auge blind ist, dafür aber auf dem linken umso besser sieht. Nehm ist leidenschaftlicher Fürsprecher der Automobilisten und Scharfmacher gegen die unkontrollierte Vermehrung der kulturfremden Drahtesel.

 

Der Geist, der auf dem Verkehrsgerichtstag herrscht, ist von vorgestern. Das Auto ist die Heilige Kuh der Deutschen – und wer den Quell des Glücks stilllegen will, den bestrafen die Fachspezialexperten. Die Souffleusen der Politiker denken überhaupt nicht daran, Expertisen zu erstellen oder aus dem Ausland heranzuziehen, die dem systemrelevanten Gefüge des Autofahrerlandes Deutschland zum Nachteil gereichen. Es soll möglichst alles so bleiben, wie es ist und sich seit Jahrzehnten bewährt hat. Dass in den meisten anderen europäischen Ländern neue Wege im motorisierten Individualverkehr gegangen werden, ficht die Deutschen nicht an. Auf deutschen Straßen herrscht freie Fahrt für freie Bürger. Auch dank des Verkehrsgerichtstags, der sich hütet, unpopuläre Forderungen zu stellen, die die freie asoziale Entfaltung des Homo automobilis einschränken. Nach wie vor ist es ein Kavaliersdelikt, sich nach dem Genuss von zwei Maß Bier hinters Lenkrad seines Eisenschweins zu setzen und mal eben ein Kind zu asphaltieren. Wem das kleine Malheur passiert, der muss sich nicht vor Strafe fürchten, denn das Bußgeld zahlt noch jeder aus der Portokasse.

 

Die Verkehrsexperten haben in ihren Arbeitsbereichen ideologisch alles gegeben, um möglichst moderat an den Stellschrauben des Straßenverkehrsgesetzes zu drehen. Selbstverständlich erklärten sich die Spezialisten wie jedes Jahr bereit, Raser und Drängler künftig etwas stärker zur Kasse zu bitten. Auch kam wie stets der gute Rat an den Gesetzgeber, die Überwachung des Straßenverkehrs zu intensivieren. Wie von den Interessengruppen gewünscht standen die Experten kräftig auf der Bremse, während Daimler-Chef Dieter Zetsche eine Beruhigungsrede zum Thema Diesel hielt und gleichzeitig die neuesten, von Affen gestesteten Rußschleudern bewarb.

 

Fest auf der Bremse stand der Verkehrsgerichtstag auch in Sachen „Cannabis im Straßenverkehr“. Nachdem sich die Experten gegenseitig die Expertisen vorgelesen hatten, folgte der Beschluss, Genuss- und Therapiekiffer erst einmal in einen Topf zu werfen. Grundsätzlich bestehen nunmehr auch Zweifel an der Fahreignung bei Personen, denen Cannabis als Medikament verordnet wurde. Um sich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen, zeigten die Fachspezialexperten Wankelmut und forderten kein striktes Fahrverbot für Cannabis-Patienten.

Eine Frage, zwei gegensätzliche Antworten – das ist weder Fisch noch Fleisch und der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln. Doch Fachspezialexperten wären keine Fachspezialexperten, wenn sich nicht auch dafür eine spezielle Lösung hätten: Künftig sollen alle Cannabis-Patienten im Interesse der Verkehrssicherheit von qualifizierten Ärzten umfassend über die Beeinträchtigung ihrer Fahreignung und Fahrsicherheit informiert werden. Dies sei dann in einem amtlichen Dokument nachzuweisen.

 

Mit dieser Resolution haben die Herrschaften des Verkehrsgerichtstags mal wieder unter Beweis gestellt, dass Recht und Gesetz je nach Bedarf und Belieben eine biegsame Sache sind: Elegant wurde die Medikamentenklausel des § 24a Abs. 2 Satz 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) umkurvt und zugleich eine neue Geldquelle für die Profiteure des Anti-Hanf-Krieges erschlossen.

 

Das vom Bürger subventionierte MPU-Gewerbe konnte wahrlich aufatmen. Denn auch die Forderung der wenigen geistig wachen Verkehrsexperten, Genusskiffer künftig mit Genusstrinkern auf eine Stufe zu stellen, wurde abschlägig beschieden. Darüber täuscht auch nicht die Empfehlung des Verkehrsgerichtstags hinweg, die Straftat der Rauschfahrt erst dann mit dem Entzug der Fahrerlaubnis zu ahnden, wenn der Cannabis-Verbrecher beim aufgezwungenen Idiotentest patzt. Die Botschaft an die motorisierten Genusskiffer ist klar: Nutze die allerletzte Chance und werde ein anständiger Mensch, der statt zum Joint besser zum Alkohol greift, wenn er sich dem Geschwindigkeitsrausch hingeben will.

 

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21 Kommentare
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Fred
6 Jahre zuvor

Vor allem diskutieren diese Experten quasi über ungelegte Eier. Die Fahrtauglichkeit unter Cannabis ist nie wissenschaftlich belegt worden. Die 1 ng Grenze ist somit eine beliebig festgelegte Grenze ! Sie könnte beim Würfelspiel entstanden sein, oder einem Experten im Suff durch das verwaberte Hirn gegeistert sein. Keiner weiß es, doch alle halten dran fest. So könnte ich auch Experte für Luft und Raumfahrt werden, ohne jemals einen Fuß in das entsprechende Fluggerät gesetzt zu haben. Die Bande aus Politik, Lobbyvereinigungen und Experten halten in diesem Land toll zusammen. Der eine liefert, was der andere als Argument benötigt. Modellversuche werden mit fadenscheinigen Begründungen einfach verworfen, es könnte ( und das würde es auch ) was Unangenehmes dabei herausspringen. Und dann schon… Weiterlesen »

Karli
6 Jahre zuvor

Laut Lexikon ist ein Experte, vereinfacht gesagt, jemand der sich auskennt. Also sind alle diese Experten sich auskennende Hanfkonsumenten? Oder steht die Vorsilbe Ex, lateinisch = aus oder außerhalb, bei diesen Experten ehr für außerhalb stehend = nichts wissend?
Volker Pispers sagte mal: „Es sind Eunuchen die uns erklären wollen wie man Es macht.“ 😉

Lotus
6 Jahre zuvor

Gut…
aber wenn das so ist und man soviel Wert auf Sicherheit legt,
dann sollten auch alle Älteren Verkehrsteilnehmer einen Eignungstetst unterzogen werden,sowie auch alle Patienten auf Schmerzmitteln und Psychopharmaka etc.,sonst ist dieser Gesetztentwurf doch unlogisch,wenn schon gleiches Recht für alle,klingt ja fasst so als wären wir hier in Deutschland XD
Aber mir fällt noch eine gute Lösung ein für alle Drogen- und Medikamentenkonsumenten und Alten Leute etc. in unserem Land,
eine extra Spur auf der Straße auf der alle Verkehrsteilnehmer mit “gesonderten Umstand” fahren dürfen mit einem maximal 50 Kmh Auto,so wie z.B. in Amsterdam ;D

Ich wünsche allen einen schönen Tag…Peace 🙂

Rainer Sikora
6 Jahre zuvor

Es gibt einige Gründe das Autofahren generell zu verbieten,aber das geht aus finanziellen Gründen nicht.Die allgemeine Meinung ist gegen Hanffahren.Überzeugungsversuche gelingen meist nicht,wegen scheinbarer Hirnverstopfung.

Tom
6 Jahre zuvor

Aha, der Herr Nehm. Von der Bundesanwaltschaft an den juristischen Katzentisch. Ist das nun Satire oder schon Zynismus? Hmmmmm, “Grundsätzliche Zweifel an der Fahreignung….” Ein gewagter Gedanke und zudem ohne jegliche Beweisführung vorgetragen. Wie nennt man doch gleich die beweisfreie Vorverurteilung eines bestimmten Personenkreises ohne rechtliche Grundlage? Es ist einfach ungeheuerlich so etwas auch nur in Betracht zu ziehen, ohne den Einzelfall würdigen zu wollen. Ich will mich ja jetzt nicht zu sehr versteigen, aber so einen vorurteilsbehafteten Scheiß kenne ich eigentlich nur aus dem Geschichtsunterricht und den heutigen USA. Und das dann auch noch von einem Generalbundesanwalt a.D. vorgetragen. Toll. Früher war für ihn, und das zu Recht, nicht jeder Bartträger auch gleich Terrorist, nur weil die Amis mal… Weiterlesen »

Frank
6 Jahre zuvor

Nichts, als Fachspezialexperten hier in Deutschland und davon jede Menge!

Littleganja
6 Jahre zuvor

Wenn man die Beschlüsse mal gelesen hätte und nicht Linksextrem Schiene fahren würde, hätte der Verfasser des Artikels festgestellt dass nicht alles so negativ ist. Erstens soll der Grenzewert von 1 Nanogramm auf 3 hochgesetzt, 2 soll bei nicht Patienten nicht automatisch der Führerschein entzogen werden und 3 dürfen Cannabis Patienten weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen. Wie unterschiedlich doch die Interpretation von Fakten sein kann….

Gasterl
6 Jahre zuvor

Danke Littleganja…hatte gestern auch die Meldungen gelesen und dachte mir “Ok….habe eh schon von Neurologen Tests machen lassen – alles ohne Probleme” – war ja auch klar – ich merke ja nichts von meiner Medizin – also was hätte der neurologe bei Tests an Ausfällen feststellen sollen? Dann lass ich das eben von nem Amtsarzt nochmal machen. Damit hab ich kein Problem. Ich bin mittlerweile nach rund 2 Jahren so gut auf meine Medizin eingestellt (Toleranzbildung), dass ich keinerlei “Rauscheigenschaften” mehr wahrnehme. Eine Zigarette (nur Tabak) hat genausoviel/wenig Wirkung. Ist ja auch normal, wenn man sich mit der Wirkweise von Cannabis auseinandersetzt. (Übrigens trat diese Toleranz bereits nach ca. 2-3 Wochen Einnahme auf und blieb seither stabil – auch bei… Weiterlesen »

patient
6 Jahre zuvor

hi, mich interessieren ein paar sachen auf die ich bisher keine antwort habe…
bin patient und nehme meine medis hauptsaechlich abends. ist es sinnvoll sich die fahreignung vorab von einem arzt einfach bestätigen zu lassen oder kann das auch voll daneben gehen? wie finde ich so einen arzt? bin es leid mir immer nen kopf zu machen ob den ordnungshütern mein rezept und attest ueber meine cannabistherapie ausreicht…

Nummer14
6 Jahre zuvor

@LittleGanja, danke passt 100%.

Nummer14
6 Jahre zuvor

Und da wundern sich einige noch das nichts voran geht. Destruktiv, anmaßend negativ. Ich würde mich auch nicht für Menschen die so eskalieren nur einen Zentimeter bewegen. Eins ist gewiss Ihr macht nichts besser sondern schlechter.

FatBike
6 Jahre zuvor

Die Fahrradwege in Deutschland sind nichtmal zweispurig und der tote winkel lebt immer noch .

Nummer14
6 Jahre zuvor

Vielleicht solltest du nachdenken in ein Freilichtmuseum zu ziehen. Unfassbar.

Luxussteuer
6 Jahre zuvor

Die gleichen experten glauben auch an eine Bipolare Depression dritten grades .LOL . Elitär und abgehoben ,wahrscheinlich lesen Sie Freud und Konsumieren Cocs mit Rotwein . Gutenberg und Pisa-Studie ,läst Grüßen !

Luxussteuer
6 Jahre zuvor

Gutenberg und Pisa-Studie ,läst Grüßen ! Wer privat ,Technische Geräte benutzt die anderen Lebewesen Schaden zufügen oder töten , ist ein Schädling und sollte resozialisiert werden .

Papa
6 Jahre zuvor

Ich bin auch Patient und finde wir Patienten wären doch die besten Probanten für eine wissenschaftliche Studie.

Wir müssten uns nicht so rechtfertigen wenn wir nach der Studie fahren würden und in eine Kontrolle kommen.

Wär doch mal zu überlegen.

A hanfigs Grüssle

patient
6 Jahre zuvor

Auch in diesem Sinne müssen die Patienten, die ein Kraftfahrzeug führen wollen, durch entsprechend qualifizierte Ärzte umfassend über ihre Beeinträchtigung der Fahreignung
und Fahrsicherheit informiert und begleitet werden. Dies ist entsprechend zu dokkumentieren.

wie kann man sich das vorstellen? ist damit ein ärztliches gutachten zur fahreignung gemeint? oder heisst das, man wird belehrt?
und wenn man als patient grundsätzlich zweifel an der Fahreignung hervorruft, heißt das dann alle canpatienten zur mpu?

Nummer14
6 Jahre zuvor

Nun lieber Sadhu ich persönlich fahre bevorzugt Fahrrad oder Bus außer dienstlich wegen Dienstfahrten. Mein privater PKW wird ab Sommet ein kleines e-Auto mit Greenpeace Strom sein, so what?