Samstag, 28. Oktober 2017

Hanf als Nutz-, Arznei- und Rauschpflanze

Dem Menschen zum Nutzen

 

 

Christian Rausch

 

Es ist bekannt, dass Hanf eine Pflanzengattung in der Familie der Hanfgewächse ist. Die altehrwürdige Pflanze ist eine der ältesten Nutz- und Zierpflanzen (!) der Welt. Heute besitzt Hanf als stetig nachwachsender und damit nachhaltiger Rohstoff eine wichtige Bedeutung für die Textil- und in der Bauindustrie. Zudem dient er als Ölpflanze. Am wichtigsten ist natürlich die Verwendung von Hanf in Form von Marihuana und Haschisch, das beides als Medikament und Rauschmittel verwendet wird. Die zentralen Inhaltsstoffe hierbei sind Cannabinoide, die beinahe ausschließlich auf den Kelch- und Tragblättern weiblicher Pflanzen vorkommen. Somit ist die Geschichte von Cannabis als integraler Bestandteil der Menschheitsgeschichte zu sehen und reicht einige tausend Jahre zurück, womit sie älter ist als allgemeinhin angenommen.

 

Zunächst wurde Cannabis in der Menschheitsgeschichte als Nutzpflanze verwendet. Kulturwissenschaftler gehen davon aus, dass Hanfsamen bereits vor 12.000 Jahren in China breitenwirksam als Nahrungsmittel dienten. Zudem wurden die Hanffasern wegen ihrer großen Reißfestigkeit geschätzt. Auch in Europa war Hanf bereits in vorchristlicher Zeit verbreitet. Grabungen belegen, dass Hanfsamen lange vor Christi Geburt als Grabbeigaben benutzt wurden. Dem folgte die Nutzung von Hanf als Medizin. So ist überliefert, dass bereits vor knapp 5.000 Jahren der chinesische Kaiser Sheng Nung die grünen göttlichen Pflanzen als Heilmittel bei Krankheiten und Krankheitsbildern eingesetzt hat. Von China aus gelangte Hanf nach Indien, wo religiös-mythische Verwendungsformen überliefert sind. Cannabis findet um ca. 1.500 v.Chr. Verwendung bei Meditationen und ist Bestandteil ritueller Handlungen. Buddha benötigte auf dem Pfad der Erleuchtung Hanfsamen als Nahrung. Die Verwendung von Cannabis im heutigen China nahm um Christi Geburt herum zu und diente dem Kampf gegen Malaria, Rheuma, Gicht und Verstopfung. Der griechische Arzt Pedainos Dioskurides misst damals ebenso in seinem Standardwerk „Materia Medica“ Hanf eine große Bedeutung zu. Der Arzt fungiert als Berater der römischen Kaiser Nero und Claudius. Hanf gewinnt in der Folge als Lebensmittel und als Nutzpflanze im europäischen Raum zusehends an Bedeutung.

 

Das führt zur gesetzlichen Novellierung. „Karl der Große“ bringt das Gesetz auf den Weg, das den Anbau von Hanf in der staatlichen Obhut unterstellten Einrichtungen vorschreibt. Zwei Jahrhunderte später (ca. 1.000 v.Chr.) ist es Hildegard von Bingen, die sich mit dem medizinischen Nutzen der Hanfpflanze beschäftigt. Sie sieht magische Kräfte bei Magenbeschwerden und befürwortet die Verwendung eines aus Hanf gefertigten Tuchs bei der im Mittelalter problematischen Wundbehandlung. Auch im arabischen Raum wird der THC-haltigen Naturdroge kräftig zugesprochen. Es gibt eine Sekte, die Assassinen, die im Orient sesshaft ist, der der regelmäßige Konsum von Haschisch vor, während oder nach tödlichen Attacken nachgesagt wird. Wörtlich hieß eine Gruppierung der Sekte Haschaschinen, was so viel wie „Haschischesser“ bedeutet. Nachdem in China bereits 1.200 Jahre zuvor Papier aus Hanf hergestellt wird, zieht Europa 150 Jahre nach Hildegard von Bingen gleich und benutzt Hanffasern zur Papierherstellung.

 

Im Mittelalter gewinnt Hanf eine immense Bedeutung im Zusammenhang mit der Hexerei. Der Hexerei beschuldigte Frauen sollen Hanf konsumieren, um magische, übernatürliche, böse Kräfte zu erhalten. Die als Hexen verschrienen Heilkräuterexpertinnen wurden aus religiösen Gründen verfolgt und mussten nicht selten ihr Leben qualvoll im barbarischen Flammentod auf dem Scheiterhaufen beenden. Häufig war die Religion nur ein Vorwand um die unangenehmen und unheimlichen Zeitgenossinnen loszuwerden. 1430 ereilte die berühmte „Jeanne d’Arc“ ein ähnliches Schicksal, obwohl sie großartiges für ihr Land geleistet hatte, denn sie hatte die Franzosen im sogenannten 100-jährigen Krieg siegreich gegen die Engländer angeführt. Allerdings wurde die Jungfrau sowohl den geistlichen als auch weltlichen Potentaten aufgrund ihrer militärischen Erfolge und der steigenden Beliebtheit in der Bevölkerung zu unbequem, unheimlich und gefährlich. Im Zuge der Inquisition wurde sie beschuldigt, Hexenkräuter (inklusive Hanf versteht sich), benutzt zu haben. Das Kirchengericht kam zum Urteil, dass die Hexenkräuter Stimmen in ihrem Kopf bewirkt hätten. Eine ironische Volte des Schicksals ist es, dass der in katholischen Messen geschwenkte Weihrauch jahrhundertelang einen nicht unbeachtlichen THC-Anteil enthielt. Vor dem Hintergrund überrascht es nicht, dass gerade bei Kindern, aber auch bei älteren Menschen während katholischer Messen immer wieder Unwohlsein beziehungsweise auf natürliche Art nicht erklärbare transzendente Erfahrungsberichte festgehalten wurden. Das Schicksal der Heiligen Jungfrau von Orleans ist weitestgehend bekannt. Sie endete schmach- und qualvoll auf dem Scheiterhaufen. Dabei dürfte es ihr auch nicht sonderlich helfen, dass sie heute in der katholischen Kirche als Jungfrau und Heilige verehrt wird.

 

In der Folgezeit wird Hanf vor allem bedeutsam im Zusammenhang mit technischen Erfindungen, Entdeckungen oder die Neuzeit bestimmende Gedanken, die auf Hanfpapier niedergeschrieben wurden. Der Erfinder des Buchdrucks, Guttenberg, druckte 1455 seine erste Bibel auf Hanfpapier. Die Entdeckung Amerikas und damit der Beginn der Frühneuzeit waren eng mit dem Gebrauch von Hanf verbunden. 1492 entdeckte Christopher Columbus bekanntlich den amerikanischen Kontinent. Segel und Taue der Schiffe sowie die Kleidung der Seeleute und die Schiffskarten waren aus Hanf hergestellt. Eine besondere Symbolik dürfte besitzen, dass Columbus der eingeborenen indigenen Bevölkerung Hanfsamen und Kleider aus Hanffasern schenkte. Das die Renaissancezeit dominierende Genie, Leonardo da Vinci, malte eines seiner wichtigsten und bis heute bekanntesten Gemälde auf Hanfleinwand: die Mona Lisa.

Knapp 300 Jahre später wird die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, die bis heute als ein Muster für westliches Demokratieverständnis gilt, auf Hanfpapier niedergeschrieben. Es entsteht der Eindruck, als ob beinahe viele wichtige und zentrale Gedanken unserer Vorfahren, die für unser heutiges Leben noch von Relevanz sind, auf Hanfpapier niedergepinnt wurden.

 

Während der Industrialisierung nahm die Bedeutung des Hanfs entschieden ab. Zu einem Gesellschaftsprozess, der durch strenge arbeitsteilige Rationalisierung und ein Höchstmaß an Effizienz/Effektivität geprägt war, passte weder Hanf als Mittel der spirituellen Erhebung noch als maschinell und industriell verwertbares Produkt. Spätestens mit der Blütezeit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert verdrängte die maschinell schneller und besser zu verarbeitende Baumwolle den Hanfstoff von der Bildfläche. Holz ersetzte zudem Hanf als Rohstoff zur Papiergewinnung. In der Summe fiel der einst so wertvolle Rohstoff Hanf den immer weiter um sich greifenden Mechanisierungs- und Maschinisierungs-Tendenzen zum Opfer.

 

Dem Roll-Back folgte bald die dialektische Gegenbewegung, denn in den hochindustrialisierten USA gewann Cannabis als Rauschmittel eine wesentliche Bedeutung, das dabei half, den Schmerz und Tribut, den die Industrialisierung von Mensch und Natur forderten, zu lindern. Ab 1925 findet deshalb in der neuen Welt ein wahrhaftiger Kreuzzug gegen das hochgefährliche Marihuana statt, in dem es als höchstgefährliche Droge verteufelt wird, die wahnsinnig macht und nicht selten zum Tode führt. Einher mit dieser Kampagne ging rassistisches Gedankengut, denn Marihuana wurde in den USA überwiegend von der afroamerikanischen und hispanischen Bevölkerung geraucht. Nicht selten gingen Vorwürfe der sexuellen Vergewaltigung weißer Frauen durch im Marihuana-Rausch befindliche Schwarze oder Mexikaner mit anderen Vorurteilen einher und es wurde sogar weitschweifig vom Untergang ganzer Nationen fabuliert, die sich dem Marihuana- und/oder dem Opiumgenuss hingeben.

 

Während des 2. Weltkriegs reüssiert Hanf in Folge der allgemeinen Rohstoffknappheit. Folglich reguliert die US-Regierung die Verteilung von Hanfsamen an Bauern und der Marihuana-Konsum wurde für kurze Zeit wieder legalisiert bei gleichzeitigem Anstieg von Hanf als Nahrungsmittel und insbesondere als Faserlieferant. Die kurzzeitige Wieder-Legalisierung des Gras-Konsums sollte wohl in erster Linie der körperlichen, seelischen und geistigen Erholung von Soldaten abseits des Kampfeinsatzes dienen. Für das Kampfgeschehen selbst benutzten die Soldaten eher chemisch hergestellte Stoffe wie Amphetamine, die furchtlos machen und Hunger sowie Müdigkeit vertreiben, aber in den Kampf- und Erholungspausen schien ein Tütchen nicht verkehrt zu sein.

 

Mit dem Ende des 2. Weltkrieges verbannte die chemische Industrie Hanf wieder aus ihrem Repertoire und das positive Image von Hanf wurde erneut ins Negative gedreht. Die von der UNO einberufene Narkotika-Sonderkommission setzte so absurde Horrormeldungen und Szenarien über Marihuana und Haschisch in die Welt: Kiffen führe zu Selbstmorden, embryonalen Fehlbildungen, Verweiblichung der Männer und Vermännlichung der Frauen sowie zur Impotenz und Unfruchtbarkeit. Als die Unwahrheiten dieser bösartigen Unterstellungen ans Tageslicht kommen, muss die Kommission – welch Wunder – ihre Tätigkeit einstellen.

 

In Deutschland reüssierte der Haschisch- und Graskonsum insbesondere in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts im Zuge der sich anbahnenden Studentenrevolte und der damit verbundenen Revolution gegen die bürgerlichen Werte. Damals galt wohl mehr oder weniger die Devise, dass wer dazu gehören wollte, auch kiffen musste. Dies verband sich mit dem allgemeingültigen gesellschaftspolitischen Anspruch einer völligen Neugestaltung der Gesellschaft nach sozialistischem oder kommunistischem Vorbild. In diesem Sinne ist auch der damals beliebte Slogan zu verstehen: High sein, frei sein, Terror muss dabei sein. Natürlich blieb der Konsum THC-haltiger Produkte gesetzlich untersagt und wurde mit nach wie vor empfindlichen Strafen belegt. Noch schlimmer war es für lange Zeit in den Vereinigten Staaten von Amerika: wer dort mit nur einem Joint erwischt wurde, musste nicht selten hinter schwedische Gardinen. Heute setzt zum Glück wieder ein entscheidendes gesellschaftspolitisches Umdenken von oben ein: die EU hat so zum Beispiel den Nutzen von Hanf begriffen, da die nachwachsende Ressource für ökologisch vertretbar und mannigfaltig einsetzbar hält. Zudem kann aus dem Rohstoff Hanf eine sehr breite Palette für den Markt interessanter Produkte gewonnen werden.

 

Noch wichtiger ist sowohl in Amerika als auch in Deutschland der Meilenstein, dass Cannabis als Heilpflanze für zahlreiche Erkrankungen anerkannt wird. Da kann man nur sagen: Back to the roots! Denn die medizinisch positive Wirkung von THC war ja bereits – wie hier skizziert -, seit tausenden von Jahren bekannt. Endlich entfällt somit die gesellschaftliche wie auch individuelle Stigmatisierung von Hanf und der medizinische Nutzen kommt – wenngleich erst langsam, mühsam und mit unzähligen bürokratischen Hindernissen versehen (zumindest in good old Germany) – den an Krankheiten leidenden Menschen zu Gute. Was für ein steiniger Weg liegt dem heutigen Resultat zu Grunde! Bis zu einer völligen Legalisierung oder kontrollierten Abgabe von Marihuana zum ungebundenen, zweckfreien Freizeitgenuss dürfte es in Deutschland leider noch ein Weilchen dauern. Aber der Blick über den großen Teich in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und zu unseren holländischen Freunden lehrt, dass die Hoffnung nicht allzu schnell aufgegeben werden sollte. In einigen der 50 US-Bundesstaaten ist Freizeit-Marihuana für alle Erwachsenen (über 21 Jahre) legalisiert und darf in sogenannten „Dispensaries“ ver- und gekauft werden. Bei unseren niederländischen Nachbarn im Windmühlenland funktioniert die liberale Politik in Sachen weiche Drogen seit Jahren erfreulich gut zum Wohle aller. Und vielleicht muss in Deutschland in naher Zukunft niemand mehr ein körperliches Gebrechen wie Glaukom, Multiple Sklerose oder nachgewiesene Dauerschmerzen haben, um legal die grüne Pflanze der Götter erwerben zu dürfen.

 

Dies wäre meines Erachtens ein weiterer notwendiger Schritt in der Kulturgeschichte des Cannabis‘ und Haschs. Die antiken Gewissheiten, welche die Menschen bereits vor Jahrtausenden auf psychoaktiven Pflanzen gewonnen haben, gelten heute nach wie vor. Der verantwortungsvolle Umgang mit THC ist so der bewusste Versuch des Menschen in der Moderne, sich zu transzendieren und Erfahrungen zu machen, die es in unserer allzu schnelllebigen Gesellschaft sonst nicht mehr zu machen gibt. Gerade in der zunehmend virtualisierten Welt und dem damit verbundenen digitalen Overload tut eine Rückbesinnung auf die alten Pflanzen der Götter not und gut.

 

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2 Kommentare
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U-G
6 Jahre zuvor

Die beste Überschrift, die ich seit langen nicht gelesen habe bzw. hatte.

DEM MENSCHEN ZU NUTZEN!!!!!!!!!!!!!! THE ONE OF THE BEST OF seit LANGEM!!!!

Wunderbar und ermutigend zugleich!!!!

Orgasmus-verdächtig!!!!

Ralf
6 Jahre zuvor

Ich finde das ist ein sehr lückenhafter schlecht gemachter Artikel der die wahren Gründe dises Prohibitionsverbrechens nicht nur lückenhaft sondern an manchen Stellen falsch darstellt. So ein nichts sagendes Bla Bla braucht niemand, dann lest lieber gute Bücher.