Dienstag, 29. August 2017

Das ist unser Haus: Eine Geschichte der Häuserbesetzung

Buchtipp

 

Besetztes Haus und ein Joint! Was will man/Frau denn mehr?

 

Ein Rezensent sollte über den Gegenstand des besprochenen Buchs gut Bescheid wissen, das versteht sich von selbst. Im Idealfall hat er sogar das, worum das Buch sich dreht, selbst miterlebt. In diesem Fall trifft beides zu. Ich kenne mich leidlich theoretisch mit der Materie des besetzten Häuserkampfs in der Bundesrepublik Deutschland aus, und ich habe selbst genügend Berührungspunkte in meiner Biografie, dass ich mit gutem Gewissen behaupten kann, dass mir besetzte Häuser auch praktisch alles andere als fremd sind.

 

Gelebt habe ich allerdings nie dauerhaft in einem besetzten Haus, aber ich hatte immer genügend Freunde dort, sodass ich bei ihnen zeitweilig ständig ein- und ausging. Und die in der Bevölkerung verbreiteten Klischees über besetzte Häuser stimmen zum Teil. Manche Zimmer sind spartanisch nur mit einer Matratze und linken Kampfpostern ausgestattet, andere hingegen sind so liebevoll-individuell hergerichtet, dass der IKEA-Muster-Kleinfamilie, das Wasser im Mund vor Neid zusammenlaufen dürfte. So unterschiedlich die Zimmer, so einhellig war doch die politische Ausrichtung der besetzten Häuser. Natürlich immer stramm links. Und so wurde dort natürlich viel am gemeinsamen Küchentisch bei Wein, Bier und Joint politisiert. In manchen besetzten Häusern gab es die Kampfpostille „Radikal“ und RAF-Schriften (damals mit bis zu neun Monaten Haft bestrafbar!) unter der Hand, in anderen hatten sich sogenannte Prozessgruppen zur Unterstützung der RAF-Gefangenen gebildet. Manchmal war der politische Ansatz viel pragmatischer und es gab sogenannte Volksküchen (VOKÜs), die Obdachlose und Bedürftige mit einfachem Essen wie Pellkartoffeln, Quark und Buttermilch quasi umsonst verköstigten.

 

Für mich waren besetzte Häuser immer faszinierend und ich empfand sie nie als anstrengend – vermutlich weil ich immer die Gelegenheit hatte, rechtzeitig die Biege zu machen, wenn mir der Sinn danach stand. Umso höher ist das Verdienst der Herausgeber Barbara und Kai Sichtermann einzuschätzen, die mit dem im Aufbau Verlag erschienenen Buch „Das ist unser Haus: Eine Geschichte der Häuserbesetzung“ ein lesenswertes Panoptikum des Häuserkampfs in der BRD und anderswo geliefert haben. Zu erwähnen ist dabei, dass beide intensiv in die Häuserkämpfe der ersten Stunde involviert waren und Kai Sichtermann der Bassist der legendären Gruppe „Ton, Steine, Scherben“ war, quasi der Band der deutschen Hausbesetzerszene.

 

Zum Inhalt: Nach dem bekannt-beliebten Motto „legal – illegal – scheißegal“: Hausbesetzer erzählen die Geschichte des Häuserkampfs, lassen Sichtermann und Sichtermann Beteiligte des Häuserkampfs aus der BRD, Schweiz, Österreich und anderen Ländern zu Wort kommen. Denn als die Revolution nach dem Sommer der Liebe 1968 doch nicht stattfand und als aus dem fröhlich-kreativen Widerstand der Studenten gegen die mitunter tiefbraune Pantoffelrepublik ihrer Eltern nichts wurde, schickte sich eine neue Generation an, die Städte mit viel Phantasie zurück zu erobern. „Das ist unser Haus“ ist ihre Geschichte, in der unter anderen Daniel Cohn-Bendit und Klaus Geiger zu Wort kommen – ebenso wie viele andere Beteiligte.

Beileibe nicht nur in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Köln, Freiburg und Zürich tobte seit den 1970er Jahren der Häuserkampf – manchmal mit brachialen Mitteln gegen die Staatsgewalt. Die wichtigsten Protagonisten von damals kommen ausführlich zu Wort, sie erzählen, wie alles anfing, was die Bewegung bewirkte und welche Kämpfe die Hausbesetzer im Laufe der Jahrzehnte ausgefochten haben. Die Geschichten drehen sich um Liebe, Selbstbestimmung, Drogen, aber auch ermüdenden, mehr oder weniger basisdemokratischen Gruppendiskussionen, wie das besetzte Haus zu führen sei, wer Putzdienst habe oder wer die Küche aufzuräumen habe. Das Buch ist „oral history“ vom Feinsten, ein Lese-, Bilder- und Geschichtsbuch über eine Zeit, die angesichts stetig steigender Mieten und Wohnungspreise von der Thematik her hochaktuell ist. Wem gehört die Stadt und wie stellen wir uns die Städte der Zukunft vor?

 

Gerade in den Zeiten der zunehmenden Gentrifizierung ist „Das ist unser Haus“ ein wichtiges Werk, das eindrucksvoll aufzeigt, dass Partizipation von unten möglich und durchsetzbar ist. Auch heute findet man in Deutschland noch letzte Residuen des Häuserkampfs. So findet sich zum Beispiel in Potsdam noch ein letztes besetztes Haus, während in Tübingen die besetzten Häuser nach und nach „legalisiert“ wurden, danach aber beinahe so bunt und lebhaft wie davor blieben. „Das ist unser Haus“ sei jedem zur Lektüre empfohlen, denn hier vermengen sich wichtige historisch-politische Einsichten, die zur heutigen Orientierung durchaus wichtig sein können.

 

Christian Rausch

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5 Kommentare
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U-G
6 Jahre zuvor

Hier etwas Aktuelles was ich bei der Suche nach diesem Buch nebenbei fand…

So geht die Staatsgewalt mit Ausländern um, die zur Zeit im “Knast” einsitzen…Darunter sitzen ein junger Niederländer, ein Pole und weitere ein…Die es Interessiert bitte lesen…

https://unitedwestand.blackblogs.org/

Marci
6 Jahre zuvor

Geschieht allen recht, die vor Ort waren @ U-G! Undemokratisch, so hässlich zu demonstrieren und Eigentum von normalen steuerzahlenden Bürgern zu zerstören. Also die normalen Leute, die auch friedlich demonstrierten, haben sich verpisst wo dieser scheiss losging bzw eskalierte in Hamburg. Normale Bürger gehen dann nach Hause, so wie ich und schauen dem Mob nicht noch zu, wie alles von NichtBonzen zerstört wird. Sollen sie alle noch länger weg sperren. Auch das mit dem Häuser besetzten. Welche linken Gruppierungen hat das weiter gebracht? In der Politik oder wo, wie, was? Wem das nützt sind den linken Dauerstudenten, die sich kostengünstig einquartieren. Ganz ehrlich und was bringt es der allgemeinen Bevölkerung? Ja genau nur Steuergelder mehr auszugeben, da sich Leute einfach… Weiterlesen »

U-G
6 Jahre zuvor

Hallo Marci, ich grüße dich!!! Ich war selber mal jung und das junge Menschen mißbraucht werden um Gewalttaten zu verüben ist, das sie leicht Köderbar sind. Das die Armut und die sich nichts leisten zu können immer mehr zunimmt, ist das was passiert ist Ausdruck einer totalitären Politik. Finanz-Total-Abgedreht-Wahnsinn. Seit 23 Jahren aus der “Kriminalität” Szene der Nacht ausgestiegen. Endstation. Die jungen Menschen haben keine Perspektive und die sind heute weiter als wir damals. Handy…Smart und Großschwanz-Kommunikation… Zubombardiert mit Elend oder Blenda-Weiß… Gewalt lehne ich jetzt bzw. schon vorher ab…kann man erlernen… 1991 hatte ich mal Rache ausgeführt, der meinen Landsmann grundlos und einfach durch seinen Ego ihn auf Verdacht bis auf die Unterhose gefilzt hatte. Zufällig war er mal… Weiterlesen »

U-G
6 Jahre zuvor

Nehmen wir mal an, ich würde die Deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, ja.

Meinen Namen würde ich aber nicht ändern.
Mein Vorname würde “Vladimir” in den Deutschen Pass eingetragen sein.

Da ich “Kiffer” bin und die “Indianer” besuchen möchte, um bestes “Gras” rauchen zu wollen und sie erleben möchte, nachdem ich ihnen über den Europäischen “Kriegen” und “Hass” auf “Alles” was anders ist mitteilen möchte…

Was würde die Zollkontrolle mich als erstes fragen wollen???
Na doch nicht wegen Gras.
Sondern bin ich ein Kommunist, der eine Tarnung nutzt um in die USA einreisen zu können , um Unruhe zu stiften???

Was denkst du Marci?

U-G
6 Jahre zuvor

Tja, leider sind die Lieder (Pesme) der Sinn, Text, Rhythmus nicht erwünscht, Zensurtechnisch.

Bin weg.

Weiterhin viel Erfolg

Gute Nacht und ciao