Dienstag, 18. Juli 2017

Drogen im 3. Reich: Vom Führer bis zum einfachen Volk

Buchkritik

Der totale Rausch auf harten Drogen – aber leider ohne THC!

 

 

Deshalb hieß wohl auch die Devise: Wollt ihr den totalen Krieg, statt wollt ihr die totale Liebe oder Peace, Man?

 

Eins sei vorneweg gesagt. „Der totale Rausch – Drogen im Dritten Reich“ von Norman Ohler aus dem Verlag Kiepenheuer & Witsch ist ein echter Knaller über ein eigentlich sehr schwieriges und auch irgendwie trauriges Thema. Denn im Dritten Reich unter der nationalsozialistischen Herrschaft wurden massenhaft harte Drogen konsumiert, ein Sachverhalt, der bis vor kurzem wohl eher wenig untersucht und der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt gewesen sein dürfte.

 

Zum Inhalt: Das spannende Thema des Sachbuchs ist der massenhafte Gebrauch von harten Drogen im Dritten Reich. Der Historiker und Mommsen-Schüler (Hans Mommsen: Initiator des Historikerstreits und Befürworter eines Geschichtsrevisionismus, der die Verbrechen des 3. Reichs relativiert) Norman Ohler geht den Tätern von damals buchstäblich unter die Haut und schaut ihnen direkt in ihre Blutbahnen und Blutbilder hinein. Dabei ging es keinesfalls arisch rein zu, dafür aber äußerst chemisch deutsch und ziemlich toxisch, was selbst den härtesten braunen Landser irgendwann aus den Socken gehauen haben dürfte. Ohler zeigt eindrucksvoll auf, dass, wo die Ideologie für bedingungslosen Fanatismus und den ultimativen »Endsieg« nicht mehr ausreichten, hemmungslos mit harten Drogen nachgeholfen wurde.

 

Das fröhliche, volksgemeinschaftliche „Sich-Zudrogen“ begann schon sehr früh. Denn als Deutschland 1940 Frankreich überfiel, standen die Soldaten der Wehrmacht unter sage und schreibe 35 Millionen Dosierungen „Pervitin“. Dieses knallharte Präparat mit dem extremen Suchtpotenzial – heute als Crystal Meth bekannt und als Problemdroge Nummer Eins in den USA, Asien und Europa stigmatisiert – machte den Blitzkrieg – ganz nomen est omen – erst möglich.

 

Aber Ohler wendet sich, sonst bliebe die Geschichte von unten ein wenig trocken, auch den Big Playern des Dritten Reichs zu. So wurde der zweite Mann im Staat, Hermann Göring, aufgrund seiner Morphium-Abhängigkeit, lustiger- und sinnigerweise „Möhring“ genannt. Bei seiner Verhaftung durch die Amerikaner hatte Göring sage und schreibe über 20.000 (!) opiodhaltige Tabletten dabei. Aber Ohler zeigt, dass auch der vermeintliche Abstinenzler und Vegetarier Adolf Hitler, der uneingeschränkte Führer im Dritten Reich, die unangefochtene Nummer Eins, gerne und äußerst reichlich zur pharmakologischen Stimulanz griff. Hitler war zwar Zeit seines Lebens mehr oder weniger suchtaffin, aber Ohler macht als Wendepunkt in Hitlers Suchtkarriere das Attentat von Graf Stauffenberg und den Mitverschwörern des 20. Juli 1944 verantwortlich. Danach habe Hitler hemmungslos und scheinbar ohne Grenzen zu einem Drogencocktail in unsäglich hohen Dosierungen gegriffen. Zu den Substanzen gehörten Kokain, Crystal Meth und vor allem unterschiedliche Sorten von Opiaten (die zum Teil auch unterschiedlich, also stimulierend oder sedierend, wirken können). Als Hitler im Winter 1944 seine letzte Offensive befehligte, war er längst süchtig nach Eukodal, einem Hammer-Opiat, das wesentlich stärker als Heroin ist. Tagtäglich erhielt er von seinem unentbehrlich gewordenen Leibarzt Dr. Theo Morell verschiedenste Dopingmittel, dubiose Hormonpräparate und natürlich auch harte Drogen gespritzt, denn ohne die ging sprichwörtlich gar nichts mehr. Nur so konnte der Diktator seinen Wahn und den Glauben an den Endsieg bis zum Schluss aufrechterhalten.

 

Hitlers Untergang war also auch drogeninduziert, so die These Ohlers, wobei er, dies sei an dieser Stelle in aller Deutlichkeit kritisch angemerkt, allerdings zu vergessen scheint, dass die Niederlage des Dritten Reichs weniger mit harten Drogen als vielmehr mit ressourconaler, militärischer und personeller Unterlegenheit zu tun hatte. Ließe man Ohlers These unwidersprochen stehen, könnte sich der Eindruck aufdrängen, die Deutschen hätten den zweiten Weltkrieg ausschließlich wegen einem süchtigen und ständig zugeknallten Diktator verloren.

 

Ohlers „Der totale Rausch“ ist ein kurzweiliges Lesevergnügen über ein an sich trauriges Thema. Hätte hätte Fahrradkette, kann man etwas platt und vereinfachend in der historischen Nachschau, also der ex post-Perspektive wohl sagen: Hätte THC dieselbe Verbreitung bei Volk und Führer gefunden wie die harten Drogen, dann wäre die Weltgeschichte wohl um einiges friedlicher verlaufen und hätte 50 Millionen Menschen das Leben gerettet. Immerhin finden in dem Sachbuch auch einmal sogenannte weiche Drogen am Rande eine kurze Erwähnung: So experimentierte ausgerechnet die blutrünstige SS mit Meskalin, um Gefangenen und Geheimnisträgern die Psyche zu öffnen und sie gefügig zu machen. Hätten sie doch nur ihrem geliebten Führer damit die Pforten der Wahrnehmung zu anderen Welten aufgeschlossen, die Welt wäre wahrhaftig eine bessere gewesen.

 

Christian Rausch

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9 Kommentare
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Salah Eddine
6 Jahre zuvor

Wollen die uns nur deswegen vor den Bösen Drogen fern halten?

Peace
6 Jahre zuvor

Eukodal ist Oxycodon nichts anderes, d.h. es hat eine Potenz von 2,5 also genauso stark wie Heroin. Trotzdem bestimmt ein interessantes Buch. Was aber unbestritten ist, dass THC einen friedvolleren Verlauf der Geschichte gebracht hätte wenn es medizinisch genutzt worden wäre. Die sog. Soldatenkrankheit ( heute PTBS) hätte jedenfalls gut behandelt werden können falls es aufgefallen wäre, dass es dagegen hilft. Ich kenne nur Geschichten von Fallada aus dieser Zeit und einige sonstige Texte. Was jedoch auffällt, die “bösen Substanzen” waren zumeist pharmazeutisch rein und damit von der Dosierung wesentlich einheitlicher zu handhaben. Wenn alle die genannten Drogen nur rezeptpflichtig und damit rein und evtl. auch noch günstiger wären hätte man trotz eines Verbotes für den freien Verkauf sowas wie… Weiterlesen »

Ralf
6 Jahre zuvor

Das BtmG gehört ersatzlos gestrichen, da es nichts aber auch garnichts mit Gesundheitsschutz oder gar mit Gerechtigkeit zu tun hat, weil es die schlimmste Todesdroge verharmlost, nämlich das tödliche Zellgift Alkohol, sie auch garnicht erst berücksichtigt und den Konsumenten dieses Flüssigrauschgiftes bevorzugtes Recht einräumt, was ein glatter Menschenrechtsbruch ist!

Eienr
6 Jahre zuvor

Opioid eint ihr wenn ihr opiat schreibt 😉

Zum Buch kann ich nur sagen dass es immer wieder spannend klingt, aber in irgendeinem Artikel wegen unvollständiger Belege auseinander genommen wurde.
Kann ich so aber nicht beurteilen, hindert mich aber daran das Buch unkritisch weiter zu empfehlen so wie das hier passiert.

Fetales Alkoholsyndrom
6 Jahre zuvor

Leibarzt Dr. Theo Morell , hat Hitler getötet ?

Fetales Alkoholsyndrom
6 Jahre zuvor

Die Akten der “Drogenexperimente” , aus den KZ´s des Dritten Reiches , sollten veröffentlicht werden . Die amerikanische Regierung verstößt, mit der Geheimhaltung der Forschungsergebnisse , gegen Internationales Recht .

Ralf
6 Jahre zuvor

@Fetales Alkoholsyndrom
Als ob die Amis auch nur ein einziges mal internationales Recht gejuckt hätte. Es ist das Recht des stärksten und damit sein Eigentum, das er je nach “Interessenlage” benutzt.

R. Maestro
6 Jahre zuvor

Wir hatten in Deutschland ja mal jemand, der glaubte, der größte Feldherr aller Zeiten zu sein.
Der hieß ja A…. ..tler.
Unsere derzeitige, anscheinend auch beste Drogenbeauftragt heißt M…… …tler.
In vielen Punkten habe ich das Gefühl dass sich die deutsche Geschichte wiederholt/fortsetzt.
Angebliche Minderheiten zu verfolgen.
Zumindest war der Typ aus Wien total unter Drogen.
Das sind sie heute angeblich nicht.
Es gibt ja auch einen “Unterschied” zwischen Alkohol und Drogen.
Scheiß verlogene Gesellschaft zumindest, Politik.

R. Maestro

Petra Meow
1 Jahr zuvor

“Hätten sie doch nur ihrem geliebten Führer damit (also mit Meskalin) die Pforten der Wahrnehmung zu anderen Welten aufgeschlossen, die Welt wäre wahrhaftig eine bessere gewesen.” Lieber Herr Christian Rausch: Sie könnten sich hier allergründlichst verdacht haben. Ich stelle hier den begründeten Verdacht in den Raum, dass Hitlers wahnhafte religiöse Visionen tatsächlich durch den Gebrauch von Meskalin ausgelöst wurden. Arthur Heffter isolierte 1897 das Meskalin aus dem Peyotekaktus. Er war begeistert und an schneller Erforschung interessiert. Alles deutet darauf hin, dass damals dasselbe passierte wie später bei der Erforschung des LSD-25. Über Ärzte, Psychologen und die künstlerische Avantgarde kam es zu unzähligen Selbstversuchen. Allerdings bekannten sich die Probanden nur in den wenigsten Fällen zum Drogengebrauch, sie verheimlichten ihn. Es ist… Weiterlesen »