Dienstag, 11. Juli 2017

Cannabis-Krümel reicht nicht für Haftstrafe

 

Schöffengericht Starnberg kann Blamage der Polizei und Staatsanwaltschaft nicht abwenden

 

Cannabis
Bild: Sadhu van Hemp

 

 

Wunder gibt es immer wieder – auch im Freistaat Bayern. Doch bevor so ein Wunder geschehen kann, muss das Undenkbare erst einmal geprüft werden – und das von irdischer Instanz. Diese Aufgabe wurde nun dem Schöffengericht Starnberg zuteil, das darüber zu befinden hatte, ob einem wegen Drogenhandels angeklagten jungen Mann das Wunder in Form von Gerechtigkeit widerfahren sollte.

 

Zu klären galt die Glaubensfrage, wem mehr zu glauben ist: der Polizei oder dem Bösewicht. Die Anklageschrift legte dem 23-jährigen Beschuldigten zur Last, vor eineinhalb Jahren in Gauting zwei minderjährigen Mädchen Cannabis verkauft zu haben. Zudem waren Polizei und Staatsanwaltschaft davon überzeugt, dass sich der junge Mann als Schmuggler und „Ticker“ von Cannabis und anderen berauschenden Substanzen betätigte. Laut Ermittlungsakte sei der Angeklagte beweiskräftig des Drogenhandels überführt: Er sei aktiv tätig gewesen, „Gras und Kokain zu verticken“.

 

Doch nach genauerem Hinsehen konnte das Gericht nicht übersehen, dass die Beweislage etwas dünn ist und eher auf Hörensagen beruht. Zwar gab es Indizien, die darauf hindeuteten, dass der 23-Jährige der kriminalisierten Hanfcommunity angehört, aber der Polizei sei es trotz intensiver Ermittlungsarbeit nicht gelungen, den Verdacht des schweren illegalen Drogenhandels zu untermauern. Weder die polizeilichen Befragungen der Ohrenzeugen, die aus dem Munde anderer gehört haben wollen, dass der Angeklagte der Berufsgruppe der Rauschgiftdealer zuzurechnen ist, noch die Ergebnisse des ausgelesenen Mobiltelefons und der Hausdurchsuchung konnten den allerletzten Zweifel an der Unschuld des Angeklagten ausräumen.

 

Bewiesen war nur, dass der 23-Jährige zugab, manchmal Cannabis zu rauchen. „Aber ich habe nie etwas verkauft“, beteuerte der Angeklagte. Auch leugnete er nicht, eines der Mädchen flüchtig zu kennen. Was die Jugendliche seinerzeit veranlasste, in einer „Kiffer-Runde“ auszuplaudern, von ihm in einem Lokal „für 30 Euro einen Brocken Haschisch“ erworben zu haben, konnte sich der Beschuldigte nicht erklären.

Doch die Einlassung des jungen Mannes allein hätte vermutlich im Reich der Bajuwaren nicht gereicht, um den Hals aus der Schlinge zu ziehen. Dass sich die Waage schließlich doch noch zu seinen Gunsten neigte, ist dem schlechten Gedächtnis der Hauptbelastungszeugin zu verdanken. Die mittlerweile der Pubertät entwachsene junge Dame konnte ihre von der Polizei protokollierte Aussage nicht bestätigen. Das Einzige, woran sie sich noch erinnern könne, sei das plötzliche Auftauchen der Polizei.

 

Der in der Wohnung des Angeklagten gefundene Haschkrümel und das Geschnatter der Mädchen reichten dem Gericht nicht für die beantragte Verurteilung zu einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr. Die schlampige Ermittlungsarbeit der Polizei kompromittierte die Staatsanwaltschaft derart, dass diese dem Vorschlag der Richterin kleinlaut zustimmte, den Angeklagten vom Vorwurf des Drogenhandels freizusprechen und dafür wegen illegalen Besitzes von Haschresten abzuwatschen. Und so geschah das Wunder von Gauting – und das Verfahren wurde gegen eine Geldbuße von 200 Euro zugunsten der Staatskasse eingestellt.

 

Zurück unter weißblauen Himmel bleibt ein aktenkundiger Grünschnabel, der um ein Haar wegen eines Gerüchts sein blaues Wunder erlebt hätte, aber auf wundersame Weise mit einem blauen Auge davongekommen ist.

 

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7 Kommentare
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Ralf
6 Jahre zuvor

Ja, die cannaphoben Bayern, sie strampeln, sie schlagen hysterisch um sich wie die kleinen Kinder. Nein sei wollen die Wahrheit nicht einsehen denn es kann nicht sein was nicht sein darf. Da wäre ja alles umsonst gewesen und die Kiffer sind nie wieder ausrottbar, wenn dieses kriminelle Hanfrauchen auch noch legal werden sollte. Oh Gott, oh Gott, das hat doch alles Enfluß auf die Meinungsbildung (Zitat Tomasius). Da müssen sie doch noch wenigstens möglichst viel verbrannte Erde hinterlassen, möglichst vielen Kiffern das Leben ruinieren, notfalls mit der Wiedereinführung der Todesstrafe für Kiffer. Irgendwie müssen die doch aus der Welt zu schaffen sein, damit Europa und die Welt endlich KIFFERFREI gemacht werden kann. Kiffern in den Hinterkopf schießen haben sie ja… Weiterlesen »

rainer sikora
6 Jahre zuvor

Wer bestraft die,die mit Alk und Tabak handel treiben.

Cosmo
6 Jahre zuvor

@ rainer
Naja, der Zoll, wenn nicht ordentlich versteuert.

Hans Landa
6 Jahre zuvor

@Ralf,
Todesstrafe für Kiffer, wäre auch für die Statistik klasse, zB “2017 gab es 365234 Tote durch Folgen des Cannabis Konsums”

Peter
6 Jahre zuvor

@Rainer: Ja Mooooment: BIER gehört ja zur bayrischen Kultur! Cannabis nicht! Sagt irgend so eine Frau Mörtel oder so ähnlich.

Horst B.
6 Jahre zuvor

Mal was zur bayerischen Urtradition, wie Bier… und Hanfanbau !
Im Allgäu, genauer in Immenstadt am Alpsee, stand eine grosse Seilfabrik, die sogar für Hochseeschiffe Hanfseile herstellte. Beliefert wurde sie aus der näheren Umgebung. THC armer Industriehanf war damals unbekannt und der Tabak für die Bauern und Knechte echter Luxus. Historische Frage:
Was rauchten sie nach dem harten Tagwerk in ihren langen Pfeifen gemütlich auf dem Bänkchen am Hof ?

Ralf
6 Jahre zuvor

@Horst B.
Cannabis! Damals Knaster genannt, und in der deutschen Literatur der damaligen Zeit als harmloses Genussmittel hoch gelobt. Später von Anslinger,Nixon und anderen Nazis als Marihuana verunglimpft und vom kriminellen Hearst Medienkonmzern stigmatisiert. Auch mein Opa hat`s geraucht.