Mittwoch, 17. Mai 2017

Hans Fallada – Die Biographie

Buchtipp

 

Über das Leben von Hans Fallada

Zwischen Fixe und Psycha!

 

Opportunist, Nazi oder großer Künstler?

 

Es gibt Fragen, die darf man sich im Leben ruhig stellen. Warum soll ich mir so etwas wie Literatur oder gar Weltliteratur antun? Da gibt es doch wahrlich angenehmere und chilligere Dinge, die jede/r mit seinem Leben anfangen kann. Stimmt! Aber manchmal lohnt sich ein Blick in die Welt der großen Literatur. Denn dann entdeckt Mann und Frau, dass es dort auch nicht anders zugeht als anderswo. Und das trifft manchmal auch insbesondere auf die wahren Künstler zu. Soll heißen, auch diese Künstler waren Hurenböcke, Suchtnasen und psychisch degeneriert. Bei einem dieser Künstler handelt es sich um den deutschen Schriftsteller Hans Fallada, der zwischen 1893 und 1947 gelebt hat. Im Aufbau Verlag Berlin ist nun eine sehr kurzweilige Biographie von Peter Walther erschienen, die wirklich eine Lektüre wert ist.

 

Zum Inhalt: Fallada, mit bürgerlichem Namen Rudolf Ditzen, war schon immer populär, heute zählt er zur gehobenen Literatur. Sein Leben gleicht einer Achterbahnfahrt. Mit bereits 16 Jahren wird er morphiumsüchtig. Zwei Jahre später kaschiert er einen Doppelselbstmord mit seinem besten Freund als Duell – der Freund stirbt, er überlebt. Während er sich als junger Mann als impotent wähnt und lediglich den Freuden der Onanie hingibt, entwickelt er später einen abartigen sexuellen Appetit und kein weibliches Lebewesen ist, sehr zum Leidwesen seiner Frau Suse, vor seinen Avancen sicher. Immer wieder landet Fallada im Knast wegen Suchtvergehen und anderen kriminellen Handlungen. Zeit seines Lebens liefert er sich selbst in sporadischen Abständen in psychische Kliniken ein, um sich selbst vor seiner Selbstzerstörungswut zu retten. Die Biografie von Walther macht mehr als deutlich, von welchen Dämonen der Künstler besessen ist: Sex, Sucht und Gier nach materiellem Wohlstand und geistiger Anerkennung treiben ihn Zeit seines Lebens an.

 

Die Biographie zeigt deutlich, dass Fallada nicht nur Künstler, sondern auch Landwirt eines großen Anwesens war. Walther lässt auch die Ambivalenz Falladas im 3. Reich deutlich zu Tage treten. Denn einerseits war er aufgrund seiner Morphium-, Alkohol- und Schlafmittelsucht eine persona non grata, andererseits spannte ihn Goebbels Propagandaministerium für zahlreiche Film-, Buch- und Propagandaprojekte ein. Da spielte es für die Granden des Nazi-Regimes auch keine Rolle, dass Fallada mehrfach als geisteskrank klassifiziert worden war und solche Personen nicht in die Ideologie des Übermenschen passten. Fallada entblödete sich nicht im Rausch vom Glauben an den Endsieg durch Wunderwaffen zu fabulieren. Nach dem Krieg spannten ihn die Sowjets als scheinbar politisch unbelastete Person als Bürgermeister in der SBZ ein. Aber Fallada verfällt nun mit einer neuen, wesentlich jüngeren Frau, vollkommen seiner Sucht: ein tödlicher Cocktail aus Alkohol, Schlafmitteln und Morphium. Cheers, wohl bekomm’s! Und dann machen weder sein Körper noch sein Geist mit, und er stirbt recht jung.

 

Die Biographie „Hans Fallada“ von Peter Walther ist durchaus äußerst lesenswert und kurzweilig. Und der suchtaffine Leser wird seine wahre Freude daran haben, denn hier erkennt er, wie gestört und süchtig auch die ganz großen Schriftsteller der deutschen Literatur gewesen sein können. Und dass sie in Sachen Toleranz und Verbrauch im Vergleich zu Hans Fallada vermutlich wie ziemliche Waisenknaben dastehen. Denn eins ist klar. Fallada konnte so ziemlich jeden unter den Tisch saufen, mehr Schlafmittel im Wachzustand nehmen als die meisten und seine Morphium-Toleranz ist beinahe sagenhaft. Bleibt ein Trost: Fallada mit ein bisschen Gras oder einem guten Kanten unter den Tisch zu rauchen wäre vermutlich problemlos möglich gewesen. Und ganz sicherlich hätte ihm das im Gegensatz zu den Giften, die er sonst zu sich nahm, geholfen.

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3 Kommentare
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Sadhu van Hemp
Editor
6 Jahre zuvor

Danke für den Buchtipp.

Hans Falladas Romane sind ein echtes Lesevergnügen. Zu empfehlen sind: “Bauern, Bonzen und Bomben”, “Kleiner Mann – was nun?”, “Wer einmal aus dem Blechnapf frißt”, “Jeder stirbt für sich allein” und noch etliche andere. Vieles von dem, was Fallada schrieb, ist aktueller denn je.

Wirklich schade, dass der Mann mit dem scharfen Verstand bereits mit 53 Jahren (drogenbedingt) den Abgang gemacht hat und Leuten das Feld der deutschen Nachkriegsliteratur überlassen hat, die wesentlich weniger zu sagen hatten.

Manu
6 Jahre zuvor

“Bauern, Bonzen und Bomben” fand ich persönlich nicht so gut.

Ebenfalls empfehlen würde ich “Der Trinker” – das ist Falladas Verarbeitung seines Aufenthalts in einer Suchtanstalt
und “Der eiserne Gustav” – auch wenn der Titel nicht so spannend klingt – ein richtig gutes Buch, welche anhand einer Familiengeschichte die Zeit und die Umbrüche (politisch und technologisch) von vorm ersten Weltkrieg bis in die Zeit der Rezession beschreibt.

Aber “Kleiner Mann was nun?” ist vielleicht das beste, wenn man sonst noch nichts von Fallada gelesen hat.

Sadhu van Hemp
Editor
6 Jahre zuvor

Ahoi Manu!

Oh ja, der “Eiserne Gustav” ist ein richtig schönes Buch – gespickt mit regimekritischen Anspielungen. Auch der “Trinker” ist absolut lesenswert, allerdings harter Tobak für nicht so hart gesottene Leseratten.

Ich habe von Fallada alles gefressen. Nur sein Spätwerk “Alpdruck” fehlt noch. Das soll mein letztes Buch sein – und dann ab ins Fegefeuer.