Mittwoch, 12. April 2017

Jahrbuch Sucht 2017 – alles wie gehabt in Deutschland

 

Alkohol ist unangefochten die beliebteste legale Droge der Deutschen

 

 

Alle Jahre wieder präsentiert die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) ihr „Jahrbuch Sucht“ (PDF), das Auskunft über den Rauschmittelkonsum der Bevölkerung gibt. Die Sammlung aller Daten und Fakten über das Konsum- und Missbrauchsverhalten gilt als verlässlich, da in der DHS so gut wie alle Träger der ambulanten Beratung und Behandlung, der stationären Versorgung und der Selbsthilfe vertreten sind und Zahlen abliefern. Der 1947 gegründete Dachverband steht für die Suchthilfe in Deutschland und weiß, was der Deutsche schluckt und einatmet.

 

Die Zahlen für 2015 sind entsprechend ernüchternd. Nach wie vor lässt des Deutschen Sauflust die Kassen der Alkoholindustrie und Suchthilfeorganisationen klingeln. Unter Berücksichtigung, dass die härteste Droge der Welt in Deutschland zumeist von 15 bis 65 Jährigen genossen wird, erreicht der jährliche Durchschnittskonsum der Bevölkerungsmehrheit 14,6 Liter Reinalkohol. Repräsentative Umfragen und Hochrechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass 3,38 Millionen Erwachsene von einer alkoholbezogenen Störung betroffen sind. Die Missbrauchsquote liegt bei 1,61 Millionen; die der Abhängigkeit bei 1,77 Millionen Personen. Zudem werden jährlich 74.000 Todesfälle durch Alkoholkonsum oder den kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol gezählt.

Die direkten und indirekten Kosten des Alkoholkonsums werden auf rund 40 Milliarden Euro beziffert. Dem stehen Einnahmen aus der Alkoholbesteuerung von 3,191 Milliarden Euro gegenüber. Die Zahlen belegen, dass die deutsche Sauf- und Trinkkultur mit all ihren negativen Begleiterscheinungen vom Staat gepflegt und kräftig subventioniert wird.

 

Auch gut dabei sind die geschätzten 1,9 Millionen Menschen, die von Medikamenten abhängig sind – Tendenz steigend. Der Bremer Gesundheitsexperte Gerd Glaeske spricht von einer hohen Intransparenz, da Privatrezepte für Schlaf- und Beruhigungsmittel eher die Regel als die Ausnahme seien. „Sie verschleiern letztlich eine kritische Arzneimittelversorgung, weil sie an keiner Stelle systematisch erfasst und ausgewertet werden“. Betroffen von der Verordnungswut der Ärzte sind demnach vor allem ältere Menschen über 65 Jahre – davon zwei Drittel Frauen.

Auch die Schmerzmittelversorgung hält Glaeske für wenig transparent. So werden rund 150 Millionen Packungen Schmerzmittel verkauft, von denen 70 Prozent ohne Rezept in den Apotheken über den Verkaufstresen gehen. Der Bremer Experte mahnt eine bessere Kooperation von Ärzten und Apothekern an, um den Konsum von Schmerzmitteln zu begrenzen.

 

Im Bereich der illegalen Drogen ist wie gehabt Cannabis in allen Altersgruppen voll im Trend und wurde von 7,3 % der Jugendlichen und 6,1 % der Erwachsenen im Zeitraum der letzten 12 Monate konsumiert. In den Jahren seit 2011 ist die Prävalenz des Cannabiskonsums sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen angestiegen, ohne jedoch das Niveau der Jahre 2004 bzw. 2003 zu erreichen. Allerdings klettern die von den Strafverfolgungsbehörden angegebenen Fall- und Sicherstellungszahlen in Sachen Hanf nach oben. Insbesondere der illegale Anbau hat in Deutschland an Bedeutung gewonnen, was die hohe Zahl der 2015 gebusteten Indoor-Gärtnereien belegt.

 

Auch Tote hat es nach dem Konsum illegaler Drogen gegeben. Zwar kann das “Jahrbuch Sucht 2017” keinen einzigen Haschtoten vorweisen, aber die Zahl polizeilich registrierter drogenbedingter Todesfälle ist 2015 um 19 % zum Vorjahr gestiegen. Deutschlandweit haben 1226 Konsumenten harter Drogen den verrußten Löffel abgegeben. Rund ein Viertel der Opfer kam im Freistaat Bayern zu Tode – also dort, wo Konsumenten illegaler Drogen wie Schwerverbrecher verfolgt werden und die Suchthilfe vornehmlich darin besteht, Opiatabhängige zum Kaltentzug in die Strafanstalt zu stecken.

 

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

5 Kommentare
Ältester
Neuster Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen
Thomas Maier
6 Jahre zuvor

Man muß also die Zahlen der Rauschmittelkonsumenten für 2015 nüchtern betachten – Das hat was :-)) Ich habe aber generell so meine Probleme mit der Anzahl der Suchtmitteltoten. Um eine reelle Aussage machen zu können, müßte man auch die Verkehrstoten einbeziehen. Aber klar, dann erhöht sich auch zwangsläufig die absolute Anzahl der Alkoholtoten (besonders in Bayern – gell, Herr Wiesheu). Um dies allerdings bewerkstelligen zu können, müßte man sich erst einmal auf einen Grenzwert festlegen, der auch wirklich zur absoluten Fahruntüchtigkeit führt. Bei Alkohol geht man ja von 0,8 Promille aus. Bei THC wäre mein Vorschlag die Werte die in den US-Bundesstaaten, in denen Cannabisgebrauch legal ist, zu übernehmen – die haben dbzgl. inzwischen mehr Erfahrung. Dann, und erst dann,… Weiterlesen »

Chef
6 Jahre zuvor

Keine Strafen für freie Menschen !

Rainer Sikora
6 Jahre zuvor

Der ermittelte Wert betrifft in Tschland das Blutserum was den Wert verdoppelt.

Mike
6 Jahre zuvor

Bemerkenswert bei der ganzen Diskussion um Grenzwerte im Straßenverkehr: “Target Δ9-THC plasma concentrations have been derived based on the subjective “high” response that may or may not be related to the potential therapeutic applications. Various pharmacodynamic models provide blood plasma concentration estimates in the range of 7 – 29 ng/mL Δ9-THC necessary for the production of a 50% maximal subjective “high” effectFootnote 330. Other studies suggest that Δ9-THC plasma concentrations associated with 50% of the maximum “high” effect range between 2 and 250 ng/mL Δ9-THC (median of 19 ng/mL; mean of 43 ng/mL Δ9-THC) for the smoked or i.v. routes, while for the oral route the values range between 1 and 8 ng/mL Δ9-THC (median and mean of 5 ng/mL… Weiterlesen »

Ralf
6 Jahre zuvor

@Thomas Maier Auch wenn Roman Herzog als Bayer natürlich der Meinung war “dass Alkohol primär nicht des Rausches wegen getrunken wird”. Ein Blödsinn der seinesgleichen lange suchen muß. Wieso Blödsinn? Es stimmt doch, daß man den Alk zwar nicht wegen dem Rausch trinkt, ihn aber trotzdem bekommt (Ein wenig Ironie ist hier durchaus angebracht). Das heißt doch im Klartext, daß die Todesdroge Alkohol die mir einen “nicht gewollten Rausch” verpaßt besser ist als eine wie Cannabis, bei der ich das von vorneherein erwarte und den Rausch deswegen, auch besser kontrollieren kann. Das ist die weit verbreitete Logik der meisten unserer Juristen, die wie bei diesem Gehirn amputierten Herzog und seinen menschenrechtsbrechenden Spießgesellen, auch manchmal noch viel abstrußere Ergebnisse erzeugen kann.… Weiterlesen »