Dienstag, 13. Dezember 2016

„Cannabis“ – Mord und Totschlag auf „ARTE“

 

 

Eine TV-Kritik von Sadhu van Hemp

 

 

Kunst kommt nicht immer von Können, besonders dann, wenn es sich bei dem Kunstwerk um Auftragskunst handelt, die sich nach den Vorgaben des Auftraggebers zu richten hat. Was dabei herauskommt, kann sich der Kunstliebhaber u.a. in der Glotze angucken: Dort gibt es die Filmkunst zu sehen, die sich die Produzenten für die Angstdeutschen ausdenken. Besonders beliebt ist das Genre der Krimiserie: Nicht ein Tag vergeht, an dem kein Mordopfer im Fernsehen aufgefunden wird. Rund um die Uhr ermitteln unzählige Ermittler in unzähligen Sokos – und ohne Verfolgungsjagd, Gewaltexzesse und Schusswechsel gibt’s kein Happy End. Der Filmfreund ist erst befriedigt, wenn der Leichenwagen vorfährt.

 

Nun hat sich auch der öffentlich-rechtliche TV-Kanal „ARTE“ dem Sujet des Blutvergießens angenommen und sechs Millionen Euro für eine sechsteilige Schmonzette springen lassen, um die Zuschauer zu veräppeln. Und wie es sich gehört, haben die Urheber der Krimserie schon bei der Wahl des Titels in die Trickkiste gegriffen und die Serie plump „Cannabis“ genannt. Allein diese Irreführung zeigt, dass Marketing Vorrang hat. Denn abgesehen davon, dass sich der Plot einzig und allein um Haschisch dreht, drängt sich der Verdacht auf, dass die Produzenten das Thema „Cannabis“ nur deshalb in die Schablone eines billigen Actionkrimis gepresst haben, weil es den einfachen Denkmustern des besorgten Publikums Genüge tut.

 

Nun – was braucht eine Schmonzette, damit sie schockt? Richtig, ein Problem, dann noch ein Problem und ganz viel Habgier und Niedertracht. Und natürlich eine Prise Moral und Anstand, die die Guten von den Bösen unterscheidet. Die ARTE-Serie folgt dieser Regel, nur diesmal sind nicht Polizisten die Helden, sondern Frauen, und das Problem ergibt sich aus der blühenden Phantasie der Drehbuchautorinnen.

Kurz gesagt, es ist alles dabei, wovor sich Lieschen Müller fürchtet: In der dunkelsten Dunkelheit treffen sich zwei Boote vor der südspanischen Küste, und die Seefahrer begrüßen sich wie üblich erst einmal mit blauen Bohnen. Zwei marokkanische Haschschmuggler bleiben tot an Deck liegen, einer der Angreifer geht über Bord. Übrig bleibt ein pensionierter (selbstverständlich korrupter) Polizist, der sich der herrenlosen zwei Tonnen Haschisch annimmt. Der beklaute Drogenbaron in Tanger ist natürlich sauer, und zwar so sauer, dass er sich den nächstbesten Unschuldigen greift, ihm das Ohr mit einer Gartenschere abschneidet und anschließend kopfüber in ein Fass mit unbekannter Flüssigkeit tunkt. Doch der Bösewicht mit dem pockennarbigen Gesicht ist auch der Liebe fähig – und zwar zu kleinen Mädchen. Seelischen Beistand findet das Sexmonster bei einer hochschwangeren Ärztin, die dem Verehrer ihres ungeborenen Kindes nach einer Blutuntersuchung jedoch offenbart, dass er systematisch vergiftet würde. Die Giftmischerin ist – wie sollte es in Marokko anders sein – die eigene Mutter, die es nicht länger erträgt, dass der Teufel ihren Ziehsohn vereinnahmt hat und dazu anstiftet, im Akkord Jungfrauen zu deflorieren und anschließend zu zerstückeln. Logisch, dass auch die gute Amme vom Teufel in Menschengestalt abgemurkst wird.

 

Bis hierher nicht schlecht der völlig humorlose Plot zum Thema Cannabis, aber es wird noch realistischer. Mitten in einer Pariser Banlieue sitzt derweil der Boss einer Kinderdealerbande auf dem Trockenen. Dem „Vollprofi“ fehlen die bestellten zwei Tonnen, also 2000 Kilogramm, die seine halbwüchsigen Straßendealer in 20-Euro-Pieces gestückelt [sic!] verticken. Um das unglaubliche Dilemma, in dem der arme Kerl steckt, noch ein bisschen zu vergrößern, dichten Autorinnen und Regisseurin dem knallharten Bandenchef eine romantische Sex-Affäre an – selbstverständlich mit einem knackigen Polizisten. Aber nicht nur das: Nebenbei kümmert sich der schwule Haschgiftgrossist noch um seine Exfrau, den verweichlichten Sohn und eine dominante Bezirksbürgermeisterin, die sich ganz sozialkritisch der Sorgen der besorgten Mütter annimmt und diese zum Denunzieren der Straßendealer anstiftet. Und so wird auch im Ghetto munter geritzt und geschlitzt, ganz so wie im wahren Leben.

 

Fehlt nur noch ein Edelpuff in Marbella, eine edelmütige Edelnutte und eine betrogene und völlig ahnungslose Ehefrau. Und klar doch, die Gattin ist pünktlich zur Stelle, als eine Autobombe explodiert, die sie (vorläufig?) zur Witwe mit zwei Halbwaisen macht. Dieser Schicksalsschlag bedarf zweifelsohne einer starken Schulter, die dem gerade aus dem Knast entlassenen Bruder des gesprengten Ehemannes gehört. Doch was ist schon die Schulter eines Mannes, wenn darin keine Kugel steckt? Und ja, die Witwe pustet auf die Wunde und vollbringt die Wunderheilung des neuen Beschützers, der gerade zuvor dem korrupten Polizisten die Beute und das Leben abgejagt hat.

 

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann werden die Herren Haschdealer auch in den letzten drei Folgen fleißig meucheln und morden und sich von den Drehbuchautorinnen wirklichkeitsnah zu Gewalt- und Sexorgien zwingen lassen. Ganz so, wie es Sitte ist – im bösen, bösen Haschgiftmilieu.

 

„Cannabis“ – ab Donnerstag alle sechs Teile in der ARTE-Mediathek.

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13 Kommentare
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Lars Rogg
7 Jahre zuvor

Ich hab letzte Woche auf Arte die ersten drei Teile geguckt. Da der Film oder die Serie nix mit Cannabis zu tun hat, sondern ausschließlich Gewalt, Verrohung und kaputte Existenzen zeigt, braucht man sich keine großen Gedanken machen. Ausser vielleicht warum man für so einen Film, dessen Story mit aller Kraft an den Haaren herbei gezogen wurde, überhaupt Geld ausgegeben hat. Hat Arte das wirre Drehbuch nicht gelesen…und die unpassende Überschrift ?!? In dem Film gehts um Gewaltkriminalität die durch sinnlose Verbote erst möglich ist. Thats it !! Die Serie ist so eine furchtbare Schmonzette, als hätten Telenovela Autoren das Script dazu geschrieben. Sie hätte auch Waffen oder Menschenhandel heißen sollen, da es nicht um Substanzen geht sondern um Geld… Weiterlesen »

Fridel
7 Jahre zuvor

Bin auch enttäuscht von ARTE, das sie unter diesem Titel so ein billiges Klischee verkaufen. Das der Sender es auch ganz anders kann, hat er schon bewiesen. Neues Führungspersonal am Start ?

Drunk Fail
7 Jahre zuvor

Eine Katholische Prägung ist fast wie eine Beschneidung und nur schwer abzuschütteln . Im gegensatz zur Beschneidung ,bei der mehr als 1 Meter an Venen, Arterien und Kapillaren, mehr als 70 m an Nerven, und mehr als 20000 Nervenenden verloren gehen , ersetzt ein Christlicher Hintergrund, die Imaginäre Selbsterfahrung durch ein egozentrisches Weltbild .

Drunk Fail
7 Jahre zuvor

Eine Katholische Prägung ist fast wie eine Beschneidung und nur schwer abzuschütteln . Im gegensatz zur Beschneidung ,bei der mehr als 1 Meter an Venen, Arterien und Kapillaren, mehr als 70 m an Nerven, und mehr als 20000 Nervenenden verloren gehen , ersetzt eine Christliche Pädagogik ,die Imaginäre Selbsterfahrung durch ein egozentrisches Weltbild .

Candy
7 Jahre zuvor

Liest sich wie ein Konsalik-Roman.^^

Axel Junker
7 Jahre zuvor

Noch gradioser als irreführende Fernsehfilm-Titel sind die vielen unentdeckten Drehbuch-Autoren, die bislang offenbar lediglich das Pech hatten für unarte schreiben zu dürfen.

Mörnest
7 Jahre zuvor

Ich habe es mir erspart, aber zu den Kommentaren möchte ich was los werden. Ihr beschreibt für mich hier einen Typischen Französischen Krimi aus den späten 70iger anfang 80iger Jahren. Es geht um ein Sozial Milieu gescheiterter Existenzen, einen Psychopaten der noch dazu Pädophil ist, diverse Klein und Große Gauner, mörder und Korrupte Polizisten. Was alle verbindet, ist Cannabis. Soweit so schlecht, wenn der Titel nicht wäre, würde es vermutlich niemand ansehen. Aber ihr habt es sehr gut erkannt! Soweit so eine konstelation möglich wäre, wäre sie es nur, wegen dem Cannabis Verbot. Es liegt NICHT an der Substanz. Man kann hier Cannabis mit Tee austauschen, oder Kaffee oder Cocain. Die Geschichte bleibt die selbe. Nimmst du das verbot weg,… Weiterlesen »

Drunk Fail
7 Jahre zuvor

„Gesetz“ – Mord und Totschlag auf „ARTE“ ? Nein ,ganz bestimmt nicht ! Aber ,jetzt kommt der richtige Titel ; „Alkohol“ – Mord und Totschlag auf „ARTE“ , Alkohol macht Mütter zu mördern , Soldaten zu Massenmördern , Politiker zu Korrupten Individuen . Juristen zu Koksern , aus Polizisten werden Krimminelle und aus Hippies macht der Alkohol Kommunisten . Deutschland braucht einen Duterte gegen Alkohol !

Drunk Fail
7 Jahre zuvor

„Gesetz“ – Mord und Totschlag auf „ARTE“ ? Nein ,ganz bestimmt nicht ! Aber ,jetzt kommt der richtige Titel ; „Alkohol“ – Mord und Totschlag auf „ARTE“ , Alkohol macht Mütter zu mördern , Soldaten zu Massenmördern , Politiker zu Korrupten Individuen . Juristen zu Koksern , aus Polizisten werden Krimminelle und aus Hippies macht der Alkohol Kommunisten . Dieser Planet ,braucht einen Duterte gegen Alkohol ! Auf den Sieg ! Heil Stoner !

Drunk Fail
7 Jahre zuvor

Aus Lokalpatrioten macht der Alkohol , Nazis , Rassisten , Faschisten aber auch manchmal Neonazis .

Mike
7 Jahre zuvor

Gastwirte sind Mörder , weil Alkohol tötet .

Karl
7 Jahre zuvor

Es es schwer die Worte für ein “zerreissen” dieses Schei..es zu finden. Mieses remake von “breaking bad”, nur kürzer aber doppelt so schlecht. Was haben die Leute im Hirn die diesen Film loben. Jeder billige gemachte Werbespot hat mehr Inhalt als die ganzen Folgen..

Olle
7 Jahre zuvor

@Drunk Fail
Und was hatte der berliner U-Bahntreter in der Hand? Na guckt mal genau hin, es war mal wieder eine BIERFLASCHE ! Noch Fragen?