Donnerstag, 20. Oktober 2016

Im Interview: MC Rene

 

 

mc-rene

 

Während MC Rene Anfang der 1990er die deutsche Hip Hop Szene mitprägte, kehrte er Mitte der 2000er Jahre dem Aufnahmestudio den Rücken zu. Er begab sich auf eine Reise quer durch Deutschland, um sein Glück als Comedian zu versuchen. Dafür löste er seine Wohnung auf, verkaufte all seine Sachen und zog mit einer Bahn Card 100 von Bühne zu Bühne. Letztendlich hat er sich dann aber doch wieder auf sein Talent als Rapper besonnen. In diesem Jahr wurde Rene 40, ein Meilenstein in seinem Leben, der ihn zurück zu seinen Wurzeln bis nach Marokko geführt hat.

 

Von Janika Takats

 

 

Dein neues Album heißt „Khazraje“. Was macht die Scheibe aus?

 

Von der Qualität ist es für mich eine meiner besten Arbeiten. Was das Album ausmacht, sind vor allem die Umstände unter denen es entstanden ist. Wir haben die Songs innerhalb von nur zwei Wochen aufgenommen. Für die Aufnahmen sind wir nach Marokko geflogen. Dort habe ich zum ersten Mal meine Verwandten kennen gelernt. Wir haben dort eine Wohnung in einem gewöhnlichen Viertel in Marrakesch gemietet. In dem Wohnzimmer mit orientalischer Couch haben wir unser Studio eingerichtet. Die Aufnahmen fanden im Schrank statt, wegen der Schallisolierung. Es war wie früher, als man noch keine Studios hatte. So war ich losgelöst von Europa. Meine familiäre Geschichte hat dieser Reise einen besonderen Spirit gegeben. Dadurch unterscheidet sich das Album auch inhaltlich von seinem Vorgänger. Zum einen geht es um die Verarbeitung dieser Reise. Es geht um den Menschen, der seine Identität findet. Zum anderen habe ich mich mit dem Leben im Allgemeinen und damit wie man seinen Horizont erweitert, beschäftigt. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Hip Hop Szene und die Kritik an der Kommerzialisierung und dem ständigen Versuch Interpreten in Schubladen zu stecken.

 

Wie kam es dazu, dass du dich gerade jetzt dazu entschlossen hast diese Reise anzutreten?

 

Ich habe es vorher auch schon immer mal wieder vorgehabt, doch das Leben hat mich abgehalten. Wenn ich mit Freunden über die eigene Identität gesprochen habe, kam immer wieder die Frage auf: „Und warst du schon mal in Marokko?“. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Meine Mutter ist Deutsche und ich habe das Land meines Vaters vorher nie gesehen. Anfang des Jahres habe ich mir überlegt wie ich das Jahr gestalten will. Unter anderem war der Anlass, dass ich im September 40 geworden bin. Ich wusste, dass ich eine Jam zu meinem Geburtstag machen wollte. Der nächste Wunsch war dann, mir selbst ein Album zu schenken. Dieses Mal sollten die Umstände der Entstehung etwas besonders sein und ich wollte mich dazu von meinem Alltag und meiner Lebenswelt abkapseln. Ich habe dann Figub Brazlevič getroffen, mit dem ich schon seit Jahren immer mal wieder Tracks veröffentliche. Mit ihm ist die Idee entstanden nach Marokko zu fliegen. Ich habe dann den Flug gebucht und vor den Aufnahmen neun Tage bei meiner Familie in Casablanca verbracht. Ich bin also nach 40 Jahren zum ersten Mal nach Marokko gegangen und habe endlich meine Verwandten getroffen. Das waren sehr bewegende Momente.

 

Wie war es für dich zum ersten Mal deiner Familie zu begegnen?

 

Ich hatte im Vorfeld kaum Erwartungen. Anfänglich wollte ich mich vorbereiten und Texte für das Album schreiben, habe dann aber gemerkt, dass ich mich von diesem Druck befreien muss. In erster Linie ging es mir bei dem Trip um meine Verwandten. Es war eine wundervolle Erfahrung ihnen zu begegnen. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen.

Die Produktion kam für mich erst danach. Ich hatte auch nicht das Ziel jetzt „das“ große Album zu machen. Ich bin kein Mainstream-Künstler, von dem alle das fetteste Album überhaupt erwarten. Wir hatten daher den Luxus mit einer gewissen Gelassenheit in das Projekt gehen zu können. Durch die Aufnahmen vor Ort, konnte ich an die marokkanische Kultur und meine Wurzeln anknüpfen und quasi neu anfangen.  Es ging los und nach einer Woche hatten wir sechs Tracks, die echt gut waren. Die außergewöhnlichen Umstände haben uns kreativ beflügelt. Für mich hat dieses Album einen besonderen Wert, auch wenn es letztendlich nur eines von Millionen Alben ist, die auf den Markt kommen. Die Scheibe ist nicht für den Mainstream gemacht oder auf Profit ausgelegt. Erfolg ist relativ und für mich ist Zufriedenheit das Wichtigste.

 

Hast du auf deiner Reise mitbekommen, wie in Marokko mit Cannabis bzw. Haschisch umgegangen wird?

 

Es ist Teil des alltäglichen Lebens. Wenn man auf dem Markt unterwegs ist, sieht man immer mal wieder Leute ihre Haschpfeifen rauchen. Ich hatte allerdings nicht das Gefühl, dass Cannabis dort so liberal gehandhabt wird, wie in den Niederlanden beispielsweise. Das Rauschen ist allgegenwärtig, allerdings meist mit vorgehaltener Hand. Das ist in Deutschland ja letztendlich auch nicht anders. Durch die klimatischen Verhältnisse gibt es viele Plantagen, doch auch dies bleibt meist im Verborgenen. Vor der guten Qualität von der immer alle reden, konnte ich mich jedoch auch persönlich überzeugen (lacht).

 

Verfolgst du in Deutschland die aktuelle Debatte um die Cannabis-Legalisierung?

 

Ich verfolge die Debatte und meines Erachtens nach ist es nur noch eine Frage der Zeit bis Cannabis legalisiert werden wird. Allerdings sitzen noch so viele gestrige Geister an den entsprechenden Hebeln. Diese verhindern, dass es mit der Gesetzesänderung vorangeht.

Die unsympathischste Person in der gesamten Debatte ist für mich die Bundesdrogenbeauftragte Frau Mortler. Sie ist wirklich schlimm und es wird Zeit, dass sie zurücktritt und jemand ihren Platz einnimmt, der auch Bezug zum Thema hat. Wenn man Drogenbeauftragte ist, muss man sich auch mit den Dingen auskennen mit denen man beauftragt wurde. Es ist jedoch leider allzu offensichtlich, dass Frau Mortler von ihrem Metier keine Ahnung hat.

Letztendlich gibt es kaum nachhaltige Argumente gegen die Legalisierung. Es geht nicht nur um das Rauchen, welches in erster Linie der Entspannung dient. Man kann Cannabis sehr vielseitig anwenden. Argumente, wie den Umstand, dass es wesentlich mehr Alkoholtote gibt, brauche ich hier gar nicht nochmal aufführen. Das weiß man inzwischen. Genau wie die zahlreichen Möglichkeiten, die Hanf als Nutzpflanze bietet.

Bei der Forderung nach einer Legalisierung geht es nicht darum, dass jetzt auf einmal alle kiffen sollen, obwohl das einigen Leuten wohl mal ganz gut tun würde. Ich denke, dass irgendwann  automatisch eine Generation am Hebel sein wird, die mit Cannabis kein Problem hat und die das Thema sachlich einzuschätzen weiß. Momentan versucht man noch die Interessen bestimmter Gruppen zu schützen. Mir ist jedoch unbegreiflich wieso Cannabis nicht als etwas Normales angesehen werden kann. Dass Leute kriminalisiert und bevormundet werden, steht in keiner Relation zu den Auswirkungen des Cannabis-Konsums.

 

Neben deiner Musik hast du vor einer Weile quasi eine zweite Karriere als Stand-Up Comedian begonnen. Wie bist du darauf gekommen?

 

Ich habe einen Neuanfang in meinem Leben gesucht. Anfang der 2000er war ich voll am Start und hatte jede Menge gut besuchter Auftritte. Doch irgendwie ging es für mich nicht mehr so weiter. Mir fehlte es an Ideen bzw. Visionen für die Zukunft. Daher habe ich mich aus dem Business zurückgezogen inklusive aller finanzieller Konsequenzen. Jahre später musste ich dann mal einen Job im Call Center annehmen. Ich wusste, ich hatte meinen Traum gelebt. Dann habe ich die Flucht nach vorn ergriffen, alle meine Sachen verkauft, meine Wohnung aufgegeben und mir eine Bahn Card 100 gekauft.

Ich wollte allerdings nicht als Rapper durch die Gegend ziehen, sondern etwas machen von dem ich gar keine Ahnung hatte. Ich habe mir gedacht: „Ich werde Comedian“. Denn dafür brauche ich nichts außer eben die Bahn Card. Ich bin dann zu jeder Open Stage gefahren und habe was erzählt. Entweder es war lustig oder eben nicht. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich kein Comedian, sondern eben doch MC bin. Ich bin also zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Es ging für mich also viel mehr darum mich zu entschleunigen, auszubrechen und Ballast abzuwerfen, um mich wieder lebendig zu fühlen.

2012 erschien dann mein Buch „Alles auf eine Karte“. Dort erzähle ich von meinen Erlebnissen und vor allem über die ganzen schlechten Auftritten und den ganzen Jobs, die ich in meinem Leben machen musste. Das ist am Ende lustiger als als Comedian auf der Bühne zu stehen. Man muss Mut zum Scheitern haben, das habe ich gelernt. Denn danach geht es weiter. Schlimmer ist es aus Angst nichts zu tun und dies dann später zu bereuen.

 

Ist die Geschichte damit für dich abgeschlossen?

 

Ich bin MC und das ist ganz klar meine Leidenschaft. Ich habe mit meinem Buch über hundert Lesungen gemacht. Da war von Cafés bis Bahnhofsmissionen alles dabei. Ich habe gemerkt, dass ich gut Geschichten erzählen kann. Ich mochte das Format in das ich oft auch freies Erzählen und Freestyle mit eingebracht habe. Ich kann mir durchaus vorstellen nochmal ein Buch zu schreiben und erneut auf Lesereise zu gehen. Ich möchte den persönlichen Bezug zum Publikum. Manchmal waren 200 bis 300 Leute da und ich kam mir vor wie ein rappender Kabarettist. Das würde ich gerne zu einem späteren Zeitpunkt nochmal aufgreifen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Im Moment fokussiere ich mich jedoch auf meine Musik. Letztes Jahr habe ich ein Album veröffentlicht und dieses Jahr kam das nächste.

Ich war nie vom Rap weg. Ich habe nur keine Songs veröffentlicht, weil mir die Infrastruktur gefehlt hat. Rap und Freestyle waren jedoch immer in mir und ich habe nie aufgehört sie rauszulassen.

 

Vielen Dank das du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen