Samstag, 10. September 2016

Hope 4 Harper

 

CBD bei einer seltenen Form von Epilepsie

 

hope-4-Harper

 

von Janika Takats

 

Die kleine Harper ist gerade mal zwei Wochen alt, als sie im Jahr 2010 zum ersten Mal von einem epileptischen Anfall ergriffen wird. Harper lebt mit ihren Eltern in Dallas im US-Bundesstaat Texas.  Penny Howard und ihren Mann trifft die Krankheit ihrer Tochter völlig unvorbereitet und sie versuchen bei Ärzten Rat und Hilfe zu bekommen. Nach zahlreichen Untersuchungen und Tests wird schließlich die Diagnose CDKL5 Epilepsie gestellt. Harper ist zu diesem Zeitpunkt bereits neun Monate alt und kann sich auf Grund der ständigen Anfälle nicht wie ein gesundes Kind entwickeln. Die durch einen Gendefekt ausgelöste Krankheit ist sehr selten. Daher gibt es keine dafür entwickelten Medikamente und herkömmliche Epilepsiemedikamente schlagen bei Harper nicht an. Harper leidet inzwischen an rund 40 Anfällen täglich, welche es ihr unmöglich machen am Familienleben Teil zu nehmen oder mit anderen Menschen zu interagieren. Durch die Dokumentation von Dr. Sanjay Gupta „Weed“ wird die Familie auf medizinisches Marihuana aufmerksam, doch dieses ist in Texas nicht zugänglich. Der US-Bundesstaat verfügt zum damaligen Zeitpunkt über kein Programm für medizinisches Cannabis, wodurch es für Patienten unmöglich ist ihre Medizin auf legalem Wege zu beschaffen. Der Familie wäre nur geblieben nach Colorado zu ziehen, um die Präparate zu erhalten, die ihrer Tochter helfen könnten. Allerdings war es für die Howards unmöglich ihren Heimatort zu verlassen. Nach schier endlosen Onlinerecherchen stießen Penny und ihr Mann schließlich auf das Unternehmen HempMeds und sein Real Scientific Hemp Oil (RSHO) – ein CBD-haltiges Öl, welches durch die Extraktion von Cannabis gewonnen wird. Zwar gab es damals noch keine Erfahrungsberichte von anderen Patienten, da das Präparat erst seit kurzem auf dem Markt war, dennoch entschloss sich Familie Howard einen Versuch zu wagen.

 

CBD-Öl aus europäischem Hanf

 

Dr. Stuart Titus, Geschäftsführer von Medical Marihuana Inc., zu der HempMeds gehört, beschreibt die Einführung des Präparats wie folgt: „Als RSHO auf den Markt kam, fehlte es an Studien und Tests, die hätten zeigen können bei welchen Krankheiten das Öl helfen kann. Viel mehr war das Unternehmen auf die Erfahrungsberichte von Konsumenten angewiesen, die sich durch die Verwendung von RSHO Linderung ihrer Beschwerden erhofften“. Titus war einer der Initiatoren von Medical Marihuna Inc. im Jahr 2009. Während seiner Arbeit als Physiotherapeut bemerkte er, dass viel Leistungssportler Cannabis verwendeten, um die Beschwerden ihrer Sportverletzungen zu lindern. Dadurch begann sich Titus näher mit dem medizinischem Cannabis zu befassen und rief einige Unternehmen in der Branche ins Leben. Medical Marihuna Inc. entwickelte eine eigene Cannabissorte mit hohem CBD-Anteil, welche im Jahr 2011 zum ersten Mal geerntet wurde. Der dafür benötigte Hanf wird nach wie vor in Europa angebaut. In den USA ist der Hanfanbau verboten (ausgenommen der Staaten, in denen Cannabis inzwischen legalisiert wurde). Lediglich zu Forschungszwecken ist es gestatten Cannabis anzupflanzen.

 

Die jeweiligen Unternehmen in Europa extrahieren aus den Pflanzen ein Hanföl bzw. eine Art Paste, die so in die USA importiert werden darf. Daraus wird dann das CBD-Öl als Endprodukt hergestellt. Dieses wird wiederum in zahlreiche Länder exportiert. RSHO und weitere Produkte wie Hanfsamen oder Proteinpulver werden derzeit von der US-amerikanischen Food und Drug Administration (FDA) als Nahrungsmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel bewertet, wobei die endgültige Klassifizierung in einigen Fällen noch aussteht. „Momentan sind wir zufrieden mit diesem Status. Wenn es uns gelungen ist einige Forschungen durchzuführen und den medizinischen Nutzen genauer evaluieren können, wird die FDA den Status vielleicht ändern“ so Titus.

 

Als Harper das erste Mal mit RSHO behandelt wurde, war sie drei Jahre alt. Das Öl zeigte schnell Wirkung. Harpers zahlreiche Anfälle reduzierten sich um die Hälfte und das Mädchen war zum ersten Mal in der Lage mit seiner Umgebung Kontakt aufzunehmen. Harper schaute Menschen in die Augen bewegte den Kopf zu einem „Ja“ oder „Nein“ und lächelte manchmal sogar. Nach sechs Monaten hatten die epileptischen Anfälle völlig aufgehört. Harper konnte mit ihrer Schwester spielen und am Familienleben Teil nehmen. Zweieinhalb Jahre bekam das kleine Mädchen RSHO verabreicht. Letztendlich starb sie jedoch an ihrer Krankheit. „Die letzten zweieinhalb Jahre ihres Lebens waren regelrecht fantastisch. Auf Grund von RSHO konnten wir die Persönlichkeit unserer Tochter kennen lernen.“ berichtet Mutter Penny. Als das Mädchen starb, stellten die Eltern ihn Gehirn und Teile ihres Gewebes der Wissenschaft zur Verfügung. Harpers Gehirn ist das erste, welches mit ihrer Krankheit zur Verfügung gestellt wurde und das erste, das mit CBD behandelt wurde.

 

Legalisierung von CBD-Öl in Brasilien

 

Nach ihrer Geburt erstellte ihre Mutter den „Hope4Harper“-Blog, in dem sie Harpers Leidensweg und die Verbesserungen durch die Verwendung des CBD-Öls dokumentierte. Der Blog wurde von anderen Familien, deren Kinder ebenfalls unter CDKL5 litten gelesen. Katiele Fischer, eine in Brasilien lebende Mutter, nahm mit Penny Kontakt auf und startete den Versuch ihre Tochter Anny mit RSHO zu behandeln. Nach einer Weile zeigte das Öl auch bei dem Mädchen Wirkung. Jedoch war die Familie gezwungen das Öl illegal aus den USA zu importieren.

 

Fischer verklagte daraufhin die brasilianische Regierung auf ihr Recht das CBD-Öl für die Behandlung ihrer Tochter zu erhalten und bekam Recht. Dutzende Familien folgten ihrem Beispiel. Dadurch konnte erreicht werden, dass die Regierung die Einführung von CBD-Öl generell zugelassen hat und die Verschreibung bei einigen Krankheiten wie Epilepsie, Parkinson und chronischen Schmerzen gestattet. Die Kosten der Medikamente werden dabei teilweise durch das Gesundheitssystem getragen. „Wir wollen dafür nicht die Lorbeeren ernten“ so Penny. „Letztendlich waren es die Familien, die die harte Arbeit geleistet haben, die Regierung zu überzeugen. Alles was wir gemacht haben, war unsere Erfahrungen mit anderen zu teilen. Aber natürlich freuen wir uns, dass wir einen Beitrag leisten konnten.“

 

RSHO enthält ursprünglich noch einen geringen Anteil von THC, der bei 02, Prozent liegt. Im Februar 2016 führte Medical Marihuana Inc. eine THC-freie Version des Öls ein, welche in Mexiko zugelassen wurde. Dieses Extrakt entspricht auch den weltweiten Antidoping-Standards, so dass Sportler, die an der Olympiade Teil nehmen das THC-freie Präparat verwenden können. Durch die erfolgreiche Petition einer weiteren Familie hat auch Paraguay CBD-Öl zur Behandlung verschiedener Krankheiten zugelassen. Dr. Titus hofft, dass das Öl auch bald in der Ukraine zugänglich sein wird, wenn CBD dort legalisiert wird. Auch in Japan und Indien gibt es derzeit ähnliche Bestrebungen.

 

„Es gibt inzwischen wesentlich mehr Möglichkeiten für Familien in einer Situation ähnlich der unseren. Damals gab es nur RSHO oder die Option unseren Bundesstaat zu verlassen. Heute hat man die Wahl und ich möchte Menschen dazu ermutigen all diese Optionen und Präparate auszuprobieren“ so Pennys Anliegen. „Für uns und viele andere Menschen war RSHO die Lösung, doch wenn es für jemanden nicht wirkt, können jetzt Alternativen ausprobiert werden. Ich möchte, dass mehr Menschen darüber Bescheid wissen“. Für die Familie war Harpers Tod ein herber Verlust, doch Penny versucht guten Mutes zu bleiben. „Ich glaube daran, dass Harper durch ihren Tod der Wissenschaft und damit anderen Menschen mehr helfen konnte, als durch ihr Weiterleben. Dieser Gedanke macht ihren Tod für uns etwas erträglicher. Ich will weiter ein aktiver Teil der Patienten- und Angehörigengemeinschaft bleiben, um Halt zu finden und anderen helfen zu können.“ Momentan ist Penny darum bemüht Gelder zu sammeln, damit die Zellen ihrer Tochter im Labor weiter existieren können und um Forschungsreihen zu ermöglichen. Damit könnte eines Tagen nicht nur Patienten mit CDKL5 sondern auch solchen mit Parkinson, Alzheimer oder anderen Epilepsieformen geholfen werden.

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