Samstag, 3. September 2016

Herausgeber Emmi im Interview

 

 

Hanf Journal Nr. 200 – Herausgeber Emmi im Interview

 

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Autorin: Janika Takats

 

Seit 16 Jahren versorgt das Hanf Journal seine Leserschaft zuverlässig mit aktuellen und detaillierten Informationen rund um das Thema Cannabis. Die 200. Ausgabe nehmen wir zum Anlass, zu feiern und um die letzten Jahre und den Werdegang unserer Zeitung Revue passieren zu lassen. Im Interview erzählt Initiator und Herausgeber Emanuel Kotzian wie es zu der Entstehung der ersten kostenlosen Hanf Zeitung kam.

 

 

Hallo Emmi, diesen Monat ist die 200. Ausgabe des Hanf Journals erschienen. Wie ist damals die Idee zu der Zeitung entstanden?

 

Die Idee entstand im Prinzip aus der Not heraus. Wir waren damals schon einige Zeit als Hanf-Aktivisten unterwegs und legalisierungs-politisch aktiv. Wir hatten jedoch das Problem, dass egal ob wir nun eine Demo angemeldet oder eine Podiumsdiskussion veranstaltet haben, es wurde nie etwas darüber in der Zeitung veröffentlicht. Die Medien haben uns totgeschwiegen und wenn dann doch mal einer berichtet hat, wurden wir als die bösen und/oder Verrückten abgestempelt, weil wir uns für Cannabis eingesetzt haben. Als ich dann eh gerade dabei war, mich in meinem Leben neu zu orientieren, ist mir die Idee gekommen, eine kostenlose Zeitung für den deutschsprachigen Raum herauszubringen. Das gab es damals noch nicht. Um die 2000er Wende haben alle vom Internet gesprochen, dort war alles kostenlos. Also war unsere Überlegung auch eine Zeitung nur durch Werbeeinnahmen zu finanzieren.

 

Wer waren die Gründungsmitglieder?

 

Das waren ich und mein ehemaliger Mitbewohner Werner, mit dem ich auch bei der Grünen Jugend zusammen gearbeitet habe. Bei den ersten Ausgaben wurden wir von der gesamten WG unterstützt. Eine Mitbewohnerin hat sich um das Layout gekümmert und ein anderer hat unsere Webseite erstellt. Lukas hat unser Logo entworfen und liefert heute immer noch die Grafiken für Kascha. Es war ein richtig schönes WG-Projekt, damals in Nürnberg. Wir haben mit einer 10.000er Auflage angefangen und hatten auch von Anfang an einige Werbepartner. Finanziell war es allerdings trotzdem ein schwerer Start, aber wir haben uns durchgebissen.

 

Wie ging es dann nach dem Startschuss weiter?

 

Die meisten von unserer Siebener-WG waren anfänglich Studenten, für die das Hanf Journal ein Nebenprojekt war. Als wir merkten, dass es funktioniert, haben wir uns überlegt wie wir das Ganze absichern können. Die erste Sicherheitsmaßnahme war, dass wir nach der dritten Ausgabe nach Berlin gezogen sind. Damals war die Szene noch wesentlich kleiner als heute und vom damals noch recht neuen Hanfsamen-Verbot gebeutelt. So hat man zum Beispiel sehen können, dass die Paradewagen auf der Hanfparade nach 1998 um einiges kleiner wurden, da die ganz großen Sponsoren ausgeblieben sind.

 

War waren damals die Hauptthemen, die in der Zeitung behandelt wurden?

 

Unser Hauptanliegen war es allgemein über Cannabis zu berichten ohne, dass das Thema negativ konnotiert wurde. Das war das wichtigste. Ansonsten ging es um ähnliche Themen wie heute auch. Der Tenor war jedoch ein anderer. Damals hieß es „Cannabis könnte Medizin sein.“. Heute wissen wir alle – sowohl in der Gesellschaft als auch in den Medien – Cannabis ist Medizin. Dem entsprechend brauchen wir nicht mehr so schüchtern sein. Die politischen Themen waren außerdem noch ziemlich begrenzt. Die einzige Partei, die sich mit Cannabis befasste, waren die Grünen. Dementsprechend hat man entweder über die Grünen berichtet oder eben gar nicht. Natürlich waren wir 1998 sehr enttäuscht, dass die Grünen Cannabis in der Koalition nicht legalisiert haben.

Allgemein ging es darum, zu berichten, wie sich die Öffentlichkeit und einige Politiker für die Legalisierung einsetzen. Wir wollten die Diskussion über Cannabis anfachen und erreichen, dass sich auch andere Parteien und eine breitere Öffentlichkeit mit dem Thema befassen.

 

Wie waren die Rückmeldungen von der Leserschaft?

 

Nachdem die ersten Ausgaben draußen waren, hatte ich ein wirklich schönes Erlebnis im Urlaub auf Gomera. Ich saß dort gemütlich am Strand am Lagerfeuer zusammen mit Menschen, denen ich vorher noch nie begegnet bin. Eine Frau aus dem Kreis fing auf einmal an zu erzählen, wie toll sie es findet, dass es in Deutschland jetzt eine neue Zeitung, nämlich das Hanf Journal gibt. Ich fand es unfassbar, dass ich am anderen Ende von Europa einer Frau begegne, die nach der zweiten Ausgabe bereits das Hanf Journal kennt und dieses gut und notwendig findet. Das war letztendlich genau der Ansporn, den wir gebraucht haben, um durchzuhalten.

 

Wie wurde das Hanf Journal damals unter die Leute gebracht?

 

Unser Vertriebsweg hat über Aktivisten begonnen, die die Zeitung zugeschickt bekamen und dann weiter verteilten. Zwischenzeitlich haben wir hunderte und tausende davon beliefert. Damals lag die Auflage bei rund 100.000 Stück pro Monat. Das ging recht schnell, weil sich sofort viele Leute gefunden haben, die die Zeitung verteilen wollen. Leider mussten wir diese Art der Verteilung irgendwann einstellen. Zum einen hat es jeden Monat unheimlich viel Geld gekostet, die Journale einzeln zu verschicken und zum anderen war die Fehlerquote einfach zu hoch. Die Leute sind ständig umgezogen und der Aufwand die Datenbank aktuell zu halten, war einfach zu groß. Über die Zeit haben sich zum Glück jede Menge Shops angesammelt, über die der Vertrieb laufen konnte und die uns ja heute prima verteilen.

 

Was waren deine Highlights in der Geschichte des Hanf Journals?

 

Ich finde unsere Anleitung für Aktivisten, wie man sich zu Fasching als Joint oder als Bud verkleidet, war bis heute eine der genialsten Ideen. Das muss in Ausgabe drei oder vier gewesen sein. Wir hatten auf jeden Fall großen Spaß dabei die Kostüme zu basteln. Damals hatten wir noch die Zeit für so was (lacht).

 

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Dann war natürlich die Gründung des DHVs ein wichtiger Schritt für uns. Wir haben damals unser Unternehmen gegründet und die Szene noch relativ naiv betreten. Am liebsten wäre ich dann sofort zum Deutschen Hanfverband gegangen und hätte mich über die Richtlinien und darüber wie man Leute entsprechend ausbildet, informiert. Doch so einen Verband gab es eben noch nicht in der Hanfszene. Für mich als politisch aktiven Menschen war es undenkbar, dass eine Szene, die untereinander Geschäfte macht und man von einer ganzen Branche sprechen kann, keine Verbandsvertretung hat. Daher hatte es für mich Priorität den Hanfverband zu gründen. Das haben wir zuerst im Jahr 2002 als Unternehmen getan und den Verband dann 2005 abgespalten. Das war quasi unser Geschenk an die Branche und ein Schritt, der absolut notwendig war, wie sich über die Jahre gezeigt hat.

 

Wieso habt ihr euch dazu entschieden, den Hanfverband abzuspalten?

 

Dafür gab es zwei Gründe. Wir haben den Hanfverband unter unseren Büchern gegründet, damit das Projekt schneller starten kann, doch unser Fernziel war immer eine unabhängige Branchenvertretung. Wir sind ein Medium und ein Unternehmen. Ein einziges Unternehmen kann und sollte nicht für eine gesamte Branche sprechen. Schließlich haben wir als Unternehmen ja auch immer unsere eigenen Interessen.

Dazu kam, dass wir 2005 in eine finanzielle Notlage gekommen sind. Die Messe, die wir in Berlin veranstaltet haben, ist nicht gut gelaufen und wir hatten einen Haufen Schulden. Wir wussten nicht wie es für uns weitergehen wird, doch wir wollten auf jeden Fall, dass der DVH überlebt. Wir sind damals in aller Freundschaft auseinander gegangen, haben bis ins Jahr 2016 ein Büro geteilt und uns gegenseitig befruchtet.

 

Gab es sonst noch ein Highlight?

 

Ein weiterer Triumph war 2004/05, dass die BZGA bei uns Werbung geschaltet hat. „Quit that shit“ hieß die Kampagne. Da wurde uns bewusst, dass – und das ist das eigentliche Highlight – uns ein Haufen Leute im BZAG und im Gesundheitsministerium lesen und das jeden Monat. Dass die Leute wirklich ins Hanf Journal schauen, wenn sie sich auf Fakten basierend über Cannabis informieren wollen. Das war ein Wow-Erlebnis, weil es gezeigt hat, dass wir ein gewisses Level erreicht haben, auf dem die uns nicht mehr ignorieren konnten.

Ein weiteres großes Ereignis war das Referendum in der Schweiz im Jahr 2007. Wir haben eine Legalisierungs-Ausgabe nur für die Schweiz herausgebracht und davon 200.000 Stück gedruckt. Damit haben wir gezeigt, dass wir Politik machen und es uns nicht nur ums Geschäft geht. Wir wollen die Legalisierung vorantreiben, die Leute informieren und gesellschaftliche Tabus brechen. Selbst mit dieser hohen Auflage sind wir die Zeitungen innerhalb von vier Wochen in der Schweiz losgeworden. Obwohl nur knapp 35 % der Schweizer für eine Legalisierung gestimmt haben, war es ein riesiger Erfolg für uns. Cannabis ist damit aus seiner Nische herausgetreten und das Thema wurde breit diskutiert.

 

Gab es im Laufe der Jahre mal Ärger mit der Polizei oder der Justiz auf Grund des speziellen Themas?

 

Wir haben alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen, um keine Konflikte zu provozieren. So haben wir uns korrekt beim Finanzamt und beim Gewerbeamt angemeldet. Jeden Monat liefern wir unsere Ausgabe beim Polizeipräsidenten von Berlin ab. Der ist dafür zuständig unsere Inhalte zu kontrollieren. Bisher haben wir kein einziges Mal von dieser Seite her Meldung erhalten.

In Bayern hat sich mal ein Staatsanwalt mit uns befasst und wollte uns und einem Headshop, der uns verteilt hat, einen Strick drehen. Damals wurde bei uns Werbung vor Samen gemacht, die ja in Deutschland verboten sind. Da hieß es dann der Headshop und wir würden eine kriminelle Vereinigung bilden. Das Gericht ist dieser Argumentation allerdings nicht gefolgt.

Ansonsten hat uns mal ein Jugendamt vor die Zensurstelle gezerrt. Die behaupteten, dass wir Dinge publizierten, die für Kinder ungeeignet wären und daher nur ab 18 Jahren und ansonsten sehr restriktiv abgegeben werden sollten. Doch auch damit sind sie nicht durchgekommen.

Wir sind also harmlos. Wir verbreiten lediglich Informationen und fordern niemanden zu kriminellen Taten auf.

 

Momentan passiert ja in puncto Legalisierung so einiges. Wie wird es für das Hanf Journal weitergehen?

 

Die Anforderung lautet ganz klar sich weiterhin zu professionalisieren. Mit der Euphorie um Cannabis und den bald kommenden rechtlichen Veränderungen kommen auch höhere Anforderungen auf uns und die gesamte Szene zu. Es rücken Akteure auf den Markt, die vielleicht noch nie was mit Cannabis zu tun hatten, doch die es verstehen ein Business zu führen. Das ist eine große Herausforderung, doch ich glaube auch, dass man damit ganz gut leben kann. Cannabis ist ein Thema, das mehr braucht als technischen Verstand. Es braucht Herz. Das merkt man auch in Märkten wie dem Weinmarkt. Es reicht nicht den Vorgang zu kennen, um einen guten Wein zu machen. Weintrinker genauso wie Cannabis-Konsumenten wollen dieses Herz sehen in dem Produkt. Daher glaube ich, dass die Szene sich professionalisieren wird und wir werden diesen Schritt mitgehen. Wir bringen zum Beispiel inzwischen nicht mehr nur eine tagesaktuelle News auf unserer Webseite sondern zwei und es wird noch mehr werden. Zudem werden wir uns mit Fachbeiträgen spezialisieren und Themen, die wir bisher nur oberflächlich angesprochen haben, vertiefen. Dafür werden wir nicht nur die Zeitung nutzen sondern auch unsere anderen Kanäle wie Exzessiv TV, die Webseite sowie die sozialen Medien.

 

Vielen Dank für das Interview.

 

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2 Kommentare
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user
7 Jahre zuvor

gratulatiere Euch zur #200 !
super Berichte, immer informativ und anregend.
Danke für viele Jahre der Unterhaltung und hoffentlich ganz vieler weiterer Jahre.
Habe immer eine gute Zeit mit hanfjournal =)

Mörnest
7 Jahre zuvor

Ja, vielen Dank an denjenigen, der mit sicherheit im Cannabis Rausch die zündende Idee hatte. ” Ein Hanfjournal wäre cool, ” und der nächste daneben ” Yo, das wär cool, da könnten wir endlich mal positiv über Canabis berichten” im Hintergrund läuft leise Pink Floyd’s Shine on you Crazy Diamond und der Duft von Räucherstäbchen liegt in der Luft. Hm obwohl, das wären dann die frühen 80 er, sorry so alt wollt ich euch dann doch nicht machen.

Aber auf jeden ne super Idee und geil das ihr da seit, weiter so.