Donnerstag, 28. Juli 2016

Dellé im Interview

 

 

von Janika Takats

 

delle (1)

 

Als einer der Seeed-Frontmänner wird Frank Dellé von vielen Fans bejubelt. Während der ersten Bandpause wagte er erste Schritte als Solokünstler und brachte ein eigenes Album heraus. War er anfangs noch etwas zögerlich, freute sich Dellé regelrecht auf die nächste Pause, um an seinem nächsten Soloalbum basteln zu können. Das Ergebnis „Néo“, ein Album, welches um einiges reifer sowie stilistisch abwechslungsreicher und mutiger als der Vorgänger gestaltet ist. Dellé ist auf dem Boden geblieben. Dabei helfen ihm seine Familie und ein inzwischen um einiges ruhiger gewordenes Leben. Trotzdem sucht er weiterhin die musikalische Herausforderung. Zum Albumrelease haben wir den in Berlin lebenden Künstler zum Interview getroffen.

 

 

 

Mit März warst du mit Seeed noch in Südamerika auf Tour. Jetzt ist dein neues Album erschienen. Wann hast du denn daran gearbeitet?

 

(Lacht). Im Endeffekt war schon das Konzert, dass wir dort im Jahr 2015 gegeben haben gar nicht mehr vorgesehen. Deshalb hatte ich bereits mit der Arbeit an meinem zweiten Album begonnen. Das letzte Seeed Album kam 2012. Danach waren wir einige Jahre auf Tour bis dann auch von Pierre das Signal kam, dass es wieder Zeit für eine Pause ist. Mit Guido meinem Produzenten habe ich also in den letzten eineinhalb Jahren Material gesammelt. Dann kam das Angebot auf dem Lollapalooza zu spielen. Wir haben unter der Bedingung, dass wir 2016 in Südamerika spielen können, zugesagt. So kam es, dass wir dann noch nochmal mit dem alten Album auf Tour gingen, obwohl wir eigentlich schon in der Pause waren. Südamerika war genial. 12 Tage haben wir in vier Ländern: Brasilien, Kolumbien, Chile und Argentinien verbracht. In Argentinien hatte ich fünf Tage Zeit und ich war fest entschlossen in der Zeit zwei Dellé Videos zu drehen. Für das „Tic Toc“-Video haben wir extra Gentleman für einen Tag einfliegen lassen. Mit den Drehs bis in die Nacht, den Soundchecks und Lollapalooza Shows war es echt ein Marathon, doch es hat zum Glück alles bestens geklappt.

 

Zwischen deinem neuen Album und dem Vorgänger liegen sieben Jahre. Was ist in der Zeit bei dir passiert?

 

„Before I grow old“ stammt aus der Zeit, in der mich unter anderem der Tod meines Vaters sehr beschäftigt hat. In dem jetzigen Lebensabschnitt wurde mein zweites Kind geboren und mein erstes kam in die Schule. Mein Leben ist gesetzter geworden, was dem ganzen Rockstar-Leben entgegensteht. Am Wochenende spielt man auf dem Rock Am Ring und danach kommt man nach Hause und freut sich darauf seinen Rasen zu mähen und an seiner Terrasse zu schrauben. Das können sich die meisten Fans kaum vorstellen. Letztendlich verschiebt sich aber dein Fokus im Leben wenn du Kinder hast und das ist ja auch gut so. Ich habe das Glück von meiner Musik leben zu können und ein gutes Familienleben zu haben. Meine Familie ist mein Anker, der mich bei all dem Ruhm und Trubel auf dem Boden hält. Das Album beschäftigt sich auch mit meiner Angst dies alles zu verlieren, durch eine unglückliche Fügung oder einen Fehltritt. Das Album ist für mich wie ein Tagebuch, das die letzten Jahre meines Lebens Revue passieren lässt.

 

Wenn du beide Alben musikalisch miteinander vergleichst, was sind die wichtigsten Merkmale?

 

„Before I grow old“ war eine Ode an Roots Reggae auf Englisch. Bei „Néo“ war die Prämisse, dass ein richtiger Roots Reggae Fan in jedem Song Reggae finden soll, bloß auf eine Weise, wie er oder sie ihn nie zuvor gehört hat. Ich habe meinen Pfad nicht komplett verlassen, doch der Fächer ist geöffnet. Ich denke daher wird das Album noch mehr Leute ansprechen, die mit dem Genre an sich gar nichts zu tun haben. Gleichzeitig wird es niemanden aus dem Genre abschrecken, weil sie denken Dellé macht auf einmal Popmusik.

 

Wie kam es dazu, dass du mit Gentleman einen Song aufgenommen hast?

 

Gentleman ist im Prinzip genauso lange dabei wie wir, also um die 18 Jahre. Ich bewundere ihn, weil er es geschafft hat sich als weißer Kölner im Genre auf Jamaika und international einen Namen zu machen. Reggae hat in Deutschland keine große Bedeutung, doch das sieht in anderen Ländern ganz anders aus. Sich da zu behaupten, ist eine große Leistung. In dem Song, den wir gemacht haben, geht es ums Älterwerden. Immerhin sind wir beide keine 25 mehr… Wir haben vorher auch noch nie einen Song zusammen gemacht, obwohl es eigentlich naheliegend gewesen wäre. Auch das Video ist sehr schön geworden, ohne dass wir da vorher ein detailliertes Konzept gehabt hätten.

Mit Seeed wäre es wohl nicht mal einfach so dazu gekommen, einen Song mit Gentleman zu machen. Wir waren nie Konkurrenten, aber es hat jeder sein Ding gemacht. Als Einzelkünstler ist es leichter mit anderen zusammen zu arbeiten.

 

Beschäftigst du dich mit der aktuellen Debatte um Cannabis?

 

Ich habe noch nie gekifft, was daran liegen mag, dass ich in Ghana groß geworden bin, wo es in meiner Kindheit als etwas sehr negatives angesehen wurde. Das hat man einfach nicht gemacht. In Deutschland war und bin ich ja quasi von Kiffern umgeben, habe es dann allerdings fast schon als Sport betrieben es selbst noch nie gemacht zu haben. Ich denke dabei nicht, dass es etwas Schlechtes ist, es ist mehr eine Sache des Prinzips, so wie man eben kein Tattoo hat oder so. In meiner Umgebung kenne ich Leute, denen Cannabis gar nicht gut tut. Auf der anderen Seite habe ich auch mit Leuten zu tun, denen es sehr wohl gut tut. Kiffen war für mich nie relevant. Es ging mir nie darum es zu machen, um dazuzugehören. Auch Reggae hat für mich nicht viel mit Marihuana zu tun. Ich ärgere mich eher, dass es diese Klischees gibt. Reggae war für mich immer Rebel Music, in der zum Teil politische Botschaften über schöne Musik transportiert werden und es nicht nur um Sommer und Sonnenschein geht. Bei uns in der Band stellen sich eher alle die Frage wann Frank das erste Mal kifft, was also passieren muss, damit ich mal zur Tüte greife. Es gab eine Situation nachdem Guido und ich das „Before I grow old“ Album in der Hand hatten und ich dann sagte: „Weißt du was? Heute mit dir zusammen kiffe ich meinen ersten Joint.“ Und er hatte nichts dabei (lacht). Mal gucken was die nächste Gelegenheit wird…

 

Es wird darüber debattiert ob die Gesetzte bezüglich Cannabis geändert werden sollen. Wie stehst du dazu?

 

Ich finde es ehrlich gesagt Schwachsinn, dass es nicht legalisiert ist. Die Gründe sind für mach aber auch fast schon Binsenweisheiten, die ich hier gar nicht alle wiederholen will. Ich verstehe natürlich warum es politische Interessen gibt es nicht zu tun und wo diese Einstellung entstanden ist.

 

Du hast erwähnt, dass in deiner Kindheit Cannabis in Ghana sehr negativ gesehen wurde. Ist das jetzt immer noch so?

 

Ghana ist sehr viel konservativer, als man hier vielleicht denkt. Europa ist sehr sehr frei, gerade seit dem zweiten Weltkrieg und der Bewegung der 60er Jahre. In Afrika gibt es hingegen viel mehr Regeln und feste Ansichten darüber, was man macht und was nicht. Diese Regeln braucht man zum Teil auch zum Überleben. Auf der anderen Seite spielen in ärmeren Ländern Religion und die Kirche eine viel größere Rolle als hier. Diese geben auch klar vor was erlaubt ist und was nicht. In Deutschland findet man mit 16 Dreadlocks wahnsinnig cool und denkt in Jamaika wäre alles entspannt. Vor Ort merkt man jedoch, dass die Vorurteile dort noch um einiges fester sitzen. In Afrika bin ich mit der Mentalität aufgewachsen, dass Bildung das einzige ist, womit man es ‘vom Schafhirten zum Arzt bringen kann’. „Zieh dich vernünftig an und tu was für dein Gehirn, damit du einen Studienplatz bekommst“ lautet dort ganz klar die Ansage. Diese von uns manchmal als spießig empfundenen Ansichten, sind dort wesentlich stärker als hier. Daher ist fürs Kiffen einfach kein Platz. Mein Vater stammt aus der ersten Generation von Studenten in Ghana, die Stipendien erhalten haben und im Ausland studieren konnten. Er hat in Berlin Medizin studiert. Da war es sehr wichtig sich anzustrengen und einen vernünftigen Eindruck zu hinterlassen. Ich weiß noch wie ich in Deutschland in die Schule kam und zum ersten Mal dieses „kein Bock“ gehört habe und mir erklärt wurde, dass wenn du einen Lehrer in drei Sekunden zurückschlägst, es dann Selbstverteidigung wäre. Zu meiner Schulzeit in Ghana wäre das undenkbar gewesen. Hier denken gerade Jugendliche oft in Afrika wären alle so gechillt, doch das ist keinesfalls der Fall.

 

Wirst du mit deinem Album auf Tour gehen?

 

Ich spiele diesen Sommer einige Festivals und gucke dann, was das nächste Jahr so bringt. Wir haben eine Tour im November geplant. Wie umfangreich diese wird, hat allerdings auch damit zu tun wie erfolgreich sich die neue Platte verkauft und wie die Singles laufen. Wenn ich auf Tour bin, ist eine komplette Band dabei, dementsprechend hoch sind die Produktionskosten. Je nachdem wird die Tour also größer oder kleiner ausfallen. Für mich ist aber auch genau das, das Tolle. Im Gegensatz zu diesem Mamut-Seeed-Ding stehe ich auf kleineren Bühnen und sorge mich darum, ob genügend Leute kommen. Das ist eine Herausforderung, die mich gleichzeitig am Boden hält.

 

Inwieweit beeinflusst deine Solokarriere deine Arbeit mit Seeed?

 

Seeed ist Seeed und Dellé ist Dellé. Die Freiheit neben der Band Soloprojekte verwirklichen zu können, lässt einen atmen. So kann man sich auch immer wieder auf Seeed freuen. Es ist ein bisschen so wie in einer offenen Beziehung zu sein, in der man Freiheit hat, jedoch letztendlich immer wieder zu einander zurückfindet. Gerade nach einer so langen Zeit ist es wichtig sich auch musikalisch ausleben zu können. Es gibt einfach viele Dinge, die bei Seeed keinen Platz haben, die man aber problemlos als Solokünstler verwirklichen kann. Wir sind in der Luxussituation, dass alle über einen langen Zeitraum Bock auf Seeed haben. Ich denke diese Lust kommt aber auch genau daher, dass wir uns immer wieder Zeit für andere Dinge nehmen. Meine Solokarriere und Seeed als Band stehen auch in keiner Weise gegeneinander. Deshalb werde ich wohl auch nicht an den Punk kommen, an dem ich mich für das eine oder andere entscheiden muss.

 

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast.

 

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