Donnerstag, 10. Dezember 2015

Kommt die Cannabis-Agentur?

 

Medizinisches Cannabis vom Staat

 

Bild: Schmiddie

 

Von Michael Knodt

 

 

Die Cannabis-Agentur scheint beschlossene Sache. Die Frage nach dem „Ob“ beantwortete die „Welt“ am 1. November bereits mit einem klaren „Ja“, auch wenn es noch keine offizielle Stellungnahme der Bundesregierung gibt. Deren Sprecher verweisen in der einzigen, bislang offiziellen Stellungnahme auf den Entwurfcharakter des geplanten Gesetzes. Doch Kanzleramtssprecher Steffen Seibert spricht bereits von einer „einzurichtenden Agentur“. Dieses Projekt zum Cannabisanbau für Schwerkranke werde jetzt vorangetrieben, sagte der Merkel-Sprecher auf der Bundespressekonferenz am 4. November.

 

Woher der plötzliche Sinneswandel? Hat die große Koalition auf einmal ihr bislang fehlendes Herz für Cannabis-Patienten entdeckt? Oder hatten sie Angst vor Günter Weiglein und seinen zwei Mit-Klagenden? Die hätten ihren Berufungsprozess um den Eigenanbau ihrer Medizin ohne den Willen der Regierung, das Heft des Handels selbst in die Hand zu nehmen, 2016 wahrscheinlich gewonnen. Ihr Sieg wäre als Präzedenzfall ein Zeichen für viele andere Patienten in ähnlicher Lage wie Weiglein gewesen. Doch mit einer Cannabis-Agentur, die den Anbau von medizinischem Cannabis überwacht und lizenziert, wäre das Hauptargument Weigleins schon bald nicht mehr besonders stichhaltig. Der Autor dieser Zeilen wusste bereits im August 2014, dass „es kaum verwunderlich wäre, wenn die CDU/SPD Koalition die Zeit der nächsten Prozesse nutzt und beschließt, jetzt selbst medizinisches Cannabis anzubauen. So könnte man verhindern, dass Cannabis von Patienten privat angebaut wird, falls die Richter weiterhin ein Einsehen in die Notlage einzelner Patienten haben.“ Genauso ist es gekommen. Deshalb wagen wir jetzt auch eine neue Prognose, wie es mit Anbau und Kostenübernahme für Cannabis-Patienten weitergehen könnte:

 

– Die große Koalition wird bald ein Gesetz vorstellen, das eine Kostenübernahme für all jene beinhaltet, die eine Ausnahmegenehmigung der Bundesopiumstelle aufweisen können. Das Gerede von „Schwerkranken“ ist reines Ablenkungsmanöver. Ersten ist das kein Begriff im juristischen Sinne, den man in einem Gesetzestext verankern kann. Zweitens haben jene Menschen, die über eine Ausnahmeerlaubnis verfügen, ihre Bedürftigkeit bereits in einem sehr strengen Prüfungsverfahren, an dem auch Ärztinnen und Ärzte der Bundesopiumstelle beteiligt sind, im Rahmen einer Einzelfallprüfung bewiesen.

 

– Um sich vor weiteren Prozessen um den Eigenanbau von Patienten zu schützen, wird die Kostenerstattung sowohl für Cannabis Flos als auch für Dronabinol und Sativex für anerkannte Patienten bald erleichtert, eventuell sogar zur Regel, solange es noch keine Medizinal-Blüten aus Deutschland gibt.

 

– Die Gründung der Cannabis-Agentur wird Zeit beanspruchen. Nach der Gründung der Behörde an sich muss ein riesiges Regelwerk ausgearbeitet werden und es stehen Ausschreibungen für die mit Sicherheit begehrten Lizenzen an. Uruguay beweist gerade mit einer fast dreijährigen Anlaufzeit bei der Produktion von medizinischem Cannabis, wie lange so etwas dauern kann, wenn man als Staat ohne Ahnung von der Materie Neuland betritt. Bis in Deutschland die ersten Blüten für Patienten abgegeben werden, ist die nächste Bundesregierung wohl schon in Amt und Würden. Die wird schlussendlich auch entscheiden, wie es nicht nur mit medizinischem Cannabis weitergeht.

 

Der stete Tropfen höhlt den Stein

 

Die Gründung der Agentur beweist, dass eine Regierung nur reagiert, wenn der öffentliche Druck groß genug ist. Als Michael Fischer vor über einem Jahrzehnt zum ersten Mal für die Rechte von Cannabis-Patienten vor Gericht ging, hätte wohl kaum jemand gedacht, dass man eine CDU geführte Regierung mit zahlreichen Prozessen und einer guten Öffentlichkeitsarbeit irgendwann einmal dazu bewegen kann, „freiwillig“ Cannabis für Kranke anbauen zu lassen. Den von den wenigen Gegner befürchteten „Missbrauch“ des neuen Gesetzes kann man übrigens ganz einfach verhindern, indem man Cannabis für hedonistische Zwecke zeitnah mit-reguliert. Passend dazu hat der Hanfverband (DHV) gerade eine Dimap-Umfrage veröffentlicht, der zufolge eine Mehrheit von 51 Prozent der Deutschen „in einigen Jahren“ mit der Legalisierung von Cannabis rechnet. Auch die Zustimmung zu einem regulierten Cannabismarkt war mit 42 Prozent der Befragten so hoch wie nie zuvor. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, es den Cannabis-Patienten gleich zu tun und den öffentlichen Druck, Cannabis im Sinne von Prävention und Jugendschutz zu regulieren, zu erhöhen.

 

 

 

 

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Littleganja mit Ausnahmeerlaubnis
8 Jahre zuvor

Ich persönlich finde die Entwicklung sehr positiv, Gründe dafür sind das selbst wenn Günter Weiglein gewinnt und so ein Präzedenzfall entsteht, müssen trotz allem die anderen Patienten ihr Recht einklagen. Es ist doch der bessere Weg allen Patienten das Weed per Rezept zu verschreiben und die Kosten übernehmen die Krankenkassen. Nicht jeder kann selbst anbauen, nicht jeder hat einen extra Raum der genügend gesichert ist, nicht jeder hat das Geld für Strom + Samen + Dünger + Erde oder Substrat und eine Garantie das der Anbau auch zum Erfolg führt hat man auch nicht, Schimmel, Schädlingsbefall usw.. Ebenfalls kann nicht jeder so potente Pflanzen züchten das sie auch als medizinisches Cannabis genutzt werden können. Ich finde den Weg der Regierung… Weiterlesen »

greenness
8 Jahre zuvor

@Littleganja:

Das mit dem “austherapiert sein” finde ich eine Zumutung. Die Gesetzgebung sollte dahin gehen, daß der behandelnde Arzt entscheidet.

Du bist “konventionell austherapiert”. Wie waren die Nebenwirkungen der Medikamente, die Du zuvor eingenommen hast?

Littleganja mit Ausnahmeerlaubnis
8 Jahre zuvor

@greenness, die Nebenwirkungen waren beschissen, habe nach jedem Strohhalm gegriffen, von Übelkeit, Schwindel, Hautpilz und Ekzeme…………

Ich finde es auch nicht gut das man erst austherapiert sein muss, die Chemiekeulen die man vom Arzt bekommt sind viel schlimmer wie Cannabis und wirken meist auch nicht so gut oder überhaupt nicht (bezogen auf meine Krankheit).

Hero Lucky King Unchanged
8 Jahre zuvor

Nachdem sich unser Staat massiv weigert Nazi-Terroristen, die im Auftrag des Staates im Rahmen eines Terror-Netzwerkes unschuldige Türken u.a. erschossen haben, um deren Eigentum in die Zwangsversteigerung zu bringen, damit sich das Establishment am Ort (=Mafia) drin suhlen kann ist es doch ein Lichtblick, Schwerkranken ihre Cannabis-Medizin zu geben.

13/19Banana
8 Jahre zuvor

@ All, also nix mehr Pharma, Basta!
Greets

X-KIFFER
8 Jahre zuvor

Austherapierung nach Schweijk:
1. Alles verschreiben lassen was möglich ist.
2. Das Zeug Zuhause sofort ins Klo schmeißen.
3. Zum Arzt zurück gehen und sagen es wirkt nicht und man bekommt starke Übelkeit und/oder Durchfall.
4. Die Prozedur solange wiederholen bis nix mehr von Pharmadreck da ist was noch verschrieben werden könnte.
5. Fertig! Austherapiert!

Tip:
Besonders effektvoll ist es wenn man dem Arzt ins Wartezimmer oder (noch besser) während der Untersuchung auf seinen Kittel kotzt.

Für Hartgesottene:
Mit Durchfall geht das übrigens auch. Rizinusöl kann dabei Freund und Helfer sein.

Lars Rogg
8 Jahre zuvor

@ x-Kiffer

die Idee finde ich klasse. 🙂 Leider muss die Pharma erst mal ihren Anteil bekommen (auch wenns dann im Müll landet- im Übrigen besser als ins Klo, der Umwelt zuliebe). Wie bei der Schutzgeld Erpressung. Die Mafia bzw Pharma bekommt ihren Anteil, dann darf man auch verschrieben bekommen, dass einem Hilft ohne einen zu vergiften. Perfides System !!!! Aber unsere ReGIERung hat sich schon immer der Pharma unterworfen, ist also so gewollt. Der Gröhe ist sowieso nur eine Lachnummer von einer Marionette. Scheiß Spiel…

X-KIFFER
8 Jahre zuvor

@Lars
Obs im Müll besser ist weiß ich nicht so genau. Abwasser wird im Klärwerk gereinigt. Wenn es dagegen auf einer Müllkippe landet geht das Giftzeug ins Grundwasser. Wird der Müll einfach nur verbrannt entstehen möglichweise noch schlimmere toxische Verbindungen. Klo ist – da wo es Klärwerke gibt – glaube ich die umweltfreundlichere Entsorgung. Problematisch ist es natürlich wenn das Gift die Kläranlage passiert und in die Flüsse geht.

PS. mußte eben wiedermal das reCaptcha bestätigen. Da stand dann “Wählen Sie alle Bilder mit Grass aus” aber keins der Bilder zeigte Weed oder zumindest eine kleine Tüte. Sollte man vielleicht mal überarbeiten das Modul. 😀

Lars Rogg
8 Jahre zuvor

@x-Kiffer
ja so sicher ist wohl beides nicht. In einer Doku auf 3sat hab ich erfahren, dass die meissten Medikamentenrückstände die Klärwerke direkt passieren und ziemlich ungünstigen Einfluss auf die Umwelt nehmen. Vor allem Hormone und Antibiotika richten wohl ordentlich Schaden in den Flüssen und deren Bewohnern an. Ob das Zeug verbrannt und in die Luft geblasen so viel besser ist kann ich auch nicht sagen…

Weednews.de
8 Jahre zuvor

Finde ich toll für die Schmerzpatienten das es jetzt doch so schnell gehen soll. Hoffentlich wird es irgendwann einmal einfacher eine solche Sondergenehmigung zu bekommen.