Mittwoch, 2. September 2015

Noch ein Freispruch für Cannabis-Patienten

Eigenanbau gilt als Notstand- Staatsanwalt geht in Berufung

 

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Bereits Ende Juli hat das Amtsgericht Esslingen einen Cannabis-Patienten freigesprochen, bei dem die Polizei im Rahmen einer Hausdurchsuchung 2014 zehn Hanfpflanzen sowie ein paar Samen gefunden hatte. In der Begründung des Gerichts, das sich zwischen den Abschlussplädoyers und der Urteilsverkündung eine Woche Bedenkzeit genommen hatte, heißt es:

 

[…] Das Ziel des Eigenanbaus ist zudem, die Gefahr vom Angeklagten selbst abzuwenden, die Schmerzen bei ihm zu lindern. Sie ist auch nicht anderweitig abwendbar: Zwar hatte der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat eine Erlaubnis zum Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten, es ist ihm jedoch aus finanziellen Gründen nicht möglich, den medizinisch indizierten Bedarf auch nur ansatzweise zu decken. Es ist offensichtlich, dass mit Sozialleistungen im Umfang von ca. 400,00 Euro die Kosten für die Beschaffung der Medizinal-Cannabisblüten von mehr als 760,00 Euro nicht zu tragen sind. Der Angeklagte hat glaubhaft angegeben, dass auch die Krankenkasse die Kosten für die Beschaffung des Cannabis nicht übernimmt. Die Gefahr ist auch nicht dadurch ohne Weiteres abwendbar, dass der Angeklagte eine Genehmigung zum Eigenanbau einholt. Abwendbarkeit ist grundsätzlich nicht schon dann gegeben, wenn der Täter die Tatbestandsmäßigkeit seiner Handlung durch  Einholung einer behördlichen Genehmigung hätte vermeiden  können […]. Vorliegend hatte der Angeklagte eine Erlaubnis zum Selbstanbau am 13.10.2014 beantragt, über die zum Zeitpunkt der Tat aber noch nicht entschieden war. Jedenfalls unter diesen Umständen, auch unter Berücksichtigung der längeren Zeitdauer nach Antragstellung, kann nicht von einer Abwendbarkeit durch Einholung  einer Erlaubnis ausgegangen werden. […]”

 

Die Staatsanwaltschaft hat Prozesszuschauer-Angaben zufolge emotional auf das Urteil reagiert und mittlerweile Berufung beim Landgericht in Stuttgart eingelegt. Ein zusätzliches “Geschmäckle” erhält der Fall durch die fehlende Berichterstattung der Lokalmedien. In anderen, ähnlich gelagerten Fällen wie den jüngsten aus Unna, gibt es aufgrund eines so außergewöhnlichen Urteils zahlreiche Medienberichte.

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8 Kommentare
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Der Alois
8 Jahre zuvor

Ist doch klar, dass so etwas nicht in den Qualitätsmedien auftaucht. Man bedenke das Signal, das von einer solchen Meldung ausgesandt wird…

Lars Rogg
Antwort an  Der Alois
8 Jahre zuvor

Ein Signal das sich Kranke und hilsbedürftige wie Dreck behandeln lassen müssen, weil dieser Lobbygeile, unfähige Staat sie völlig im Stich läßt. Ein ekelhaftes Armutszeugnis. Den Staatsanwälten gehts doch nicht um Menschen, sondern um Gesetze und um die Tatsache das sie sich einen weiteren gewonnen Fall auf die Fahnen schreiben können. Statistik läßt grüssen. Diese SA würden Milch trinkende Kinder verfolgen, wenn es im Gesetz stehen würde. Staatsanwälte sind keine Menschen sondern Organe des Rechtswesens. Da braucht man weder Herz oder gesunden Menschenverstand oder gar eine Sinn für die Würde des Menschen. Ob die Hänflinge nun Krank sind oder nicht ist doch einem Staatsanwalt egal, der Sinne eines Staates agiert, dem die Gesetze über Menschen, deren Leben und deren Gesundheit… Weiterlesen »

Der Alois
Antwort an  Lars Rogg
8 Jahre zuvor

Hahaha…Der war gut! Demokratische Rechtsstaatlichkeit…in dem Deutschland möchte ich auch einmal leben. Die Realität sieht etwas anders aus. Wenn die Politik unter der Herrschaft der Banken steht – und wer würde in Deutschland etwas anderes behaupten als das – spricht man in der Regel von Faschismus!

Cookie
8 Jahre zuvor

Oder von “marktkonformer Demokratie” :)… mit Rechtsstaat im eigentlichen Sinne hat es auf jeden Fall nicht viel gemein, und “freiheitlich” ist diese Demokratie auch nicht. Sie waere es vielleicht, wenn das Grundgesetz in der taeglichen Praxis endlich ernstgenommen werden wuerde.

Abgesehen davon ist es hoechst unmoralisch und herbwuerdigend, einem Patienten sein Medikament faktisch zu verweigern!

Dorfkrug Rutenberg
Antwort an  Der Alois
8 Jahre zuvor

Recht gesprochen!

Dorfkrug Rutenberg
Antwort an  Lars Rogg
8 Jahre zuvor

Besser hätte es kaum einer ausdrücken können. Ich lebe schon seit 50Jahren mit einer staatlich geschürten Dauerparanoia! Ich zahle meine Rechnungen, schlage keine Frauen und Kinder, lüge nicht, stehle nicht, habe gelernt nach den Werten des deutschen Grundgesetzes zu leben; und ich habe einen erhöhten Adrenalinspiegel, wenn ein Polizeiwagen an unserem Haus vorbeifährt!? Ist DAS die Freiheit, die Demokratie, die uns in der Schule immer versprochen wurde? Ich war in den 70ern bei der Gründung von “YES” in Kassel dabei… und was hat sich seitdem geändert? Von den allgemeinen Repressionen her, ist es eher schlimmer geworden – in der Strafverfolgung und Haftbedingungen gab es kleine Verbesserungen. Der Legalisierung von Cannabis gebe ich leider nur geringe Chancen; die Korruption hat in… Weiterlesen »

Hero Lucky King Unchanged
8 Jahre zuvor

Der Richter hat nichts anderes getan als unsere deutsche Verfassung umgesetzt.
Gleichheitsgrundsatz: Wenn 100 mal stärkere Kräutermischungen ganz legal im Internet zu kaufen sind, dann darf niemand für wirkungsschwaches THC/Cannabis bestraft werden. Gilt übrigens auch für Kokain, Speed und Heroin.
Ich vermute, dass einfach viele Richter und Staatsanwälte noch nie was von einer deutschen Verfassung gehört haben, geschweige denn wissen, was man damit macht.

reefermadness
8 Jahre zuvor

Der Mensch ist gegenüber der gerechten Justizia ein armer Hund!!

Der arme Hund ist aber in Wirklichkeit der geknechtete Dämon
den Der Teufel hinter der Blindenbinde der Justizia züchtet.
Ein Sporn auf der Waage der Gerechtigkeit ein Quell der Erkenntnis und Barmherzigkeit
ein Füllhorn voll von überschäumender menschlicher Güte;
die sich in der Doppelmorallischen Weissheit
personifiziert und in der universellen Einsicht mündet:
Im Namen der Volkes.

mfg