Samstag, 13. Juni 2015

Auf den Hanf gekommen – Teil 1

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Text und Bilder: KIMO

 Cannabis als Medizin war noch vor 15 Jahren so gut wie vergessen“

 

 

Nicht nur Tod- oder Schwerstkranke nutzen Cannabis als Medizin, sondern auch ganz normale Menschen, die an chronischen Krankheiten leiden. Sie nehmen am Arbeits- und Alltagsleben teil, wie jede/r andere auch, vorausgesetzt ihnen steht das illegalisierte Medikament zur Verfügung. Gerade solche Menschen haben es oft schwer, eine Ausnahmegenehmigung für Cannabisblüten oder andere Medikamente auf Cannabisbasis verschrieben zu bekommen. Da das Wissen über Cannabinoid-Medizin bei den meisten niedergelassen Ärzten  in Deutschland bislang als kaum bis nicht vorhanden bezeichnet werden kann, wird man nicht selten zurückgewiesen, wenn man seinen Arzt nach Cannabis fragt, ohne Krebs, AIDS,MS oder eine andere lebensbedrohliche Krankheit zu haben. Doch die Behandlungsmöglichkeiten mit Cannabis sind so vielfältig, dass sie den Rahmen dieses Artikels sprengen würden. Ich selbst habe im Laufe der letzten Jahre Patienten mit Bulimie, Diabetiker, Alkoholsüchtige, Gichtkranke und noch eine Menge andere kennengelernt, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten prima mit ihrer selbst verordneten Medizin „funktionieren“. Viele haben Kinder, Familie, einen guten Job und nicht nur deshalb wenig Lust, die immer noch stigmatisierte Medizin auf offiziellem Wege zu beantragen. So wie Highno*, der seit seinem fünften Lebensjahr an Migräne leidet. Ich treffe Highno jetzt schon zum dritten Mal, um mir seinen „Medical Grow“ anzuschauen, den er einer Ausnahmegenehmigung noch immer vorzieht.

 

 

Hallo Highno. Du baust Deine Medizin selbst an. Erzähl bitte noch einmal ganz kurz, wie Du auf den Hanf gekommen bist.

 

Ich leide seit frühster Kindheit unter Migräneattacken mit starkem Erbrechen. Meine Eltern haben das nie ernst genommen und so wurde das erst diagnostiziert, als ich fast erwachsen war. Kurz vor dem Abitur hatte ich mal wieder einen Migräneanfall, der sich anfühlte, als ob  mein Kopf zu platzen sowie mein Magen zu explodieren drohte. Im Aschenbecher lag noch ein halber Joint vom Vorabend. Eigentlich war mir gar nicht nach Kiffen zumute, aber trotzdem hatte ich in dem Moment das Gefühl, als ob ich die Tüte aufrauchen sollte. Vielleicht, weil mir Hasch damals, als ich noch gerne mal Party gemacht habe, gegen den unsäglichen Alkoholkater viel besser geholfen hat als Kopfwehtabletten.
Nach den ersten beiden Zügen hätte ich ihn fast wieder ausgemacht. Beim Purrauchen muss ich immer ein wenig husten, was den Kopfschmerz für zwei oder drei Minuten noch schlimmer macht. Aber noch während der Kopf vom Husten gestochen hat, habe ich gemerkt, wie mein Magen plötzlich anfing, sich zu beruhigen. Nach der ganzen Tüte war mein Brechreiz weg und auch die Übelkeit war viel besser geworden. Das kannte ich von den üblichen Schmerzmitteln nicht. Bei denen musste ich immer kämpfen, die nicht auszukotzen. Meistens hab’ ich den Kampf nach spätestens 30 Minuten verloren. Nach der Tüte konnte ich es kaum fassen: Ich konnte mich endlich hinlegen, ohne ständig aufzustehen, um mir den Magen aus dem eigenen Leib zu kotzen. Bei einem heftigen Anfall habe ich selbst bei leerem Magen heftigste Kotzkrämpfe, die wiederum die Kopfschmerzen immer schlimmer werden lassen. Oft dauert diese Wechselwirkung so lange, bis ich vor Erschöpfung irgendwann nach 6 bis 12 Stunden einschlafe. Nach meiner ersten medizinischen Tüte konnte ich ohne Würgekrämpfe eine Liegeposition finden, in der die Kopfschmerzen erträglich waren. Wenn ich nicht kotzen muss und liegen kann, schlafe ich meist ziemlich schnell ein. Nach dem Aufwachen sind die akuten Symptome dann meist so weit abgeklungen, dass ich meinen Alltag wieder bewältigen kann. Meist bin ich bis zum nächsten Tag noch ein wenig schlapp und habe leichtes Kopfweh, ganz selten dauern diese „Nachwehen“ auch mal zwei Tage.

 

 

Du kanntest Cannabis also schon, bevor Du es medizinisch genutzt hast?

 

Klar, damals wäre ja kein Mensch drauf gekommen, mir Cannabis bei Migräne zu empfehlen. Cannabis als Medizin war noch vor 15 Jahren so gut wie vergessen und spezielles Wissen war lange nicht so einfach zugänglich wie heute. Ich habe im Berlin der späten 1980er Jahre angefangen zu kiffen, zu dieser Zeit habe ich Gras nur als Rauschmittel gebraucht, wobei ich feststellen muss, dass es mir damals schon als die bessere Alternative zu unserer Bier- und Saufkultur erschien. Kein Gelalle, keine Aggressionen, kein Kater.  Mit Anfang 30 hatte ich neben der  Migräne noch mit den Folgen eines unverschuldeten Fahrradunfalls zu kämpfen, durch den sich Vieles geändert hat. Ich habe seitdem einen Haufen Schrauben im Körper und dadurch vor allen Dingen abends oft chronische Schmerzen. Kurz nach dem Unfall habe ich angefangen, Cannabis nicht ein paar Mal im Monat gegen die Migräne oder auch ab und zu mal zur Entspannung, sondern regelmäßig nach der Arbeit als Schmerzmittel zu gebrauchen. Ich musste nach dem Unfall auch meinen erlernten Beruf als Handwerker aufgeben und sitze seitdem im Büro. Sitze ich einen Tag im Büro, ist mein ganzer Schulterbereich abends verspannt und ich spüre jede Schraube. Ich mach zwar auch viel Ausgleichssport, aber das alleine reicht einfach nicht. Seit ich über 30 bin, nehme ich meist sehr kleine Dosen, seltenen so viel, dass ich berauscht bin. Ein Beispiel: Wenn ich bekifft sein will, rauche ich den Joint, den ich mir sonst über den ganzen Abend einteile, innerhalb von 15 Minuten weg. Die ganze Tüte rauche ich aber nur noch, wenn ich zusammen mit meiner Frau oder ein paar Freunden was Besonderes mache und ich den Zustand genießen kann. Ansonsten drehe ich mir nach Arbeit einen Joint und nehme einmal in der Stunde zwei oder drei Züge. Mache ich das nicht, habe ich spätestens nach einer Woche chronische Schmerzen in Schulter und Nacken. Nach langem Hin und Her habe ich vor Jahren mal ein Dronabinol-Rezept bekommen, aber das war viel zu teuer und ich bin eben echtes Gras gewöhnt. Wieso soll ich mich umstellen, wenn es mir seit Jahren gut geht? Erst wenn Patienten endlich selber anbauen dürfen, hole ich mir einen Schein dafür. Eine Ausnahmegenehmigung für 17 Euro teures Apothekengras könnte ich bestimmt bekommen, aber genauso wenig gebrauchen wie mein Dronabinol Rezept, weil es einfach zu teuer ist und die Kasse noch nix bezahlt. Aber wenn sich das ändert, könnte ich mir sogar überlegen, meinen Grow irgendwann mal abzubauen. Vorausgesetzt, die medizinischen Sorten, die angeboten werden, können mit meinem Kraut mithalten.

 

 

PS: unsere Leser/innen dürfen nicht zuschauen, nicht selbst anbauen oder Deine Worte gar als Aufforderung zum illegalen Hanfanbau verstehen. 

kimo_blütekammer

* Name von der Redaktion geändert

 

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1 Kommentar
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Der Optimist
8 Jahre zuvor

Das sehe ich ganz ähnlich wie Highno. Nachdem ich über 20 Jahre unbehelligt Gras geraucht hatte, wurde ich bei den deutschen Repressionsorganen denunziert. Es folgte das volle Programm. U-Haft, Prozess, Verurteilung, Pappe weg, Job weg, Zwang zur Therapie, Bewährung. Nach drei Jahren Abstinenz hatte ich 20 kg zugenommen, katastrophale Blutwerte und überall in meinem Körper hatten sich Entzündungen breit gemacht. Besonders schmerzhaft waren dabei entzündete Schultersehnen. Es war mir z.B. nicht mehr möglich ohne Schmerzen eine Jacke anzuziehen, oder nachts durch zu schlafen. Der Arzt verschrieb mir Tabletten, die überhaupt keine Linderung gebracht haben, sondern durch 24/7 Sodbrennen und schweren Verdauungsstörungen alles nur noch schlimmer gemacht haben. Ich begann mich für alternative Heilmethoden zu interessieren und stiess dabei auf Cannabis… Weiterlesen »