Samstag, 9. Mai 2015

Noch kein Cannabis Social Club in Münster!

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Wie lange noch bis die erste Stadt ja sagt? Foto: www.cscistok.eu

Autor: Emanuel Kotzian

 

Münster: Bereits am Mittwochabend behandelte der Münsteraner Stadtrat den durch die Bürgerinitiative eingebrachten Antrag zur Einführung eines Cannabis Social Clubs. Die unter dem Namen “Hanffreunde Münster” agierende Gruppe hatte insgesamt 2.100 Unterschriften gesammelt um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Dieser Nachdruck ist wohl auch im Rat der Stadt angekommen. Denn alle bisher in deutschen Städten behandelten Anträge wurden ausnahmslos abgelehnt und wanderten somit bisher ins Archiv. Nicht so in Münster. Zwar wurde der Antrag nicht sofort angenommen, jedoch immerhin wieder in den Sozialausschuss zur weiteren Erörterung verwiesen.

 

Warum ist kein Ja dennoch eine gute Nachricht für alle Freunde der Cannabis Social Club Idee? Es sprechen mehrere Faktoren dafür, dass hinter den sichtbaren Ratssitzungen sich die Situation strategisch pro Cannabis und Hanf geändert hat.

 

Münster ist anders.
Im Bezug auf Cannabis unterscheidet sich Münster von einer (nicht zufällig gewählten) Stadt wie München wie Tag und Nacht. Während man in München als Cannabiskonsument im Zweifelsfall eine Bleikugel ins Schulterblatt von der Polizei zu erwarten hat, tritt der Münsteraner Polizeipräsident seit beinahe einem Jahrzehnt mehr oder weniger offen für die Freigabe des Krauts ein. Der offene Umgang in der Universitätsstadt ist unverkennbar. Nicht nur weis so gut wie jeder Münsteraner welche Stadtbuslinie nach Enschede fährt, sondern natürlich helfen sie auch gerne mit freundlichen Hinweisen, an welcher Bushaltestelle man denn auszusteigen habe um den Coffeeshop möglichst günstig zu erreichen. Klar bekommt man als ganze Stadt ein anderes Gefühl für Cannabis wenn man seit 40 Jahren in Nachbarschaft zum Coffeeshop lebt und mitbekommt wie viele günstige Auswirkungen eine Legalisierung bringt. Um exakt zu sein wussten die Münsteraner früher über Cannabis bescheid, als die Einwohners Denvers wo gerade der Cannapunk abgeht.

 

Politiker im Schach
Lange Zeit reichten Lippenbekenntnisse von Politikern und der Verweis auf geltendes Recht (das man ja in der Kommune nicht aushebeln könnte) um sich vor Taten drücken zu können. Die aktuelle Stadtregierung Münsters ist hierfür ein Paradebeispiel. In der aktuellen Koalitionsvereinbarung spiegelt sich dieses wieder. Frei zusammengefasst: “Wir würden gerne was für die Cannabiskonsumenten tun wenn es denn gerade passt und wir niemanden anderen auf die Füße treten und gerade Zeit ist und wir nicht gerade mal wieder Wahlkampf machen müssen oder andere Sachen” Der werte Leser erkennt sofort welche Parteien an der Stadtregierung beteiligt sind. Exakt. Ein realpolitisches Rot-Grünes Bündnis, das im Prinzip seit dem Ende der geistigen Kaiserzeit regiert.
Seitdem allerdings die Bürgermeisterin Monika Herrmann in Berlin Kreuzberg klargestellt hat, dass man natürlich als Kommune ein Modellprojekt zur legalen Cannabisabgabe auf den Weg bringen kann, fällt auch für die Münsteraner Politiker das Argument weg sie könnten ja gar nicht obwohl sie ja wollten. Genauso entscheidend für die Situation der Stadtoberen ist allerding, dass mit der Eingabe einer von mehreren Tausend Unterschriften gestützten Initiative auf einmal ein schon beinahe Schlüsselfertiges Cannabis Social Club Konzept auf dem Tisch liegt, welches in Berlin immer noch fehlt. Ein Konzept, dass gegenüber dem in Berlin favorisierten Coffeeshop-Modell auch den Anbau geregelt bekommt anstatt sich wie in Berlin auf den Storch zu verlassen, der dann die Cannabispakete schon bringen wird. Mit ihrer Initiative haben die “Hanffreunde Münster” einen Vorschlag auf den Weg gebracht, der politisch viel schwerer abzulehnen ist, weil er tatsächlich die Legalisierung regelt und zwar vom Anbau bis zum Konsum in einem geschlossen Kreislauf, der für einen Modellversuch absolut notwendig ist, sich selbst finanziert und in der Praxis bereits in mehreren Ländern erprobt wurde. Selbst die Schweiz befindet sich im aktuellen Diskurs in der Richtung eben diese Cannabis Social Club Lösung zu favorisieren. Weil es keine sinnvollen Argumente in der Sache gegen einen Cannabis Social Club gibt stehen die Regierungsparteien in Münster im politischen Schach. Entweder sie sagen „Ja“ zum Modell und blamen damit ihre Bundesparteien, die von Legalisierung entweder nichts wissen wollen oder total andere Modelle bevorzugen und bekommen somit Stress mit ihren “Parteivorgesetzten” oder sie stimmen mit “Nein” und ziehen den Groll ihrer Bürger auf sich, die sich zahlreich für genau dieses Thema interessieren. Noch sind die nächsten Kommunalwahlen zwei Jahre weit weg und niemand braucht um seinen warmen Sessel zu fürchten. Jedoch hat sich die Opposition schon in Stellung und auf die Seite der Initiative gebracht. Freilich ohne die in Münster relativ sinnfreie CDU (denn ein Cannabis Social Club ist eigentlich was konservatives) haben die restlichen Oppositionsparteien Linke, Piraten und auch die FDP (die seit diesem Jahr nach 40 Jahren Verfolgunsbeteiligung in Land und Bund jetzt Cannabis auch ganz toll findet) das Thema entdeckt und freuen sich über jede Stimme aus dem Cannabistenlager.

 

In der Mehrheit Angst vor dem eigenem Beschluss.
Wohl genau deshalb oder einem alten Sozialdemokratischen Leitspruch folgend “Wenn Du mal nicht weiterweist, dann gründest Du einen Arbeitskries” verweisen die Stadträte den Antrag zur weiteren Erörterung in den Sozialausschuss der Stadt Münster. Somit ist die Entscheidung verschoben und nicht aufgehoben und gibt allen Beteiligten Zeit die Lage zu rekalkulieren und sich eventuell neu zu positionieren. Der Sprecher der Münsteraner Hanffreunde Micha Greif spricht es aus: “Gut Ding will Weile haben. Dass der Antrag weiter diskutiert wird, ist ein Erfolg. Es bleibt also spannend in Münster.”

 

Eines ist jetzt schon klar: viele rationale Argumente für ein Nein gibt es nicht und so steigt die technische Wahrscheinlichkeit für ein Ja. Das wäre den Einwohnern Münsters zu wünschen, denn dann müssten sie nicht immer mit dem Bus nach Enschede gondeln. Wir drücken die Daumen und würden uns freuen, Euch bald mal in Eurem Cannabis Social Club besuchen zu können.

 

 

PS: der Autor bedankt sich ausdrücklich für die gastliche Aufnahme im funktionellen Raucherzimmer beim Kolpinghaus Münster und beim freundlichen Pater für die sachdienlichen Hinweise zum Auffinden der richtigen Busverbindung und der freundlichen Coffeeshop-Beratung. Aufrichtiges Dankeschön eines Reisenden.

PPS: ich bedanke mich für das Feedback zu dem Artikel und muss den Beitrag an zwei Stellen richitgstellen:
1) Den Stadtbus gibt es nicht mehr – vor zwei Jahren wurde dieser abgeschafft. Die aktuell beste Verbindung geht per Bahn direkt nach Venlo! Sehr schön und der Autor entschuldigt sich länger nicht merh in der Stadt gewesen zu sein.

2) Der Artikel erweckt den Eindruck die FDP im Stadtrat hätte sich klar positioniert. Hat sie nicht! Vielmehr wollte der Autor zum Ausdruck bringen, daß die FDP im traditionelem Halsdrehwettbewerb gerade ihr Fähnlein für den Hanf gedreht hat und anzunehmen ist, daß die FDP sich definitiv gegen die RotGrüne Stadtratsmehrheit stellt; im Prinzip egal ob bei Cannabis, Bushaltestelle oder Hundekotverordnung. Eine Art Naturgesetz bei jener Partei. Der Autor entschuldigt sich der FDP unbeabsichtigt einen positivien Anstrich verpasst zu haben. Sorry.

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5 Kommentare
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HM420
8 Jahre zuvor

Netter und schöner Bericht, der eigentlich etwas Hoffnung machen sollte – eigentlich ! Denn nachdem gerade in Frankfurt ein geplantes Modellprojekt zum Thema Cannabis eingestampft wurde,und das mit einer Grün-beteiligten Regierung, glaube ich nicht daran das es hier anders ausgehen wird. Wahrscheinlich möchte man zur Zeit einfach nur eine gewisse Wählergruppe nicht schon jetzt vor den Kopf stossen ?! Und das andere Parteien sich “wirklich” dafür einsetzen werden kann ich derzeit auch nicht erkennen! Oder glaubt wirklich jemand, das z.B die FDP (sollte Sie irgendwo über 5% kommen ) denn favorisierten Koalitionspartner CDU damit ärgern möchte ? Wohl kaum ! Schließlich ist dann eine mögliche Koalition (Partnerschaft) wichtiger als dieses Thema, und wird somit auch nicht weiter unterstützt. Bei Piraten… Weiterlesen »

Lars Rogg
Antwort an  HM420
8 Jahre zuvor

Jupp so isses…hätte ich aggresiver aber nicht schöner ausgedrückt..!!!

Erwin
8 Jahre zuvor

Das allgemeine Denken über Cannabis in unserer Gesellschaft basiert auf falschen Tatsachen und geschürter Angst. Aber da steckt noch mehr dahinter. Denn Cannabis stellt eine “Konkurrenz” für den bereits legalisierten Alkohol dar. Bis ins 18.Jhd. war Cannabis das meistverschriebene Medikament in den Apotheken. Falls es wieder so werden sollte, hätte die Pharma-Lobby bestimmt etwas dagegen. Zumal dann absehbar wäre, dass sich jeder sein Heilkraut selber machen könnte. Das Argument, dass die Legalisierung von Cannabis ein Einstieg zu härteren Drogen ist, zählt nicht. Es ist doch so: Erst wenn Cannabis erlaubt wäre, würde man sich den Weg zum Dealer sparen können. Zurzeit befindet man sich beim Kauf von Cannabis ja schon auf der “illegalen” Seite, was den Griff zu den harten… Weiterlesen »

Smoke Joe
Antwort an  Erwin
8 Jahre zuvor

Richtig!!
Die meisten Politiker stehen doch eh auf der Gehaltsliste der Pharmaindustrie. Weil es ein käufliches Pack ist!!!

Kind des Universum
8 Jahre zuvor

Ich brauche konkrete Hilfe bei meiner Arbeit. Helfende Hände. Helfende Seelen. Ein wenig Solidarität. Seit 2008 bin ich arbeitsunfähig erkrankt und daraufhin berentet worden. Weil ich keine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen habe bin ich, als selbständiger Firmeninhaber, direkt auf Harz 4 gefallen und anschließend wegen „Burnout“ berentet „worden“ und lebe nun von einer Aufstockrente. Vor Jahren habe ich als Systemspezialist (Cisco) und IT-Manager bei großen Telekommunikationskonzernen, Banken und Logistikunternehmen gearbeitet. Unter anderem habe ich Rechenzentren geplant, aufgebaut und geleitet. Datennetze in Deutschland (nach der Telekom-Privatisierung) mit aufgebaut und bei einem großen Anbieter den operativen Netzbetrieb geleitet. Weil ich viel Zeit mit meinem Sohn verbringen wollte, als der noch klein war, habe ich mich selbständig gemacht und habe als Unternehmensberater und IT-Fachmann gearbeitet.… Weiterlesen »