Donnerstag, 19. Februar 2015

Interview mit Markus Berger

von Kevin Johann

 

„Ein erfahrener Psychonaut – Ich bin es bereits und ich will es noch werden“

 

 

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Markus Berger, die Leser/innen des Hanf Journals werden ihn kennen, gehört zu Deutschlands bekanntesten Drogenforschern und Psychonauten. Er ist Autor zahlreicher Bücher über die Pflanzen- und Psychoaktivakunde sowie Initiator der Drug Education Agency (DEA) und der Nachtschatten-Television. Zwei absolut einzigartige Internetformate, die auf gleiche Weise Drogenkompetenz vermitteln, genau wie sie unterhalten und zum Nachdenken anregen. Im Grunde genommen macht Markus mit seinen Onlineformaten genau das, was die Institution Schule bislang zur Gänze versäumt, nämlich akzeptierende Drogenprävention. Das heißt, ohne moralischen Zeigefinger auf wissenschaftlichen Fakten basierend über die Chancen und Gefahren von psychoaktiven Substanzen aufklären. Daneben geht es in den Sendungen von Markus aber auch immer wieder um das interessante Feld der Psychonautik. Und genau zu dieser Thematik habe ich mit Markus ein Gespräch geführt und ihm ein paar Fragen dazu gestellt. So erzählt uns Markus im vorliegenden Beitrag was Psychonautik überhaupt ist, welches Potenzial ihr obliegt, wie seine Begegnungen mit dem LSD-Entdecker Albert Hofmann für ihn waren sowie vieles weiteres mehr.

 

 

 

Erst einmal vielen Dank für deine wirk- und wertvolle Arbeit. Das ist wirklich eine tolle Sache. Aber sag mal, was hast du eigentlich beruflich gelernt? Schließlich gibt es ja keine Ausbildung in Drogenforschung oder Psychonautik.

 

Die einzige konventionelle Ausbildung, die ich genossen habe, war die zum Rettungssanitäter. In diesen Beruf bin ich mit dem Zivildienst reingerutscht und habe dann auch über sechs Jahre als Sanitäter gearbeitet. Im Nachhinein bin ich sehr froh darüber, dass ich diese Ausbildung gemacht habe, denn ich habe mir in dieser Zeit viel medizinisches Fachwissen aneignen können, was mir in der Psychonautik enorm weiterhilft. Ich habe auch darüber nachgedacht studieren zu gehen, aber da hätte ich überhaupt nicht gewusst, welchen Studiengang ich belegen soll, denn es gibt einfach zu viele Forschungsdisziplinen, die mich interessieren. Zum Beispiel Chemie, Biologie und Ethnologie. Deshalb habe ich mich dann letztlich gegen das Studium entschieden und mich auf meine eigenen Forschungen konzentriert.

 

 

Gab es in deiner Biografie bestimmte Schlüsselerlebnisse, die dich dazu veranlasst haben den Weg des Psychonauten zu bestreiten?

 

Nein, das kann ich so nicht sagen. Aber sicherlich gab es die ein oder andere psychedelische Erfahrung, die ihren Teil zu diesem Werdegang beigetragen hat. In meinem Fall ist es so, dass ich bereits seit meiner Kindheit eine starke Affinität zu psychoaktiven Substanzen verspüre. Dazu kann ich auch eine kleine Anekdote erzählen. Und zwar habe ich damals, als meine Eltern für kurze Zeit außer Sichtweite waren, im Glauben ich habe ein nettes Alkoholikum der Erwachsenen entdeckt, einen großen Schluck Olivenöl geext. Da war ich ungefähr sieben Jahre alt. Mein Neurologe erklärt diese Affinität für Psychoaktiva durch meine Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätsstörung. Er sagt, dass viele ADHS-Patienten durch die Verwendung bestimmter Rauschmittel unbewusst nach einer Möglichkeit zur inneren Beruhigung suchen.

 

 

Du sagtest, dass du deine Affinität zu psychoaktiven Substanzen schon in jungen Jahren entdeckt hast. Wie alt warst du denn, als du das erste Mal Cannabis ausprobiert hast?

 

Da war ich fünfzehn. Ich hatte vorher schon viel über Cannabis gehört und war mir ziemlich sicher, dass es mir gefallen würde. Irgendwann habe ich dann Punks kennen gelernt und über die bin ich dann dazu gekommen, das erste Mal Hasch zu probieren. Ich habe auch gleich beim ersten Mal was gemerkt. (lacht) Das werde ich nie vergessen. Das war `ne Punkfrau aus Wuppertal, die mir damals ihre kleine Maispfeife hingehalten und mich damit letztlich auch „eingeweiht“ hat. Mir hat es auf jeden Fall gleich gefallen. Nicht nur, dass ich den Cannabisrausch gut fand, sondern anfänglich glaubte ich auch, dass ich durch das Hasch rauchen noch stärker rebellierte als zuvor. Denn nun hing ich nicht nur anstatt in der Schule zu sitzen mit den Punks rum, sondern konsumierte zudem auch noch illegale Drogen. Am Anfang habe ich allerdings nicht oft geraucht. Ich kannte ja niemanden bei dem man etwas bekam. Hatte aber mal jemand was, dann war ich gerne bereit mitzurauchen.

 

 

Ich weiß, dass es nicht einfach ist die Psychonautik in wenigen Sätzen zu definieren. Aber was würdest du sagen bedeutet Psychonautik eigentlich?

 

Wie du schon sagst ist die Psychonautik relativ schwierig in Worte zu fassen. Zunächst würde ich sagen, dass die Psychonautik ein Lebensstil ist. Psychonautik ist eine Art zu leben. Denn schließlich muss man sich ganz bewusst dazu entscheiden den Weg des Psychonauten zu gehen. Psychonautik ist kein Hobby, denn ein Hobby kann man nebenbei machen oder man lässt es sein, wenn man mal keine Zeit hat. Die Psychonautik will aber komplett ins Leben integriert werden, sofern man es ernst meint. Müsste ich die Psychonautik aber in einem einzigen Satz definieren würde ich sagen, dass es sich dabei um die Erforschung der inneren Welten handelt sowie der gleichzeitige Versuch das schamanische Weltbild ins persönliche Leben zu integrieren.

 

 

Was bedeutet es für dich persönlich ein Psychonaut zu sein?

 

Psychonaut zu sein bedeutet für mich, dass ich mich in einem ständigen Erkenntnisprozess befinde, der niemals zu Ende geht. Es gibt einen Leitspruch für mich, auf den ich mal in einem erweiterten Bewusstseinszustand gekommen bin: Ein erfahrener Psychonaut – Ich bin es bereits und ich will es noch werden. Ich habe zwar in Sachen Psychonautik schon lange Erfahrung, aber ich stelle fest, dass ich spirituell noch ziemlich am Anfang stehe. Damit meine ich, dass ich noch sehr in den menschlichen Anhaftungen gefangen bin. Diese Gefangenschaft zu überwinden ist das Ziel und die Psychonautik bietet eine hervorragende Möglichkeit das zu schaffen. Und das nicht bloß der eigenen Selbstverwirklichung wegen, sondern zum Wohle des gesamten kosmischen Geflechts, von dem wir ja alle ein kleiner Teil sind. Das ist das Bodhisattva-Prinzip aus dem Buddhismus. Zum psychonautischen Erkenntnisprozess gehört außerdem die Einsicht, dass ich als Teil der Natur von meinen Mitmenschen und der gesamten Umwelt nicht getrennt bin. Aus dieser Betrachtung kann die Psychonautik auch als rein spirituelle Lebenspraxis verstanden werden.

 

 

Können auch Personen Psychonauten sein, die keine psychoaktiven Substanzen konsumieren sondern andere geistbewegende Techniken anwenden? Oder anders formuliert: Ist die Psychonautik automatisch mit der Einnahme bewusstseinsverändernder Stoffe verknüpft?

 

Nein, nicht automatisch. Ich würde sagen, dass 90 % aller Psychonauten ihren Zugang über psychedelische Substanzen gefunden haben. Der Rest mit Hilfe anderer Techniken, beispielsweise Holotropes Atmen, Floating, Körperarbeit, Yoga, Meditation, Schwitzhütte und so weiter, also die ganzen non-pharmakologischen Techniken der Bewusstseinserweiterung.

 

 

Was hältst du von der Idee „Weltverbesserung durch Psychonautik“? Denkst du, dass die Psychonautik das Potenzial trägt, einen kollektiven Bewusstseinssprung zu entfachen?

 

Ja, das denke ich ganz sicher. Das hat sie auch sogar schon mehrfach getan. Man denke nur mal an die Hippie-Revolution der 68er. Die Hippies haben ganz klar eine Kulturrevolution in Gang gesetzt, die nachhaltig sehr viel verändert hat. Und das wiederum ist ganz klar das Ergebnis der plötzlichen Existenz einer Substanz namens Lysergsäurediethylamid -25. Ich würde sagen, dass Albert Hofmann die Welt veränderte. Aber auch im derzeitigen Augenblick merkt man ganz deutlich, zumindest ist das mein Gefühl, dass sich bewusstseinstechnisch einiges tut. Die Welt ist ganz besonders schlimm und schlecht zurzeit, aber wie immer baut sich dann in unserem dualen Universum auch der Gegenpol dazu auf und die Leute beginnen aufzuwachen und erkennen zunehmlich, dass wir in einem verqueren und falschen System leben, das dringend geändert werden muss. Die derzeitige kollektive Bewusstseinsveränderung sieht man beispielsweise darin, dass aktuell McDonalds in ganz vielen Ländern ernsthafte Existenzprobleme hat. Die Leute denken mehr und das finde ich bei all dem Schlimmen, was derzeit draußen in der Welt passiert, sehr positiv und auch ein Stück weit beruhigend. Und eine psychonautische Haltung kann dieses große Mosaik letztlich immer nur positiv beeinflussen.

 

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Du hast eben den LSD-Entdecker Dr. Albert Hofmann angesprochen. Hast du diesen weisen Menschen, den wir alle ja zutiefst schätzen, eigentlich noch persönlich kennen lernen dürfen?

 

Ja, ich habe Albert am Ende seines Lebens zum Glück noch persönlich kennen lernen dürfen und ich bin für die Begegnungen mit ihm unendlich dankbar. Zum Beispiel wurde ich von Albert anlässlich der Feier „60 Jahre LSD-Entdeckung“ zum Essen im kleinen Kreise nach Basel eingeladen. Anwesend waren seine Frau, Alberts engsten Freunde, Christian Rätsch, Roger Liggenstorfer sowie Künstler und Psychonauten aus aller Welt. Es war eine kleine, exklusive Gesellschaft bestehend aus ungefähr 50 Personen. Die Situation war derart ergreifend für mich und gleichzeitig fühlte ich mich so geehrt, dass ich kurzzeitig vor Freude heulend bei Christian im Arm gehangen habe. Ein anderes tolles Erlebnis mit Albert hatte ich im Jahre 2004 auf der 2. Entheo-Vision, die ich gemeinsam mit Hartwin Rohde organisiert habe. Ich stand im Flur des Universitätsgebäudes als Christian Rätsch mit einem Telefon auf mich zu kam und sagte, dass dort jemand dran sei, der mich sprechen wolle. Ich ging dran und am anderen Ende war Albert. Er sagt mir wie sehr er meine Arbeit schätze und das ich viel mehr über die Mutterkornalkaloide wissen würde als er. Ich hatte kurz zuvor einen Artikel über die psychoaktiven Ergoline veröffentlicht und da waren einige dabei, die Albert noch nicht kannte. Und das war es ihm wert gewesen zum Hörer zu greifen und mich anzurufen. Ich erwiderte ihm, dass es mir eine riesengroße Ehre ist, aber ich ganz sicher nicht mehr wisse als er. Schließlich sagte er noch, dass er ab jetzt der offizielle Schirmherr der Veranstaltung sei, was wir natürlich voller Stolz und Freudentränen in den Augen verkündet haben.

 

 

Du hast ja im Rahmen deiner psychonautischen Forschung eine Vielzahl diverser psychoaktiver Substanzen kennengelernt. Gibt es auch welche, die dir wirkspezifisch überhaupt nicht gefallen?

 

Ja, es gibt viele Substanzen, die ich niemals nehmen würde, damit es mir besser geht. Aus dieser Intention heraus werden Drogen meist ja auch eingenommen. Niemand nimmt eine Substanz zu sich, in der Hoffnung, dass es ihm danach schlechter geht. Und ich habe auf jeden Fall schon Substanzen experimentell zu mir genommen, nach deren Einnahme es mir ganz sicher nicht besser ging. Dazu zähle ich beispielsweise die Nachtschattendrogen. Aber auch ein stärkerer Alkoholrausch gefällt mir überhaupt nicht. Eine kleine Angeschwippstheit ist noch OK, aber ein richtiger Alkoholrausch turnt mich voll ab. Da wird mir nur schlecht von.

 

 

Gab es bestimmte psychonautische Experimente, an denen du trotz ausführlichster Vorbereitungen gedacht hast, dass irgendetwas schief läuft? Zum Beispiel nicht aushaltbare Nebenwirkungen?

 

Ja, da muss ich auch wieder auf die Nachtschattengewächse verweisen. Meine Brugmansia-, also Engelstrompeten-Erfahrungen waren extrem anstrengend und daher auch sehr lehrreich für mich. Als Jugendlicher habe ich mal mit Benzodiazepinen eine Erfahrung gemacht, die auch alles andere als schön war. Genau, wie ich als Jugendlicher auf der Suche nach Rausch mal eine ganze Packung Koffein-Tabletten geschluckt habe. Die Wirkung davon war ebenfalls nicht zu begehren.

 

 

Und welche Substanzen schätzt du besonders?

 

Für mich persönlich gesprochen kann ich sagen, dass mir die psychedelischen Substanzen in Bezug auf mein Handeln und spirituelles Werden, was auch immer das heißen mag, am besten weiter geholfen haben. Das sind vor allem die Substanzen LSD, Psilocybin und DMT. Diese drei Substanzen sind meiner Meinung nach die Crème de la Crème der Psychedelika. Ansonsten schätze ich Cannabis sehr. Es ist für mich eine wunderbare Medizin. Seit kurzem habe ich auch eine sogenannte Ausnahmegenehmigung. Aber darüber hinaus hat mir Cannabis auch dabei geholfen, mich intellektuell und kognitiv zu entwickeln. Das ist ganz klar.

 

 

Hast du auch schon einmal die non-pharmakologischen Techniken der Bewusstseinserweiterung ausprobiert?

 

Nein bzw. nur am Rande. Ich möchte künftig aber auf jeden Fall mal das Holotrope Atmen nach Christina und Stanislav Grof ausprobieren. Aber auch dafür braucht man Zeit und Muße. Das geht nicht mal so nebenbei. Was für mich aufgrund meiner leichten klaustrophobischen Neigung bislang überhaupt nicht in Frage gekommen ist, sind jedwede Techniken, die mit Enge zu tun haben. Beispielsweise das Schwitzhüttenritual oder der Samadhi-Tank. Manchmal versuche ich zu meditieren, was aber sehr oft nach hinten losgeht. Entweder komme ich erst gar nicht dazu oder es wird nichts, weil ich innerlich so aufgewirbelt bin.

 

 

Sag mal, wie viele Bücher hast du eigentlich bislang veröffentlicht? Das sind ja einige.

 

Es sind zwanzig. Davon gefühlt neunzehn Kakteenbücher. (lacht)

 

 

Worum geht es in deinem aktuellen Buch Unkraut-Heilkraut eigentlich? Der Titel hört sich ja sehr spannend an.

 

Unkraut-Heilkraut ist ein ethnobotanisch respektive ethnomedizinisch orientiertes  Buch. Und zwar ist dieses Buch entstanden, weil mich der Verleger, in diesem Fall der Neue Erde Verlag, gefragt hatte, ob ich Lust hätte ein Buch über das Phänomen zu schreiben, dass immer dann, wenn den Menschen eine Krankheit plagt, dass passende Heilkraut in seiner unmittelbaren Nähe gedeiht. Dabei handelt es sich um eine Theorie, die schon von Hildegard von Bingen, Paracelsus und vielen anderen Kräuterkundigen vertreten wurde. Ich habe diese Theorie auch überprüft und es ist in der Tat so, dass bei mir ums Haus genau die Pflanzen wachsen, die ich brauche, um alle meine körperlichen Krankheiten zu behandeln. Im Buch gibt es neben einer langen Einleitung jede Menge Pflanzenmonographien über sämtliche, in unserer Heimat gedeihende Wildpflanzen, sogenannte Unkräuter, die allesamt medizinische Eigenschaften aufweisen.

 

 

Befindet sich derzeit auch ein Buch von dir in Vorbereitung oder Planung?

 

Klaro, eigentlich ständig. Aktuell befinden sich mehrere Bücher in der Vorbereitung. Das ist einmal das „Lexikon der Psychonautik“, das du ja geschrieben hast und von mir herausgegeben wird. Zum anderen ist es das Buch „Psychedelische Tomaten“, das Christian Rätsch,  Roger Liggenstorfer und ich herausgeben werden. Dieses Buch vereint jede Menge Erfahrungsgeschichten von Autoren des Nachtschatten Verlags im direkten Umgang mit Nachtschattengewächsen. Dann bin ich gerade dabei, dass Changa Buch vorzubereiten. Das wird ein Smart-Book werden und ebenfalls dieses Jahr auf dem Markt erscheinen. Dann ist für 2015 noch ein Buch über Opium und Morphin geplant, dass ich zusammen mit Wolfgang Bauer mache. Auch noch für dieses Jahr ist ein Buch über DMT, eine Rechtshilfefibel für Drogenfälle sowie ein Buch über Räucherstoffe angedacht. Last but not least werden Christian und ich dieses oder nächstes Jahr mit der Ergänzung seiner „Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen“ beginnen. Es ist also immer viel zu tun.

 

Ok, Lieber Markus, vielen Dank für das nette Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei deiner wertvollen Arbeit.

 

 

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