Freitag, 8. August 2014

Repression und Strafrecht

Beitrag von Hans Cousto

Starke Zunahme der Drogenrepression

 

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Die polizeiliche Repression gegen Drogenkonsumenten hat im letzten Jahr signifikant zugenommen. In Deutschland stieg die Repression gegen Cannabiskonsumenten um 7,5%, gegen Konsumenten aller anderen illegalisierten Drogen jedoch nur um 6,1%. Bemerkenswert ist hierbei, dass bei auf den Konsum bezogenen Delikten (allgemeine Verstöße), bei Cannabis die stärkste Zunahme zu verzeichnen war. Diese betrug 10,6%. Es ist offensichtlich, dass die Jagd auf Kiffer deutlich zugenommen hat. Die registrierten Fälle bezüglich Handel mit und Schmuggel von Cannabis sank hingegen um 3,3% und die die Zahl der Fälle bezüglich Einfuhr von nicht geringen Mengen sank sogar um 6,3%. Im Fokus der Polizei standen somit Kiffer, die keinem anderen Menschen einen Schaden durch ihr Tun zufügen.

 

Der Anteil der auf den Konsum bezogenen Delikte lag bei Cannabis über 78%, bei den übrigen Drogen insgesamt jedoch unter 70%. Auch diese Zahlen verdeutlichen, dass der Fokus des Kontrolldrucks seitens der Polizei vor allem auf Cannabiskonsumenten gerichtet ist. Man kann sich hier kaum des Eindrucks erwehren, dass die Ausweitung des Kontrolldrucks bei den Konsumenten von Gras und Haschisch eine Trotzreaktion auf die von über 120 Strafrechtsprofessoren geforderte Evaluierung der Drogenpolitik ist. Die Parteien der Groko (CDU/CSU/SPD) haben bekanntlich eine Überprüfung der derzeitigen Politik abgelehnt.

 

Evaluierung der Drogenpolitik

 

Bereits vor mehr als zehn Jahren hat die Drogen- und Suchtkommission beim Bundesministerium für Gesundheit in ihrer Stellungnahme vom Juni 2002 eine Evaluierung der bisherigen repressiven Drogenpolitik auf ihre Effizienz hin gefordert. Wörtlich heißt es in dem Bericht (S. 16 f.; 29 f.):

 

Die empirische Forschung hat durch intensive Studien in den letzten drei Jahrzehnten nachweisen können, dass sowohl spezial- als auch generalpräventive Maßnahmen ihre Grenzen haben. Weder mit Behandlung und Therapie alleine, noch mit Abschreckung und Repression lassen sich die Probleme im Zusammenhang mit legalen und illegalen Substanzen lösen. Auch überkommene Vorstellungen von polizeilichen Maßnahmen mussten aufgegeben werden. So wurde die Einsicht gewonnen, dass die Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit (die als ein nachweislich generalpräventiv wirkender, d.h. abschreckender Faktor gilt) nur bedingt realisierbar ist. Dort, wo man durch massiven Polizeieinsatz versucht, die Kontrolldichte zu verstärken, führt dies oft nicht zu einer Lösung des eigentlichen Problems, sondern zu einer räumlichen Verlagerung oder Verdrängung. Hinzu kommt, dass zu viel Polizei zu eskalierenden Gefährdungsvermutungen und zu verstärkter Wahrnehmung von Unordnung führen kann und damit im Ergebnis Bemühungen zur Erhöhung des Sicherheitsgefühls konterkariert. Die prinzipielle Erfolglosigkeit gilt besonders für einen „Kampf gegen die Drogen“ oder den „War on Drugs”, wie er z.B. intensiv in den USA geführt wurde. (…)

 

Die sozialwissenschaftliche Forschung hat sich in den letzten Jahrzehnten intensiv mit der Lenkungswirkung von und der Verhaltenssteuerung durch Recht beschäftigt. Die Ergebnisse dabei sind insgesamt eher entmutigend. Viele der dem Recht zugeschriebenen Folgen oder Ergebnisse lassen sich nicht oder durch andere als rechtliche Mittel besser (z.B. mit weniger Nebenwirkungen) erreichen. Dies gilt insbesondere für die verhaltenssteuernde Wirkung des Strafrechts, wo spezial- und generalpräventive Effekte nur bedingt nachzuweisen sind. Zwar hat das Strafrecht insgesamt eine positive generalpräventive Funktion in dem Sinne, dass es die Normtreue der Normtreuen (also der „Anständigen“) verstärkt; dabei kommt es aber weniger auf die konkrete Ausgestaltung einer (Strafrechts-)Norm oder auf die Art und Höhe der Sanktion als auf die Tatsache an, dass ein Verhalten überhaupt als bestrafungswürdig vom Gesetzgeber definiert wird. Andere Faktoren (wie z.B. bei Jugendlichen die Gruppe der Gleichaltrigen) spielen bei der individuellen Entscheidung, ob man sich an bestimmte Vorschriften hält oder nicht, eine größere Rolle als das (Straf-)Recht.

 

Für die Gesetzgebung im Zusammenhang mit illegalen und legalen Drogen bedeutet dies, dass keine überzogenen Erwartungen an (neue) Gesetze zu stellen sind. Vielmehr ist besonderes Augenmerk auf mögliche schädliche Nebenwirkungen solcher Gesetze (z.B. Stigmatisierung bestimmter Personengruppen, negative Effekte durch Inhaftierungen etc.) zu richten. Zudem sollten Gesetze regelmäßig evaluiert und daraufhin überprüft werden, ob die in sie gesetzten Erwartungen auch tatsächlich erfüllt worden sind. Sollte die (unabhängige) Evaluation zu dem Ergebnis kommen, dass dies nicht der Fall ist, dann sind die Gesetze abzuschaffen, im Ausnahmefall auch zu ändern.

 

Grundlegendes zum Recht und zum Strafrecht

 

Das Recht ist die verbindliche Ordnung des Verhaltens, das der Angehörige einer Gruppe gegenüber anderen Mitgliedern äußert. Das Recht ordnet menschliche Beziehungen. Der Drogenkonsum betrifft nur den Konsumenten selber, er untersteht individualethischen Regeln, entzieht sich aber als Verhalten des Einzelnen dem Recht als Regelung menschlicher Beziehungen. Jedem Menschen einen großen Spielraum einzuräumen, wie er sein Leben in eigener Verantwortung führen will, ist ein Kennzeichen einer liberalen Rechtsordnung.

 

Mit der Begrenzung des Rechts auf eine Regelung der Beziehungen zu anderen Menschen hängt ein Grundsatz des heutigen Strafrechts zusammen: Nur ein Verhalten, das die Rechtsgüter anderer Menschen oder gar einer ganzen Gruppe unmittelbar beeinträchtigen könnte, kann strafwürdig sein. Es genügt dazu nicht, dass die Mehrheit einer Gruppe, selbst eine kompakte Mehrheit, ein Verhalten moralisch verurteilt. Damit wird dem Strafrecht ethische Bedeutung nicht abgesprochen. Die Menschen zu bewahren vor äußerlich zugefügtem Schaden an Leib und Leben, Freiheit, Ehre und Eigentum, ist ebenfalls eine Aufgabe der Ethik, zwar nicht der Individualethik, sondern der Sozialethik. Abgelehnt wird einzig die Auffassung, die Gebote der Individualethik oder gar der Religion strafrechtlich zu sichern. Ein Blick auf das Wirken der Inquisition oder das Wüten des Strafrechts totalitärer Staaten zeigen, welche Irrwege eröffnet werden, wenn das Strafrecht das Einhalten religiöser, moralischer oder politischer Überzeugungen gewährleisten soll. Dazu kommt, dass strafrechtliches Eingreifen nicht als erste Abhilfe dienen, sondern erst herangezogen werden soll, wenn andere Vorkehrungen sich als Wirkungslos erweisen. Das Gebietet der Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts wie auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit.

 

Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 gehört zu den Grundlagen moderner freiheitlich demokratischer Rechtsstaaten. Die Erklärung ist vom Gedankengut der Aufklärung geprägt. So heißt es in Artikel IV:

Die Freiheit besteht darin, alles tun zu dürfen, was einem anderen nicht schadet: Die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen hat also nur die Grenzen, die den anderen Mitgliedern der Gesellschaft den Genuss ebendieser Rechte sichern. Diese Grenzen können nur durch das Gesetz bestimmt werden.

Und in Artikel V heißt es:

Das Gesetz darf nur solche Handlungen verbieten, die der Gesellschaft schaden. Alles, was durch das Gesetz nicht verboten ist, darf nicht verhindert werden, und niemand kann gezwungen werden zu tun, was es nicht befiehlt.

Der Genuss psychotrop wirkender Substanzen wie Cannabis beeinträchtigt die Rechtsgüter anderer Menschen nicht und darf deshalb aus ethischer Sicht auch nicht strafbewehrt sein. Dazu gehören auch Vorbereitungshandlungen wie der Anbau, Erwerb und Besitz. Jeder muss auf seine Art genießen können. Und niemand darf, solange der Genuss nicht auf Kosten oder zu Lasten anderer erfolgt, ihn in seinem eigentümlichen Genuss stören.

Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Deutschland verstößt in gravierender Weise gegen dieses Grundprinzip der Menschen- und Bürgerrechte, die jedem die Freiheit einräumen, all das zu tun, was keinem anderen schadet.

 

Fazit

Die Drogenpolitik der Bundesregierung ist nach wie vor von ideologischen Grundzügen geprägt. Die Bundesregierung ist nicht einmal bereit, ihre Politik evaluieren zu lassen und hält mit einer unerträglichen Sturheit an den alten fundamentalistischen Paradigmen fest. Deshalb wird gegen diese altbackene Politik auf der Hanfparade demonstriert. Jeder, der sich für einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik engagieren will, ist aufgerufen, am Samstag den 9. August 2014, an der Hanfparade teilzunehmen.

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5 Kommentare
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Sebastian
9 Jahre zuvor

Bundesdrogenbeauftragte kommen und gehen,
Gesetze kommen und gehen,
sogar Staaten kommen und gehen,
doch Hanf ist hier um zu bleiben.

Die einstige Absicht, das Cannabis weltweit ausgerottet wird, ist mit der Entkriminalisierung in Washington und Colorado nicht mehr durchsetzbar, wenn sie es denn jemals war.

Lars Rogg
9 Jahre zuvor

Das ist genau das was ich immer sage-nichts ist besser geworden…Growshops werden überfallen, Hanfhändler ermordet, Wohnungen von Konsumenten verwüstet, Personen mit treffender Optik vermöbelt und intim Durchsucht. D.h. unsere arbeitsscheue Exekutive verbeist sich in Menschen mit geringer bis gar keiner kriminällen Energie und hofft das sie uns demoralisieren können-Fickt euch, nicht mit uns!!!. Bevor bei uns irgend etwas besser wird, wird es noch viel, viel schlimmer. Kleine, ungefährliche aber leicht zu dämonisierende Kiffer(innen) abzugreifen ist so viel leichter als echte Verbrecher zu jagen. Aber sie können so tun als würden sie arbeiten (hihihi) und der Gesellschaft einen Dienst erweisen. Da draussen könnten sie ja von Hells Angels und ähnlich netten Menschen Widerstand der unschönen Art erwarten. Das alles könne die… Weiterlesen »

Substi
Antwort an  Lars Rogg
9 Jahre zuvor

Es ist zwar etwas radikaler ausgedrückt, aber so isses!! *thump up*

reefermadness
9 Jahre zuvor

Nicht schlecht herr specht@ hans !

Also an alle die die meinen es würde bis Ostern oder so, eine plötzliche liberalisierung eintreten-viel spass in der deutschen Realität…

http://www.polizei-historie.de/cms/index.php/die-pickelhaube
1886 gab letztlich sogar Bayern den für sein Heer bis dahin so typischen Raupenhelm auf und übernahm die Pickelhaube (bei der Artillerie mit Kugel), auch wenn die bayerischen Generale mit Rücksicht auf Vorbehalte von Prinzregent Luitpold weiterhin den in Bayern üblichen Generalshut trugen.
grins….Raupenhelm
mfg

Lars Rogg
9 Jahre zuvor

Unglaublich..heute hat der debile Pisser Gall (Innenminister, SPD) gefordert, man solle der polizei mehr Respekt entgegen bringen!!! Dem Arschloch sollte man ins Gesicht scheißen-soviel zum Thema Respekt für eures gleichen….was für ein selbstgerechtes, unreflektiertes Dreckschwein…einem Bullen bring ich nur soviel Respekt entgegen, wie dieses Gesindel uns entgegen bringt. Also +- 0….