…and the Zeitgeist of the Twentieth Century
Bild: Nachtschatten Verlag
Ursprünglich sollte folgender Text eine Buchvorstellung des neu erschienenen Werkes von Stanislav Grof über HR Giger und den Zeitgeist des 20. Jahrhundert werden, doch im Laufe der Vorbereitungen erreichte uns die traurige Nachricht, dass HR Giger Mitte Mai in Zürich verstorben ist. Genaueres über die Umstände kann dem Nachfolgenden Nachruf, verfasst von Roger Liggenstorfer vom Nachtschatten Verlag, entnommen werden. Was zu sagen bleibt ist, das die Welt mit Gigers Tod einen visionären und faszinierenden Künstler verloren hat, dessen Werken nie ‘schön’ im herkömmlichen Sinne waren, die jedoch durch ihre Detailtreue und ihre mystischen Figuren eine ganz eigene, fesselnde Ästhetik entwickelten. Zu den Bewunderern Gigers gehört auch der Pionier der Bewusstseinsforschung Stanislav Grof, der in seinem Buch „HR Giger and the Zeitgeist of the Twentieth Century“ Gigers Schöpfungen erstmals aus Sicht der transpersonalen Psychologie interpretiert. Damit werden Gigers Bilder auf einer tieferen Ebene analysiert und seinen Darstellungen von Geburt und Tod, von Mensch und Maschine und von Enge und Einsamkeit ins Verhältnis zu der modernen Zeit und frühsten Traumata des menschlichen Lebensweges, ins Verhältnis gesetzt. Dies erlaubt dem Betrachter Gigers Arbeit auf eine umfangreichere Weise, jenseits von herkömmlichen Kunstinterpretationen zu erfahren. Ob mit dieser Erfahrung auch ein besseres Verständnis einhergeht, wird sich zeigen müssen, denn letztendlich waren Gigers Werke auch immer eine ganz persönliche Abbildung seines Inneren, das von Außenstehenden ohnehin nur begrenzt ergründbar ist. Neue Erkenntnisse liefert sie jedoch alle mal. Das Buch ist parallel auf Deutsch und Englisch geschrieben, der Inhalt wird durch Abbildungen von Gigers Werken eindrucksvoll veranschaulicht. Momentan findet in der Galerie Sansvoix in Leipzig die Ausstellung „HR Giger – Zeitgeist des 20. Jahrhunderts statt, die von der Galerie selbst und vom Nachtschatten Verlag koproduziert wurde. Ein Video, das von Markus Berger bei der Vernissage aufgenommen wurde, ist auf YouTube zu finden (Nachtschatten Television Folge 17). Die Ausstellung ist noch bis zum 13. Juni 2014 geöffnet.
Das Ende einer visionären Reise: HR GIGER
Ein Nachruf
„Mit dem Tode ist es vorbei, so glaube ich zumindest.
Man kann sich ja in diesem Bereich nicht sicher sein.“
HR Giger in: Lucy’s, Frühjahr 2014, Seite 23
Der Schweizer Künstler HR Giger verstarb am Montag, den 12. Mai 2014, im Alter von 74 Jahren in einem Züricher Spital an den Folgen eines Sturzes. Damit geht der Welt ein kreativer Kopf verloren, und die der zeitgenössischen Kunst und Kultur hinterlassene Lücke kann durch niemanden geschlossen werden.
HR Giger, geboren als Hans Rudolf Giger am 5. Februar 1940 in Chur, formte nicht nur Leib und Ausdruck der legendären Hollywood-Aliens. Diese verhalfen dem exzentrischen Künstler zwar zu Weltruhm, es war aber vor allem seine ambivalente Ader, die HR Giger als Künstler beim Publikum so unfassbar beliebt machte. Diese durch und durch ambivalente Ader, die gerne das Schöne mit dem Schrecklichen kombiniert, und auch dem schlimmsten Alptraum einen ästhetischen Glanz aufpoliert.
Das Buch, das wir verlegen durften, ist eigentlich ein Buch über HR Giger, eines der wenigen, die den Menschen hinter diesen Bildern zeigt. Und zwar auf eine Art und Weise, die den wenigsten bekannt war. Für HR wie auch für seine Frau Carmen war es ein großes Geschenk, dass dieses Buch, geschrieben von Stan Grof, endlich erschien.
Es ist das Werk Hansruedi Gigers, das der Menschheit erhalten bleibt. Es ist ein Werk, das schon zu des Künstlers Lebzeiten längst Unsterblichkeit erlangen konnte. Ein Werk, das Gigers Geist und Genialität bewahren wird – in einer Welt, die immer schneller und roher zu werden Gefahr läuft und deshalb der Arbeit HR Gigers umso mehr bedarf. Weil sie den Betrachter, trotz der zum Teil verschreckenden oder beklemmenden Sujets, in einen meditativen Zustand versetzen kann. Auch bleibt bei Giger der Betrachter nicht allein Betrachter, vielmehr wird er zum Erleber, denn Gigers Werke betrachtet man nicht nur, sondern man wird förmlich von ihnen aufgesaugt.
Als Verleger eines seiner letzten Bücher bin ich in der letzten Zeit öfter bei Gigers zuhause gewesen. Die Besuche in dem musealen Heim in Zürich-Oerlikon waren besonders: hier die furchterregenden Bilder, viele Originale, da Hansruedi, mit liebevollem Blick, das Gegenteil, was seine Bilder darstellen. Ein Mensch, der keiner Mücke etwas hätte antun können.
Der letzte Besuch bei Gigers war denn auch bei der Übergabe dieses großartigen Werkes Ende März. Die Freude an diesem Buch war groß, sehr groß. Schön, dass HR dies noch erleben durfte – dass dieser Wunsch in Erfüllung ging. Geplant war ein Besuch zwei Tage vor seinem Tod – leider kam es nicht dazu… es ist in letzter Zeit zu viel passiert bei Gigers: innerhalb von sechs Wochen sind gleich zwei seiner engsten Freunde gestorben – nun ist HR auch bei ihnen angekommen… Wir vermissen Dich!
Roger Liggenstorfer und Nachtschatten Verlag, zum 12. Mai 2014
Das letzte Giger-Interview im Lucy’s-Magazin des Nachtschatten Verlags findet ihr online unter: http://issuu.com/nachtschatten/