Sonntag, 13. April 2014

Frauen sind des Gärtners Tod

Autor: Sadhu van Hemp

„Die Männer, die mit den Frauen am besten auskommen, sind dieselben, die wissen, wie man ohne sie auskommt.“ Das sagte der französische Schriftsteller Charles Baudelaire – und der Haschbruder wusste, wovon er sprach: Im Alter von nur 46 Jahren raffte die Syphilis den Casanova dahin. Kurzum – wer ohne Frau auskommt, gärtnert länger.

Sadhu-frauen

Ein Mann sollte in seinem Leben einen Baum pflanzen, einen Sohn zeugen und ein Haus bauen. Diese Maxime ist nicht meine, wohl aber die meines besten und ältesten Freundes Knut. Bereits im zarten Alter von fünfzehn Jahren hat der Gute nicht nur einen Baum gepflanzt, sondern gleich ein halbes Maisfeld mit Marihuanabäumen aufgeforstet. Auch blieb es nicht bei dem einen Kind, das er als Sechszehnjähriger versehentlich mit seiner fast doppelt so alten Halbschwester zeugte. Knut hatte sein Soll früh, sehr früh erfüllt. Zwar waren die Söhne nur Töchter und der gepflanzte Baum nur einjähriger Hanf, aber der gute Wille zur Vollendung der Lebensmaxime zählt auch. Und alles hätte bis zum Jüngsten Gericht so weitergehen können, wäre da nicht dieser vermaledeite Wunsch nach einem Haus gewesen, den sich Knut auf seine alten Tage noch erfüllen wollte.

„Wozu brauchst du eine Hütte?“, appellierte ich an die Vernunft des Freundes. „Kauf dir eine schöne Dachgeschosswohnung mit Treppenlift in der Stadt. Das reicht für dich und deine Ladies allemal. Oder hat dir eine Frau die Flausen in den Kopf gesetzt?“

Doch vergebens, Knut war trotz aller Warnungen nicht zu bremsen und baute sein Einfamilienhäuschen, mittenrein in eine auf dem Reißbrett entworfenen Neubausiedlung am Stadtrand. Fortan ward der hartnäckige Junggeselle auch nicht mehr auf dem Kiez gesehen, und bis auf ein paar Nachfragen einiger Nachbarinnen, auf welchem Friedhof der Galan denn läge, krähte kein Hahn mehr nach dem Haschbruder.

 

Fast zwei Jahre hörte ich nichts von dem Hagestolz, bis mich seine besorgten Töchter aufsuchten und darum baten, mal nach dem Rechten zu sehen. Ihr Verdacht war, dass ihr Vater einer Erbschleicherin aufgesessen war. So ein Mist auch! Sollte sich tatsächlich meine düstere Vorahnung bewahrheiten, dass sich eine fremde Macht seiner bemächtigt hatte? Würde ich den guten Knut in Filzpantoffeln und einem Jogginganzug antreffen, der von einer Cindy aus Marzahn wie ein fetter kastrierter Kater gehalten wird?

Ich bin natürlich sofort rausgefahren in die Siedlung, deren kleinbürgerliche Idylle meine schlimmsten Befürchtungen noch übertraf. Ich spürte sofort das schlechte Karma, vor allem das der vielen freilaufenden Kinder, die mich beäugten, als wäre ich Marc Dutroux höchstselbst. Aber unwichtig, ich wollte sehen, wie mein Freund in dieser heilen Spießerwelt klarkommt. Und wirklich, er kam klar, der gute alte Knut. Nichts, rein gar nichts schien an ihm verändert. Den Graukopf schmückten nach wie vor lange Haare, Zauselbart und Nickelbrille, während der hagere Rest in einem grünen Blaumann steckte.

Und ja, ich staunte nicht schlecht: Knut hatte sich perfekt eingerichtet. Der Keller war komplett ausgebaut, alles vom Feinsten und mit neuester Licht- und Belüftungstechnik. Den Jahresumsatz der Hanfplantage bezifferte er auf eine Viertelmillion brutto, und überhaupt sei er der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt.

„Also, kein Grund zur Besorgnis“, sagte er, während wir gemütlich in seinem hermetisch abgeriegelten Keller hockten und Hanfblüten vaporisierten. Doch einen Wermutstropfen gab es: Knuts Nachbarn – und die hatten es in sich.

„Du wohnst neben einem Bullen?“ fragte ich ungläubig nach. „Und die Frau von dem macht dir Avancen? Sag mal, Knut: Aber sonst ist alles klar bei dir?“

Doch Knut lachte nur und winkte ab. Er hätte das schon im Griff, behauptete er, und ich solle keine Panik schieben, da er wisse, was er tue. „Ich schwöre, Alter: Weiber kommen mir nicht über die Schwelle. Du weißt ja: Frauen sind wie Pilze. Die Schönsten sind giftig!“

 

Mit dieser frohen Kunde kehrte ich zurück in die urbane Zivilisation, besänftigte seine Töchter – und hatte wieder meine Ruhe. Und wie das bei ruhenden Kiffern so ist, verliert man sich in der Zeit. Erst als ich von einem Frauenmord in Knuts Siedlung hörte, erinnerte ich mich wieder an den Freund. „Knut wird doch nicht“, dachte ich zuerst. Aber schließlich ermittelte die Kriminalpolizei, dass das Mordopfer vom eigenen Ehemann beseitigt worden war. Trotzdem, spannend war das allemal. Ein paar Monate später war meine Neugier endlich soweit gereift, dass es mir gelang, mich aufzuraffen, um mal nachzuschauen, wie es dem Kumpel in seinem gefährlichen Umfeld so geht.

Es war schon etwas beklemmend, als ich an dem Haus des Kapitalverbrechens vorbeispazierte. Doch mit dem sicheren Gefühl, sogleich von Knut empfangen und geherzt zu werden, verflog alle Furcht vor amoklaufenden Vorort-Psychos. Doch weit gefehlt, denn plötzlich stand genau so einer vor mir.

„Bist du das, Knut?“ fragte ich nach, als mir ein gänzlich unbekannter Mann die Tür öffnete. „Was ist denn mit dir passiert, Keule? Du in Ballonseide und Filzlatschen? Kein Bart, Matte ab, ohne Nickelbrille? Gibt’s Probleme?“

„Keine Sorge, habe alles im Griff. Musste mal eine Typänderung vornehmen“, flüsterte er, während er mich eilig an der Kellertreppe vorbei in die Küche schob. „Hast du was zu rauchen dabei?“

„Wie jetzt? Baust du nicht mehr an? Was ist los? Hier stimmt doch was nicht?“ Knut wich meinem Blick aus, senkte den Kopf und schwieg. „Alter, was geht hier ab? Steckt eine Weibsperson dahinter?“

Kaum hatte ich den Verdacht geäußert, bestätigte er diesen mit einem verräterischen Grinsen.

„Okay! Dann zeig ich dir mal was.“ Knut nahm meine Hand und führte mich in den Keller. „Aber Vorsicht! Wenn du gleich durch den Türspion guckst, darfst du nicht erschrecken. Ich kann das nämlich alles erklären, was du siehst.“

Ich trat ans Guckloch, und tatsächlich: Statt der Blütenpracht einer Hanfplantage erspähte ich ein komplett eingerichtetes Wohnzimmer. Doch der Hammer war eine mit einem Negligee bekleidete Wasserstoffblondine, die sich lasziv auf einem roten Sofa räkelte.

„Das ist Berta“, erklärte Knut das Sittengemälde. „Berta ist die von meinem Nachbarn ermordete Frau. Aber wie du siehst, ist die Leiche putzmunter – und ich habe sie jetzt an der Backe. Pass auf, das ist so: Monatelang hat mir die Süße nachgestellt. Ständig ist sie aufgelaufen, immer unter einem anderen Vorwand. Ja, und irgendwann stand sie plötzlich im Grow-Raum, einfach so, in Strapsen und mit einer Familienpackung Kondome in der Hand. Na ja, was blieb mir anderes übrig, als die tickende Zeitbombe in Sicherungsverwahrung zu nehmen? Und da schmort sie nun, die Berta, und eigentlich ist die Kleine ganz brav und zutraulich.“ Knut warf einen kurzen, fast verliebten Blick durch den Spion. „Nun guck sie dir an! Hätte ich das dumme Ding abmurksen, zerstückeln und die Toilette runterspülen sollen? Nee, Alter, ich bin kein Mörder, sondern nur ein Hanfgärtner, der nicht in den Knast will.“

„Und nun?“, fragte ich fassungslos nach. „Gibt’s da auch ein Happy End?“

„Ja, schon geschehen“, erwiderte Knut. „Die Polizei hat nach ihrem Verschwinden den Ehemann zum Mörder gemacht – und fertig. Berta existiert gar nicht.“

„Und es macht dir nichts aus, dass ein Unschuldiger für ein Verbrechen im Knast sitzt, das nie geschehen ist?“

„Iwo, der Kerl hat Berta geschlagen und betrogen. Der war schon länger als Soziopath verschrien. Lass mal, da brummt schon das richtige Arschloch. Die Kripo konnte genug Beweise vorlegen, dass er es war, der Berta verschwinden ließ.“

„Äh Knut, das ist doch vollkommen irre“, wandte ich ein. „Statt deiner Pflanzen züchtest du blondiertes Gift unter Kunstlicht. Das ist krank, sehr krank sogar!“

„Sag das nicht!“, widersprach Knut. „Das ist ein supergeiles Lebensgefühl, statt der ollen Hanfpflanzen mal eine Frau zu hegen und zu pflegen.“ Er schaute noch einmal verzückt durch den Spion. „Nun guck sie dir an! Ist sie nicht schmuck? Ich glaube, mit der Lady werde ich alt. Siehst ja selbst: Rein optisch habe ich mich schon angepasst.“

„Ja, das sehe ich, Knut.“ Ich packte den Freund bei den Schultern. „Wach auf, Kerl! Die Frau muss weg, noch heute! Pass auf, ich erledige das für dich!“

„Kommt ja nicht in Frage“, knurrte Knut mit entschlossener Miene. „Berta ist gerade in der Vegetationsphase und wird mir den ersehnten Sohn schenken.“

Mir blieb die Spucke weg, und ich machte, dass ich aus Knuts Horrorhaus fort kam. Erst Tage später begriff ich, dass der arme Teufel aus der Notlage noch das Beste machte, zumal Haschbrüder auch nur Menschen sind, denen der liebe Gott einen Knüppel zwischen die Beine geworfen hat.

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