Growe ich „High“ oder doch besser „Stoned“?
Autorin: Mari Jo
Der Umgang mit Cannabis und seinen diversen (Rausch-)Wirkungen ist zwar einerseits ein essenzielles und dringendes Thema, leider krankt es gerade im Kontext der medizinischen Verwendung an einer völlig bigotten Tabuisierung, die vermutlich im Interesse von Industriekartellen und sonstigen Prohibitions-Profitträgern sowie zum Schaden schwer kranker Menschen künstlich erhalten bleiben soll. Andererseits leben wir im „Zeitalter der Aufklärung“ und sind dank globaler Vernetzungen privilegiert, alle Quellen der Information zu nutzen. So ist es dem Internet-User denn auch vergönnt, auf diversen Webseiten regen Austausch betreffend z.B. Sorten, Wirkungen oder Zubereitungsformen zu pflegen (natürlich unter Berücksichtigung unerwünschter „Nebensurfer“)! Außerdem dürfte es Dank WorldWideWeb auch kaum noch eine Qualität geben, die auf dem Schwarzmarkt nicht zumindest als illegales Saatgut erhältlich ist.
Die meisten, die Cannabis zwangsläufig vom Schwarzmarkt oder aus Selbstanbau verwenden, nutzen es (oft zu ihrem Nachteil) erst abends oder gar nur wochenends, weil ihnen der Umgang mit dem „Rauschzustand im Alltag“ nicht geheuer ist. Einige medizinische Nutzer, besonders jene, die auf tägliche Medikation angewiesen sind, würden allerdings bei sachgerechter Information vermutlich mehr Gebrauch vom nebenwirkungsarmen Cannabis machen als bisher und sich dabei auch im sicheren Umgang mit dem veränderten Bewusstseinszustand üben. Es tritt ohnehin mit der Zeit eine Art von Adaption ein, auf Basis derer sich nicht einmal mehr ein „Rausch“ klar definieren lässt und kompensatives Verhalten automatisiert erfolgt. (Somit gibt es nicht einmal eine realistische Begründung für Behörden, einem Patienten, der sein Cannabis nach ärztlicher Vorschrift einnimmt, die Fahrerlaubnis zu entziehen.)
Sortenunterschiede und Rauschwahrnehmung
Es gibt unzählige Indikationsgründe, um Cannabis zu verwenden, und beinahe für jeden Grund eine eigene Sorte, was dem nicht informierten „Patienten“ allerdings zumeist vorenthalten bleibt. Tatsächlich gelang es jüngst einem Wissenschaftler in Israel, sogar „rauschfreien“ (heißt: THC-freien) Hanf für medizinische Zwecke zu züchten. So weit sind wir hier in Deutschland noch lange nicht. Keiner unserer regierenden Entscheidungsträger hält eine evidenzbasierte Forschung an dieser Pflanze für notwendig. Lieber werden der Bevölkerung weiterhin Lügenmärchen über Intelligenzverlust bis hin zum dramatisierten Psychoserisiko oder zuletzt gar Herztod aufgetischt, während in aller Stille einzelne Patienten auf Antrag per Import mit dem Sortiment einer niederländischen Firma versorgt werden können. Vier Sorten. Zu Selbstzahler-Wucherpreisen, versteht sich, und mit reichlich Versorgungslücken zwischendrin. Damit sind die meisten, welche wegen ihrer Erkrankung nicht voll erwerbstätig sein können, schon per se auf den Schwarzmarkt verwiesen… – so wie ich…
Was will ich – High oder Stoned?
Die Frage ist, was für Pflanzen baue ich denn für mich an? Welche von den Sorten macht denn nun „high“ und was muss ich growen, um vom Ergebnis schön „stoned“ zu werden…? Es hat doch seine Zeit gedauert, bis ich mich überhaupt mal bewusst in den „Sorten“ umtat – so gab es beim Dealer damals halt „Piece“, bzw. „Platte“ für „Zehn“ oder „Fünfzehn“ (seinerzeit noch gute Deutsche Mark), „Gras“, bzw. Blüten überhaupt nicht, da grinste der nur drüber… Einmal bekam ich ein winziges Stück schwarzer „Knete“ für „Fünfundzwanzig“ (ein üblicher Preis für „Temple“ oder „Charas“, wenn es mal hier ankommt), und ich war zunächst mehr als skeptisch, ob sich das wirklich lohnt… Tatsächlich aber war dieses Haschisch eine Offenbarung und veranlasste mich fortan auf Qualitäten zu achten, denn schon bald wollte ich keine minderwertigen Sorten mehr konsumieren. Jedenfalls begriff ich damals die Bedeutung der „Psychedelik“ bezogen auf Cannabis und begann zunehmend die Zustände „Stoned“ und „High“ zu unterscheiden. Es wurde mir klar, dass mich z.B. marokkanische „Platte“ „stoned“ macht, dieser nepalesische „Schwarze“ aber eindeutig „high“, wenn nicht mehr. Leider gab es danach nur noch einmal so feines Material, denn plötzlich gab es überall Schwarzen, allerdings mit mehr Streckmitteln drin als allem anderen…
Als es zunehmend mehr „Weed“ auf dem Schwarzmarkt gab, war es mir drum mehr recht als billig, nur noch feine Blüten zu kaufen und zu konsumieren – ich fühlte mich durchaus wohler dabei, genau sehen zu können, was ich in meine Pur-Pfeife oder Vaporizer bröselte… (Streckmittel im Kraut waren seinerzeit noch kein Thema) – und sowohl „Stoned“ als auch „High“ waren hier ebenso sortenabhängig wie besser kontrollierbar als mit den festen „Piece“-Stücken. Im Lauf der Zeit stellte ich fest, daß es beim „High“ sehr viele Variationen gibt, aber ein gutes „High“ vermutlich auf einer höheren Quantität des Delta-9 THC-Anteils verglichen mit dem Cannabidiol-Anteil beruht. (Wobei in der individuellen Chemie noch so einige Cannabinoide mehr eine Rolle spielen mögen…) Cannabidiol-lastige Qualitäten können dahingegen schnell ein „Stoned“-Empfinden aufgrund ihrer Inhaltsverhältnisse hervorrufen, welches nur ein erfahrener Gebraucher allenfalls mit einer drastischen Dosissteigerung oder zeitnahem Sortenwechsel zu kompensieren versteht. Medizinisch wirksam sind die Varianten allemal, aber nicht jedem Patienten gefällt es, „stoned“ zu sein. Jedenfalls nicht unbedingt den ganzen Tag lang…
Es gibt selten mal Indica-Sorten mit solch narkotischem Potenzial, daß von „High“ dabei einfach keine Rede mehr sein kann. Der Effekt dürfte hierbei auf einen entsprechend hohen Cannabidiolgehalt zurückzuführen sein, und es bleibt zu hoffen, daß der Verbraucher in dieser Hinsicht eines Tages Orientierungshilfe erfährt. Peinlich ist es sonst, wenn man solch eine Sorte am Einkaufsort „testet“ und anschließend die halbe Nacht im Auto sitzen bleiben muss, weil an Fahren kein Denken mehr ist. Oder, wenn man sie mitgebracht bekam und dann mal „nichtsbösesahnend“ vor dem Frühstück als Aperitif probiert, während man einen Behördentermin vor der Brust hat… (!) Nicht zuletzt darum ist es für Patienten sinnvoll, sich den eigenen Bedürfnissen zuzuwenden und jene Sorten anzubauen, die sie für sich selbst als passend erproben konnten.
Deklarationen erwünscht
Um all meinen Aufgaben und Verantwortungen ohne Einschränkung nachkommen zu können, bin ich somit häufig auf der Suche nach geeignetem „Tagesmaterial“, das mir trotz ausreichender medizinischer Wirkung einen normalen Umgang mit der Welt und ihren vielen „Regeln“ erlaubt. Denn jede „neue“ Sorte muss auf ihre diversen Wirkungen erst wieder getestet und an die Dosierung angepasst werden…
Sind beispielsweise aufgrund ihrer offensichtlichen Mehrgewichtung von Delta-9 THC gegenüber Cannabidiol die Sativasorten in diskreter Dosierung eher für den Alltagsgebrauch einsetzbar, so erweist man zum meditativen „Schalterschluss“ wohl eher einer „Indica“ mit hohem CBD/THC-Verhältnis die Ehre. Welche von den beiden als „high“, bzw. „stoned“ empfunden wird, ist nicht schwer zu erraten. Dennoch lassen sich die diversen veränderten Bewusstseinszustände sowohl unter den Haschisch-, als auch den Ganjazubereitungen natürlich nicht auf diese beiden Standards reduzieren. Die Differenzierung der individuellen Sortenräusche ist mindestens so schwierig wie bei Wein und erfordert auch eine gute Fähigkeit zur Selbstbeurteilung.
Das macht die Sache, besonders für diejenigen, die Hanf (auch) für medizinische Zwecke einsetzen, nicht gerade leicht. Dahingehend wären Wirkstoffdeklarationen in den angebotenen Sorten auf ihren THC-, CBN- und CBD-Gehalt dringend an der Zeit, damit jeder Patient das bekommt, was ideal zu seinem Leiden, bzw. individuellen Neurotransmittermuster passt. Immerhin haben schon ein paar Saatguthersteller diesen Bedarf erfasst und teilen interessierten Grow-Anwärtern zumindest gewisse Eckdaten wie die prozentualen Anteile Indica / Sativa oder erzielbare Ertrags- bzw. THC-Gehalte des jeweiligen Strains mit.
Wirkliche Hanfkultur zeigt sich in der Berücksichtigung der Ganzheitlichkeit von Mensch und Pflanze und ihrer Wechselbeziehung untereinander. Es hat sicherlich eine chrono-biologische Bedeutung, dass die gleiche Hanfsorte zu verschiedenen Tageszeiten anders wirkt, und dass es sinnvoll ist, sich innerhalb einer „Sortenfamilie“ zu bewegen; d.h. vor allem im medizinischen Kontext Biorhythmus, Sorte und Tageszeit harmonisch zu kombinieren, um ein Optimum an Wohlbefinden bei einem Minimum an unerwünschter Nebenwirkung zu erreichen.
Ist es unseren Reglementierern bisher auch nicht gelungen, die Popularität des Hanfgebrauchs zu dämpfen, so wurde doch seit den Internationalen Abkommen aus 1961 jegliche sachliche Aufklärung, sowohl bzgl. der differenzierten Rauschwirkungen, als auch der medizinischen Wirksamkeit und Anwendung betulich ignoriert – obwohl heute sämtliches Wissen für die breite Masse dank WorldWideWeb durchaus einfacher zugänglich ist als noch vor einem Jahrzehnt. So lassen sich Informationen zu sämtlichen Growerfragen, medizinischen Strains oder toxischen Streckmitteln im Schwarzmarktgras inzwischen beinahe ebenso schnell finden wie allerlei dubiose Kräutermischungen aus Geheimlabors. Zum großen Glück ist dieses universell nutzbare Kraut auch noch ein dankbares, welches leicht auf Balkon, Terrasse oder im Maisfeld sprießt, wo auch immer mensch es lässt. Das Hanfverbot ist ein verbrecherisches Gesetz und es gibt nur ein Mittel dagegen: Kollektiven zivilen Ungehorsam.
In diesem Sinne wünsche ich in jeder Hinsicht beste Besserung.
Eure Mari Jo
STONED: Nicht immer erwünschte Nebenwirkung, vor allem im Alltagsgebrauch oder bei der Selbstmedikation. Vermutlich durch im Verhältnis höhere Cannabidiolanteile hervorgerufen. Stark analgetische Wirkung, Berauschungsgefühl, unklarer Kopf, extrem entspannte Körpererfahrung bis hin zu bleiernen Lähmungsempfindungen. Narkotischer Schlaf, unkontrolliertes Binge-Eating oder beides findet sich als typisches Ausklangsphänomen. Vor allem bei minderwertigen Qualitäten zeigen sich manchmal Kopfschmerzen oder hartnäckige Schläfrigkeit und Dysphorie (meine Vermutung: als Symptom von Unterdosierung des Delta-9 THC?).
HIGH: Erwünschte Nebenwirkung beim Cannabisgebrauch, vermutlich bedingt durch eine erhöhte Delta-9 THC-Konzentration gegenüber dem Cannabidiolanteil (CBD) einer Sorte. Verringerte Schmerzwahrnehmung, Entspannung, Hochstimmung, Anregung bis hin zum Bewegungsdrang. Gesteigerte, steuerbare Kreativität, starke Kommunikationsbereitschaft. Empfänglichkeit für das eigene, höhere Selbst, holistische Betrachtung des Daseins, Möglichkeiten zu transpersonalem Erleben. Hinweis: Dosisabhängiger Missbrauch kann zum Paradoxon führen, aus „High“ wird „Stoned“.