Montag, 3. März 2014

Cannabidiol bei Angststörungen

von Dr. med. Franjo Grotenhermen

Dr. med. Franjo Grotenhermen Mitarbeiter des nova Institutes, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM)
Dr. med. Franjo Grotenhermen, Foto: Archiv

Das gesteigerte Interesse am therapeutischen Potenzial des nicht psychotrop wirkenden CBD bei einer Vielzahl von Indikationen (Epilepsie, Entzündungen, Schizophrenie, et cetera) lässt sich bereits daran ablesen, dass sich pharmazeutische Firmen zunehmend für dieses Cannabinoid interessieren. So hat das israelische Unternehmen Tikun Olam eine Cannabissorte entwickelt, die 15,8 % CBD und weniger als ein Prozent THC enthält. Das britische Unternehmen GW Pharmaceuticals, das vor allem durch die Entwicklung des auch in Deutschland erhältlichen Cannabissprays Sativex bekannt geworden ist, plant zur Zeit eine klinische Studie mit einem CBD-Extrakt namens Epidiolex bei kindlicher Epilepsie in den USA. Das holländische Unternehmen Bedrocan, das bisher 4 Cannabissorten auch für Erlaubnisinhaber in Deutschland anbietet, plant die Einführung einer CBD reichen Sorte.

CBD hat in mehreren tierexperimentellen Studien angstlösende Wirkungen gezeigt. Zudem gibt es einige klinische Studien, die diese Eigenschaften beim Menschen bestätigen.

Die erste dieser Studien wurde 1993 an der Universität von São Paulo (Brasilien) mit gesunden Teilnehmern durchgeführt. Sie wurden gebeten, eine Rede vor einer Videokamera zu halten. Ein solcher Versuch erhöht die subjektive Angst und geht mit bestimmten physiologischen Veränderungen, wie beispielsweise einer Steigerung der Herzfrequenz, einher. Diese Angst kann durch angstlösende Substanzen reduziert werden. Die Teilnehmer erhielten eine von vier Substanzen, ohne dass ihnen bekannt war, um welche Substanz es sich handelte: entweder 300 mg CBD, 5 mg Ipsapiron, 10 mg Diazepam (Valium) oder ein Placebo. Sowohl CBD als auch die beiden anderen angstlösenden Substanzen reduzierten die durch die Testsituation entstandene Angst.

Erst mehr als 15 Jahre später, im Jahr 2010, wurde an der Klinik für Psychiatrie der Universität von Sao Paulo eine weitere kleine klinische Studie, diesmal mit 10 Patienten, die an einer generalisierten sozialen Angststörung litten, durchgeführt. In der ersten Sitzung erhielten die Teilnehmer 400 mg CBD oder ein Placebo. In der zweiten Sitzung erhielten sie auf die gleiche Art und Weise das andere Präparat. Verglichen mit dem Placebo war CBD mit einer signifikant verringerten subjektiven Angst assoziiert. CBD verursachte auch Veränderungen des regionalen Blutflusses im Gehirn. Die Forscher folgerten, dass “diese Ergebnisse nahe legen, dass CBD die Angst bei der SAS [soziale Angststörung] reduziert, und dass dies mit Wirkungen auf die Aktivität in limbischen und paralimbischen Hirnregionen einher geht.” Diese Hirnregionen spielen eine wichtige Rolle bei Gefühlen. Ein Jahr später führte die gleiche, Arbeitsgruppe eine etwas größere Studie mit CBD bei Patienten mit generalisierter sozialer Angststörung in einem simulierten Test für öffentliches Sprechen durch. Es wurden drei Gruppen verglichen, 12 gesunde Kontrollpersonen ohne Medikation, 12 Patienten mit Angststörungen, die 600 mg CBD erhielten, sowie eine Gruppe von 12 Patienten, die ein Placebo erhielten. CBD war in dieser Studie in der Lage, die Angst bei Personen mit einer Angststörung auf ein Niveau von Gesunden zu reduzieren.

In einem Experiment an der Universität von London mit 48 gesunden Teilnehmern, die an einem Test zur Furcht-Konditionierung teilnahmen, verstärkte CBD die Festigung (Konsolidierung) der anschließenden Extinktion (Auslöschung der Furcht) und könnte daher bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen von Nutzen sein. Auf einen neutralen Stimulus, in diesem Fall ein farbiger Kasten, folgte ein zweiter (unangenehmer Reiz), in diesem Fall elektrische Schocks. Später verursachte der erste (neutrale) Reiz eine körperliche Reaktion, weil der Proband erwartete, dass der elektrische Schock folgen würde. Bei der Extinktion handelt es sich um einen Lernprozess, bei dem die erlernte Reaktion auf den ersten Reiz verschwindet, wenn dieser Reiz ohne den zweiten (unangenehmen) Reiz auftritt. Dieses Erlernen der Extinktion stellt eine wichtige Herangehensweise bei der Behandlung von Angststörungen dar. Die Teilnehmer erhielten 32 mg CBD, also eine vergleichsweise geringe Dosis, entweder vor oder nach der Extinktion. In allen Behandlungsgruppen wurde erfolgreich eine Konditionierung und die Extinktion der Furcht beobachtet. CBD, das nach der Extinktion gegeben wurde, verstärkte die Konsolidierung bzw. Festigung der Extinktion. Es gab aber keine akuten Wirkungen von CBD auf die Extinktion. Die Autoren folgerten, dass “diese Befunde den ersten Beweis dafür liefern, dass CBD die Konsolidierung des Extinktionslernens beim Menschen verstärken kann und legt nahe, dass CBD ein Potenzial als Zusatzmedikament bei Therapien von Angststörungen, die auf der Extinktion basieren, besitzt.”

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